Auf allen Kanälen: Gangster auf Twitter

Nr. 8 –

Eine organisierte Gruppe für Onlinemobbing sorgt in Frankreich seit einigen Wochen für Gesprächsstoff: Die frauenverachtende Ligue de LOL – gegründet von vornehmlich linken Journalisten.

Seit einigen Wochen hat Frankreich neben den Gelbwesten einen neuen Brennpunkt – und dieser begann mit einer Waschmaschine. Anfang Februar teilte der französische Journalist Alexandre Hervaud auf Twitter das Gif einer Maschine im Schleudergang. Kurze Zeit später wurde der Onlineleiter der Tageszeitung «Libération» entlassen.

Das Bild der schmutzigen Wäsche im Kochprogramm war Hervauds zynische Reaktion auf das Auffliegen der Facebook-Gruppe Ligue de LOL, der er selbst angehört hatte. LOL steht für «laughing out loud», man signalisiert damit im Netz, dass man etwas zum Lachen findet.

Öffentlich demütigen

Es war die «Libération» selbst, die die Geschichte hinter der Facebook-Gruppe publik machte: Gegründet vor etwa zehn Jahren von rund dreissig Männern, den renommiertesten Köpfen aus Kommunikation, Grafik und Journalismus, war die Ligue de LOL zu Beginn nichts weiter als eine private Gruppe, die sich über andere lustig machte. Genauer, die sich über Frauen aus der Branche mokierte. Kurz: Die Ligue war eine Gruppe für organisiertes Onlinemobbing. Am aktivsten war die Gruppe zwischen 2010 und 2012, vor allem auf Twitter. Und es blieb nicht beim Lästern über Kolleginnen. Die Mitglieder der Ligue de LOL wollten sie auch öffentlich demütigen, wie die Geschichten der Opfer, die nun nach und nach ans Licht kommen, beweisen.

Eine der ersten Frauen, die auf Twitter von ihren Erfahrungen mit den Mobbingtrollen berichtete, ist die französische Youtuberin, Beauty- und Modebloggerin Capucine Piot: «Es fing ganz langsam an. Es waren Tweets von irgendwelchen Leuten, nicht von meinen Followern, nicht von den Lesern meines Blogs. Es waren Journalisten, die meine Posts kommentierten. Sie schrieben, ich sei nicht wirklich intelligent, ich sei nicht hübsch genug, um einen Beautyblog zu betreiben.»

Nach Capucine folgten weitere Meldungen von Journalistinnen und Bloggerinnen, die von sexistischen und rassistischen Angriffen erzählen. In der Ligue de LOL wurden etwa Fotomontagen erstellt und verbreitet, in denen die Köpfe der Frauen auf die Körper von Pornodarstellerinnen montiert worden waren. Mélanie Wanga, eine der erfolgreichsten französischen Podcastproduzentinnen, schreibt auf Twitter, sie habe 2013 wegen der Ligue de LOL Twitter verlassen: «Stellt euch vor, ihr seid eine junge, schwarze Journalistin, die über Apartheid schreibt, und ihr kriegt zwanzigmal am Tag solche Nachrichten.» Wanga veröffentlichte dazu Tweets von ihren Angreifern, die sich über ihre Herkunft lustig machten.

«Ein Monster erschaffen»

Gegründet wurde die Ligue de LOL vom Journalisten Vincent Glad, der ebenfalls für die «Libération» arbeitete und dort unter anderem als Experte für die Berichterstattung über die Gelbwesten zuständig war. Am 10.  Februar veröffentlichte Glad auf Twitter eine Stellungnahme zu den Mobbingvorwürfen. Er habe ein Monster erschaffen, das ihm entglitten sei. Aber auch: «Wir waren einflussreich. Es hatte Tragweite, wenn wir jemanden kritisierten. Wir waren die Gangster auf Twitter.» Gangster, die Frauen für ihr eigenes Vergnügen schlaflose Nächte und Angst bereiteten.

Auffallend ist: Der Grossteil der beteiligten Journalisten ist im linken Spektrum zu verorten. Der «Télérama»-Journalist Olivier Tesquet, der ebenfalls dazugehörte, schreibt über seine Zeit in der Ligue de LOL: «Das war der Boys Club. Es war besser dazuzugehören, als draussen zu sein.»

Dass solche Boys Clubs einflussreiche Frauen zum Schweigen bringen wollen, ist nichts Neues. Dass ein solcher Club sich im liberalen Milieu organisiert und grossflächig agiert, wurde nun aber zum ersten Mal aufgedeckt. Neu ist ausserdem, dass sich immer mehr Betroffene trauen, ihre Geschichte zu erzählen. Und dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden: Die «Libération» kündigte nach Glads Stellungnahme vorläufig die Zusammenarbeit mit ihm. Sechs weitere ehemalige Mitglieder der Ligue de LOL wurden im Zuge der Veröffentlichungen der Opfer ebenfalls von ihren Posten entlassen, unter anderem David Doucet, Chefredaktor des grössten Popkulturmagazins, «Les Inrockuptibles». Laurent Joffrin, Chefredaktor der «Libération», kündigt eine umfassende Recherche zu den Vorfällen an.