E-Voting: Nun braucht es ein Moratorium
Die Überraschung war einigermassen gross. Vor einer Woche verkündete der Bundesrat, dass die reguläre Einführung des E-Votings bis auf Weiteres verschoben werde. Zu gross war offenbar der Widerstand der Parteien. Das musste auch Bundeskanzler und Digitalisierungsturbo Walter Thurnherr eingestehen. Die Stimmung habe sich in den letzten drei Jahren gedreht, erklärt er gegenüber dem «Tages-Anzeiger». Und weil die Parteien die vorgeschlagene Gesetzesänderung grossmehrheitlich ablehnen, ergebe es wenig Sinn, diese ins Parlament zu bringen.
Tatsächlich haben sich im letzten Jahr die Ereignisse rund ums elektronische Abstimmen überschlagen. Ausgerechnet jetzt, da der Bundesrat Nägel mit Köpfen machen wollte – fast zwanzig Jahre nach dem Projektstart. Erst kündigte im Herbst 2018 der Kanton Genf an, das eigene System nicht mehr weiterentwickeln zu wollen, um es dann vor zwei Wochen per sofort einzustampfen. Gleichzeitig ist die einzige verbliebene, von der spanischen Firma Scytl und der Post entwickelte Alternative höchst umstritten. SicherheitsexpertInnen deckten im Frühling gravierende Lücken auf, worauf die Post die Notbremse zog und das System für die Abstimmungen im Mai aus dem Verkehr zog.
Es ist erfreulich, dass das Projekt nun zum Stillstand kommt. Ohne den Widerstand der Zivilbevölkerung und die minutiösen Enthüllungen von Sicherheitslücken wäre das kaum möglich gewesen. Obwohl Probleme und Risiken schon seit Jahren bekannt sind, liess sich die Bundeskanzlei nicht vom Kurs abbringen und peitschte das Projekt trotz des offiziellen Mottos «Sicherheit vor Tempo» unbeirrbar voran.
Mit dem bundesrätlichen Entscheid ist E-Voting aber noch nicht vom Tisch. Der Versuchsbetrieb läuft weiter – Kantone können sich nach wie vor um eine Bewilligung bewerben. Entsprechend will das Komitee der Initiative für ein E-Voting-Moratorium weitersammeln. Denn nur mit einem Moratorium lässt sich das unnötige und riskante Projekt nachhaltig stoppen.