Antifaschismus: Mit Sinn für rassistischen Humor

Nr. 16 –

Nach dem fasnächtlichen Ku-Klux-Klan-Aufmarsch demonstrierten am Wochenende in Schwyz Hunderte gegen Rechtsextremismus. Der Gemeindepräsident aber hat weiterhin Verständnis für den «Jux».

«Schwyz ist bunt» und kann auch anders, obwohl Diskriminierung und Demütigungen nach wie vor Alltag im Kleinstadtleben sind. Foto: Urs Flüeler, Keystone

Den AusflüglerInnen, die an diesem Wochenende zur Wanderung an den Fuss des Mythen-Bergmassivs nach Schwyz gekommen waren, präsentierte sich die ansonsten eher beschauliche Innerschweizer Gemeinde in ungewohntem Gewand. Wer nach Spaziergang und Besuch des Bundesbriefmuseums die Heimreise mit dem Zug antreten wollte, stiess auf mehrere Hundert überwiegend schwarz gekleidete AntifaschistInnen, einige Dutzend EinsatzpolizistInnen in – ebenfalls schwarzer – Vollmontur sowie auf etwa vierzig tätowierte Neonazis in oberkörperbetonender Bekleidung. Trotz dieser irritierenden Kulisse, eines zeitweise unterbrochenen Busverkehrs und einiger Flaschenwürfe am Bahnhof blieben die meisten AusflüglerInnen dann aber doch erstaunlich gelassen. Durch das Zugfenster begutachteten sie, wie die Kantonspolizei Antifas von den Rechten fernhielt, konstatierten dann aber auch zufrieden die fast pünktliche Abfahrt des Intercity nach Zürich.

Hintergrund des seltsamen Zusammentreffens war die antifaschistische Demonstration «Schwyz ist bunt», an der sich am vergangenen Samstag 600 bis 700 Personen beteiligten. Der Protestmarsch war eine Antwort auf die Ereignisse vom Güdelmontag im März. Damals zog eine Gruppe Rechtsextremer während der Schwyzer Fasnacht in Kutten des rassistischen Ku-Klux-Klans durch die Stadt – mit Fackeln und Keltenkreuzfahne. Für besonderen Unmut sorgte danach die Tatsache, dass die SVP, mit einem WählerInnenanteil von 33  Prozent stärkste Partei im Kanton, mehrfach versuchte, den Ereignissen eine politische Dimension abzusprechen. Gemeindepräsident Xaver Schuler (SVP) behauptete in diesem Sinn, es habe «noch nie rechtsextreme Situationen im Ort» gegeben, und sein Parteifreund Roland Lutz, kantonaler SVP-Präsident, sprach – in einer bemerkenswerten sprachlichen Entgleisung – gar von einem «Jux», der von «einer Gruppe mit sehr schwarzem Humor» organisiert worden sei. Ku-Klux-Klan mit schwarzem Humor – auf so eine Formulierung muss man erst mal kommen.

Alles andere als ein Einzelfall

Mit der Demonstration vom Wochenende sollte der Verharmlosung des Rassismus etwas entgegengesetzt werden. Die Wirtin Nuk Villforth, die in Schwyz die alternative Kneipe Tübli betreibt und die Demonstration vom Kleintraktor aus moderierte, war schon seit dem Vormittag am Versammlungsort zugange. «Wir wollten deutlich machen, dass man nicht länger wegschauen kann», sagte sie an der Demo. «Und wir haben ja auch wirklich wieder gesehen, wie viele gewaltbereite Nazis in Schwyz mobilisiert werden können.»

Tatsächlich fanden sich am Samstag auch die Nazis direkt am Versammlungsort ein. Die Rechten, die meisten von ihnen mit Kampfsportattitüde, fotografierten KundgebungsteilnehmerInnen und näherten sich dann, von der Polizei zunächst unbehelligt, dem Demonstrationszug. In dieser Situation kam es kurzzeitig zu gewaltsamen Auseinandersetzungen, bei denen ein Antifaschist im Gesicht verletzt wurde.

Doch Nuk Villforth war trotz der Neonazipräsenz hinterher über den Verlauf des Protesttags sehr erfreut. «Wir haben uns von den Rechten nicht einschüchtern lassen. Und die Demonstration hat sich auch nicht auseinanderdividieren lassen. Ob Familien oder schwarzer Block – alle sind zusammen geblieben.» Für die Wirtin stellt der Fasnachtsauftritt der Rechtsextremen alles andere als einen Einzelfall dar. Sie selbst sei bereits einige Mal Opfer rechter Drohungen und rechter Gewalt geworden. Die politische Dimension der Vorfälle könne nach dem neuerlichen Auftritt der Neonazis nicht mehr bestritten werden.

Das sehen offenbar viele nichtweisse BewohnerInnen von Schwyz ähnlich. Auffallend viele DemonstrationsteilnehmerInnen am Wochenende waren MigrantInnen. Die jungen AfroschweizerInnen Miriam Hafner und Angela Addo* schilderten in Redebeiträgen, wie alltäglich rassistische Demütigungen für sie im Kleinstadtleben sind.

«Nur mit Sprüchen provoziert»

Dass der Alltagsrassismus in der Schwyzer Öffentlichkeit breit thematisiert wurde, war am Ende wohl der grösste Erfolg der Demonstration. Elias Studer, ebenfalls Mitinitiator von «Schwyz ist bunt», sagte nach der Kundgebung: «Ich hätte nie gedacht, dass so viele Leute kommen. Ausserdem waren die Reaktionen im Vorfeld im Ort sehr positiv. Wir haben denjenigen, die Rassismus nicht normal finden, eine Plattform gegeben.»

Gemeindepräsident Xaver Schuler hingegen blieb auch nach der Demonstration seiner Linie treu: Seine Gemeinde habe kein Rechtsextremismusproblem. Wenn es Ärger gebe, dann seien Leute von ausserhalb verantwortlich – und die Linken. Im «Blick» liess sich Schuler mit der Aussage zitieren: «Die Rechtsextremen haben sich passiv verhalten und höchstens mit ein paar Sprüchen ein wenig provoziert. Danach haben die Linksextremen einen Angriff gestartet.»

Die Kantonspolizei hat die Rechten, die an der Fasnacht durch Schwyz zogen, übrigens bereits Anfang März identifiziert. Die zwölf Männer im Alter zwischen achtzehn und dreissig Jahren sind alle im Bezirk Schwyz* wohnhaft.

* Korrigendum vom 18.4.2019: In der Printversion sowie in der alten Onlineversion wurde der Namen von Angela Addo falsch geschrieben, ebenfalls war im letzten Satz von der Gemeinde Schwyz anstelle des Bezirk Schwyz die Rede.