Ein Traum der Welt: Marktzugang

Nr. 17 –

Annette Hug lernt chinesische Namen für Schweizer Firmen

Dass die Firma Schindler kurz nach der Kulturrevolution begann, in China zu produzieren, war sicher ein Glücksfall für das Unternehmen. In der Volksrepublik wuchsen Millionenstädte in die Höhe, die Menschen brauchten Aufzüge. In dieser Pionierzeit Anfang der achtziger Jahre muss jemand den Schriftzug 迅达, «xun da», bestimmt haben, was «schüen da» ausgesprochen wird – ein Versuch, den Klang von «Schin-dler» nachzuempfinden. Die zwei Zeichen sind aber so gewählt, dass sie auch einen Sinn ergeben: «geschwind ankommen»! Die Vorstellung, mit Hochgeschwindigkeit in die 23. Etage zu sausen, ist viel weniger unheimlich, als im 17. Stock festzusitzen.

Da chinesische Schriftzeichen hauptsächlich eine Bedeutung abbilden und nur nachrangig einen Laut, eröffnen sie eine doppelte Ebene für Wortspiele. Das macht auch den ZensorInnen zu schaffen. Vor einem Jahr ging der Hashtag #ricebunnyinchina um die Welt, zu Deutsch «Reishase in China», was darauf anspielte, dass das Zeichen für Reis auf Mandarin «mi» ausgesprochen wird und das Zeichen für Hase «tu» – in englischer Schreibweise ist das dann #MeToo. Als den Behörden die Nachrichten über Universitätsprofessoren, die für gute Noten auch sexuelle Dienste verlangt hatten, zu weit gegangen waren, wurde der ursprüngliche Hashtag zensuriert, und das Versteckspiel begann.

Das Hin und Her zwischen Laut und Bedeutung kam aber schon zum Zug, als die Namen ferner Länder geprägt wurden. Die chinesischen Wörter bildeten einen Laut nach und schufen gleichzeitig eine möglichst freundliche Bedeutung. So wurde Frankreich das Land des Rechts (法国, «fa guo») und die USA das schöne Land (美国, «mei guo»), was hübsche Auswirkungen auf spätere Schmähreden hatte: «Schönländische Imperialisten!»

Für die Schweiz entstand der Name 瑞士, «rui shi», was in etwa «uui-shi» ausgesprochen wird, vielleicht eine Nachbildung des französischen Suisse. Ein 士 kann ein gehobener Experte oder ein Soldat sein, und 瑞 bedeutet Glück im Sinne von Glück haben. Wer Glück hat, kommt zu Wohlstand. Wie das Deutsche neigt auch die chinesische Sprache zu Wortzusammensetzungen, wobei chinesische Neubildungen immer auf zwei Silben gekürzt werden. Das haben sich Angestellte der UBS und der Credit Suisse zunutze gemacht. Aus «Schweizer Bank(gesellschaft)», 瑞士银行, wurde 瑞银, was dann nicht nur «Schweizer Bank» sondern auch «Glückssilber» heisst oder «Bank, mit der du bestimmt Glück haben wirst». Aus dem Schweizer Kredit wird ein Glücksbrief oder das Vertrauen, das Wohlstand verheisst.

Bei Rolex gibt die Medienstelle zur Auskunft, die Herkunft des chinesischen Namens, 劳力士, «lao li shi», unterstehe dem Geschäftsgeheimnis. Ich kann mir also nur etwas ausdenken. Ersetze l durch r, das gibt «ro – li – schi». Als der chinesische Markt aufging, begannen sich sozialistischer und kapitalistischer Jargon zu überlagern, eine ideologisch gewiefte Übersetzerin brachte das im Namen der Uhrenmarke zum Ausdruck: Die Arbeitskraft, «laoli», verbindet sich mit dem gehobenen Experten, «shi», der aber auch ein starker Mann ist, «lishi». «Arbeit! Kraft! Gentleman!» könnte man lesen. Diese Uhr steht für den Schaffer an der Maschine, im Labor und auf dem Tenniscourt. Roger Federer ist ein idealer Werbeträger: Von «fei de le» lernen heisst siegen lernen.

Annette Hug ist Autorin in Zürich. In Schanghai hat sie den Lift als Verkehrsmittel kennengelernt, in dem man Stunden verbringen kann.