Myriam Prongué (1960–2019): Man fühlte sich immer willkommen

Nr. 17 –

Einmal im Jahr sahen wir uns: Immer im Januar am Geburtstagsfest einer gemeinsamen Freundin tranken Myriam Prongué und ich Wein bis spät in die Nacht, assen uns durchs Kuchenbuffet und redeten. Die frühere Leiterin des Berner Schlachthaus-Theaters war eine unglaublich witzige und anregende Gesprächspartnerin. Geboren war sie 1960 in La Neuveville, und ihr starker französischer Akzent liess sie noch charmanter wirken, als sie ohnehin schon war.

Als wir beim Fest von letztem Jahr auf die französische Autorin Virginie Despentes zu sprechen kamen, deren «Subutex»-Trilogie gerade auf Deutsch erschienen war, begann sie zu schwärmen: Ich müsse von Despentes unbedingt auch ihre «King Kong Theorie» lesen, legte sie mir ans Herz. Ein ganz wichtiges Buch, das für sie vor Jahren eine Art Erweckung gewesen sei. Ich spielte damals mit dem Gedanken, Virginie Despentes für die WOZ zum Interview zu treffen, war aber noch etwas unentschlossen. Als ich ihr das erzählte, wischte sie innert Sekunden meine Zweifel weg und überzeugte mich, dies auf jeden Fall zu tun. So machte ich mich nicht zuletzt dank ihr zwei Monate später auf den Weg nach Köln, um Despentes zu treffen – mit im Gepäck die «King Kong Theorie», natürlich gelesen.

Kennengelernt hatte ich Myriam Prongué 2003, als sie die administrative Leitung des Schlachthaus-Theaters übernommen hatte. Sie war plötzlich da, stand an der Kasse oder an der Bar meines Lieblingstheaters in der Berner Altstadt, begrüsste herzlich die BesucherInnen, plauderte mit ihnen und schien alle ihre Gäste persönlich zu kennen. Man fühlte sich immer willkommen. Ein paar Jahre später, 2010, übernahm sie gemeinsam mit Maike Lex die künstlerische Leitung des Hauses. Sie lud die Theatergruppen ein, begleitete sie oft bei den Proben, ab und zu erledigte sie auch die Pressearbeit.

2014 verliess sie das Schlachthaus-Theater und wurde bei Pro Helvetia Leiterin der Theaterförderung. Jahre zuvor hatte sie schon einmal bei Pro Helvetia gearbeitet, als sie deren Büro in Krakau aufbaute, das sie bis 2001 leitete. Am Geburtstagsfest von letztem Jahr erzählte sie von ihrer Zeit in Polen und Tschechien, wo sie kurz nach der Wende studiert hatte. Es klang wild und spannend, und ich dachte, dass ich sie das nächste Mal unbedingt mehr über diese Zeit ausfragen müsse. Doch ein nächstes Mal gab es nicht: Diesen Januar fehlte Myriam Prongué am Fest. Am Gründonnerstag ist sie nach schwerer Krankheit gestorben.