Grünliberale Partei: «Unser Rezept heisst Eigenverantwortung»
Die Grünliberalen als linksliberale Alternative? Das sei eine Erfindung der Medien, sagt GLP-Chef Jürg Grossen. Der Parteipräsident wehrt sich aber auch gegen eine Gleichsetzung mit Rechts.
WOZ: Herr Grossen, wofür genau steht die Grünliberale Partei?
Jürg Grossen: Sie steht für Klimaschutz in Verbindung mit einer florierenden Wirtschaft. Und wir sind eine offene Partei, sowohl in Bezug auf Europa als auch bei gesellschaftspolitischen Themen. Dazu ist Eigenverantwortung bei uns hochgestellt, auch in der Sozialpolitik. Damit meine ich, dass man Anreize setzt und möglichst viele Menschen in den Arbeitsmarkt integriert. Natürlich muss man aber den Schwächsten in der Gesellschaft helfen.
Ausser in der Klima- und Gesellschaftspolitik machen Sie eine klar rechte Politik.
Ich halte nichts vom Links-rechts-Schema. Die Politik funktioniert nicht so eindimensional, wie sie dargestellt wird. In Ihrem Artikel von letzter Woche finde ich unsere Politik nicht wieder. Sie werfen uns vor, dass wir keine Rezepte hätten in der Klimapolitik. Da widerspreche ich vehement. Wir machen auch keine «knallharte» Finanzpolitik. Sondern eine, die kohärent ist. Wir wollen den kommenden Generationen weder Umweltschäden noch finanzielle Schulden hinterlassen. Auch in der Sozialpolitik gibt es durchaus Differenzen zu einer FDP oder SVP. So hat etwa Nationalrätin Kathrin Bertschy kürzlich ein Rahmengesetz für die Sozialhilfe gefordert, damit die Kantone nicht mehr wie heute einfach aus den Skos-Richtlinien aussteigen können.
In unserem Artikel von letzter Woche räumten wir mit dem Mythos auf, dass Ihre Partei eine linksliberale Alternative sei.
Das ist tatsächlich ein Mythos. Das Prädikat linksliberal kommt nicht von uns, sondern von den Medien. Es steht natürlich jedem frei, sich so zu bezeichnen. Aber ich persönlich halte nichts davon. Wir sind grünliberal. Das ist eine eigene Marke.
Der Wechsel der ehemaligen SP-Nationalrätin Chantal Galladé zu den Grünliberalen hat den Mythos weiter befeuert. War das einfach ein geschickter PR-Schachzug vor den Wahlen?
Nein, das war Zufall. Es hat sich einfach so ergeben. Irgendwann musste der Entscheid kommuniziert werden. Man darf aber nicht vergessen, dass es derzeit doch einige Linke gibt, die sich gerade in der Europafrage nicht mehr mit ihrer Partei identifizieren können, weil die SP hier einen dogmatischen Gewerkschaftskurs fährt.
Die Theorie, dass die SP in die Mitte rücken muss, damit sie ihre Wähler nicht verliert, wird gerade widerlegt. Wir erleben bei den kantonalen Wahlen einen Linksrutsch. Nicht nur die Grünen legen zu, sondern auch die SP. Die GLP wiederum scheint ihre Stimmen aus dem rechten Lager zu holen.
Wir holen momentan sicher viele zusätzliche Stimmen von der FDP und der CVP. Und es gibt sicher auch ein paar wenige Wechselwähler von der SVP. Ich selber lebe ja in einer SVP-Hochburg und erhalte bei jeder Wahl ein paar Panaschierstimmen. Insgesamt sind die Überschneidungen mit der SVP sehr klein. Aber es gibt Fragen, in denen wir übereinstimmen. Beim Steuer-AHV-Deal zum Beispiel teilen wir die kritische Haltung, und zwar aus anderen Gründen als Links-Grün.
Sie kämpfen gemeinsam mit der SVP gegen den Steuer-AHV-Deal. Ihre Partei ist gegen den sozialen Ausgleich in Form einer Finanzspritze an die AHV.
Ich halte das nicht für einen sozialen Ausgleich, denn die Finanzspritze wird von den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mitbezahlt. Wir sind aber auch deshalb gegen den Deal, weil SP-Präsident Christian Levrat bereits gesagt hat, dass für die SP damit eine Rentenaltererhöhung vom Tisch sei. Die aber halten wir aus demografischen Gründen für dringend notwendig.
Das Schreckensszenario einer nicht mehr finanzierbaren AHV hat doch nur einen Zweck: Sie wollen in einer rechten Allianz die solidarische erste Säule schwächen. Sie vertreten die Interessen der Gutverdienenden, die nur für sich selber schauen wollen.
Wir stehen zum generationenübergreifenden Solidaritätsprinzip. Aber wir sind nicht dafür, dass man das System laufend mit zusätzlichen Geldern aus anderen Quellen quersubventioniert. Der Steuer-AHV-Deal will diese Subventionierung weiter ausbauen. Wir wollen die AHV nicht schwächen, aber wir stehen explizit zum ganzen Drei-Säulen-System. Der eigenverantwortliche Teil gehört genauso zum Erfolgsmodell der Altersvorsorge wie die AHV.
Wo konkret positioniert sich die GLP anders als die anderen rechten Wirtschaftsparteien?
Da gibt es zahlreiche Beispiele. Sie haben in Ihrem Artikel einfach ein paar Punkte rausgegriffen und ein extremes Bild gezeichnet. Bei der Altersvorsorge wollten wir etwa eine Absenkung des Koordinationsabzugs in der zweiten Säule, das käme Menschen mit Mehrfachjobs und Eltern mit einem geringen Arbeitspensum zugute. Wir kämpfen ohnehin stark für Gleichberechtigung: Wir fordern etwa einen Elternurlaub von vierzehn Wochen, das gefällt den Wirtschaftsverbänden nicht. Bei der Entwicklungszusammenarbeit haben wir im Gegensatz zur SVP immer daran festgehalten, dass sie mindestens 0,5 Prozent des Bruttonationaleinkommens betragen muss. Dasselbe in der Steuerpolitik: Wir glauben an die Kraft des Steuerwettbewerbs. Aber wir müssen das «race to the bottom» beenden, das gewisse Kantone betreiben. Deshalb habe ich eine parlamentarische Initiative eingereicht, die eine rechtsformneutrale Besteuerung verlangt. Das würde bedeuten, dass die Kantone Personen grundsätzlich gleich hoch besteuern müssen wie Unternehmen. Das findet auch links Unterstützung.
Die GLP unterstützte aber die völlig überladene Unternehmenssteuerreform III, die dann an der Urne scheiterte.
Ja, das war eine Fehleinschätzung. Die Reform ging sicher zu weit. Rückblickend hätten wir mehr auf die Städte und die Kantone hören sollen.
Die Klimajugend fordert: «System change, not climate change». Was entgegnen Sie?
Ich finde es zwar spannend, über diesen Gedanken zu diskutieren. Aber ich halte es für naiv, zu glauben, dass die kapitalistischen Prinzipien auf der ganzen Welt einfach über den Haufen geworfen werden können. Für mich ist ein realistischer Systemwechsel, dass wir neue Technologien nutzen, um ein ressourcenschonendes Wachstum zu erreichen. Wir haben ganz viele, sehr konkrete Rezepte, von einer Flugticketabgabe über Flottenziele für Autoimporteure bis zu besseren Anreizen für die Produktion von Sonnenenergie.
Der Finanzplatz trägt mit seinen Investitionen in fossile Brennstoffe massiv zur Klimakatastrophe bei. Dennoch sind Sie gegen Regulierungen.
Das ist nicht wahr. Wir haben die Linken bei vielen Anträgen unterstützt. Unser Rezept heisst aber auch hier Eigenverantwortung. Wir wollen keine harten Gesetze, sondern verfolgen den Ansatz des «comply or explain»: Die Unternehmen sollen Bericht über ihre Tätigkeiten erstatten. Die Tendenz ist klar: Die Finanzunternehmen müssen raus aus diesen Investitionen. Aber das geht nicht von heute auf morgen. Im Gegensatz zu den Linken sind wir überzeugt, dass wir den ökologischen Wandel gemeinsam mit der Wirtschaft gestalten müssen.
Nationalrat Jürg Grossen (49) ist seit August 2017 Präsident der GLP.