Kommentar zum Freihandelsabkommen mit den Mercosur-Staaten: Freie Bahn für Kühe und Autos
Die EU und die Mercosur-Staaten öffnen gegenseitig ihre Märkte – aktuelle Probleme werden so nicht gelöst. Doch die Schweiz will rasch nachziehen.
Plötzlich ging es schnell: Die EU und die Mercosur-Länder – Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay – haben sich Ende Juni auf ein Freihandelsabkommen geeinigt. Wenn auch das Europaparlament und die EU-Mitgliedstaaten zustimmen, sollen in einem riesigen Wirtschaftsraum mit rund 775 Millionen Menschen die meisten Handelsschranken fallen.
«Cars for cows», so fassen manche den Mercosur-Deal zusammen: Die EU will Autos und andere Industrieprodukte exportieren, Südamerika vor allem Agrargüter. Das ist kein Wunder, denn nirgends auf der Welt ist die Landwirtschaft so profitabel wie in weiten Teilen der Mercosur-Länder. Hier stimmt für das Agrobusiness einfach alles: Das Land ist flach und fruchtbar, GrossgrundbesitzerInnen haben sich riesige Felder unter den Nagel gerissen, die Löhne sind tief, die Umweltschutzgesetze schwach, Gentechnik und enorme Mengen Pestizide selbstverständlich. Entsprechend selbstbewusst, ja aggressiv benimmt sich die Branche – anders als in der EU ist sie nicht auf staatliche Direktzahlungen angewiesen. Wenn sich Indigene und KleinbäuerInnen gegen Landraub wehren, schrecken GrossgrundbesitzerInnen auch vor Gewalt nicht zurück. Vor der Justiz müssen sie sich dabei nur selten fürchten – in Brasilien ist der weltweit grösste Sojaproduzent, Blairo Maggi, sogar Agrarminister.
Das alles zeigt, dass das Mercosur-Abkommen rein gar nichts mit internationaler Solidarität zu tun hat. Im Gegenteil: Es bedroht die sozialen Bewegungen, seien es Landlose, Indigene oder MenschenrechtsaktivistInnen. Es führt zu noch mehr Ungleichheit und Umweltzerstörung, wie der paraguayische Agronom Miguel Lovera letztes Jahr gewarnt hat (siehe WOZ Nr. 9/2018 ). Verliererin ist die bäuerliche Landwirtschaft, und zwar im Norden wie im Süden. Dringender denn je wäre es heute nötig, regionale Wirtschaftskreisläufe aufzubauen – dieses Abkommen fördert das Gegenteil. Es dient nur einer Wirtschaftsmaschine zu, die ihren Sinn längst verloren hat. «Cars for cows»? Die Welt braucht von beidem radikal weniger, wenn sie bewohnbar bleiben soll.
Inzwischen ist in Brasilien Jair Bolsonaro an die Macht gekommen, ein Mann, der Menschenrechte und Umweltschutz offen verachtet. Doch davon will sich die EU-Kommission nicht stoppen lassen. Genauso wenig wie die Schweiz. «Wir sind zuversichtlich, dass es uns gelingt, unsere Verhandlungen in den nächsten Monaten erfolgreich abzuschliessen und so eine drohende Diskriminierung gegenüber der EU auf den Mercosur-Märkten zu verhindern», schreibt Fabian Maienfisch vom Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) auf Anfrage. In vielen Nachhaltigkeitsfragen sei man sich bereits einig. «Wir gehen nicht davon aus, dass dies infrage gestellt werden wird.» Und Bolsonaro? «Die Schweiz respektiert die Resultate demokratischer Wahlen in anderen Ländern und kommentiert diese nicht.»