Krise am Golf: Ein bisschen Hoffnung für den Jemen

Nr. 38 –

Die Angriffe auf zentrale Erdölanlagen in Saudi-Arabien gefährden die ganze Region. Doch die Saudis könnten gezwungen sein, ihren schmutzigen Krieg im Jemen zu überdenken.

Gerade war die Welt einen Hauch sicherer geworden. Denn einer der ärgsten Kriegstreiber an allen Fronten, der nationale US-Sicherheitsberater John Bolton, war in Washington vom Hofe gewiesen worden. Doch dann folgten am Samstag die Angriffe auf die saudische Erdölverarbeitungsanlage Abkaik und auf das zweitgrösste saudische Ölfeld Churais.

Die Verantwortung für diese Angriffe übernahm die international nicht anerkannte Regierung im Jemen, die von der Huthi-Bewegung kontrolliert wird. Das saudische Königshaus führt seit 2015 Krieg gegen die Huthi unter dem Vorwand, dadurch die exilierte Regierung von Abed Rabbo Mansur Hadi wieder an die Macht zu bringen. Schon früher mischten sich die Saudis im südlichen Nachbarland ein: In insgesamt sechs innerjemenitischen Kriegen von 2004 bis 2010 unterstützten sie die Truppen des Herrschers Ali Abdallah Saleh gegen die Huthi, ab 2009 intervenierten sie gar direkt. Doch die Huthi blieben unbesiegt. 2014 übernahmen sie die Macht im Land und damit auch die Kontrolle über grosse Teile der jemenitischen Armee und ihr Arsenal. Sie reicherten dadurch ihre erstaunliche militärische Widerstandsfähigkeit mit modernen Waffen an. Seither erarbeiteten sie sich auch noch die Fähigkeit, weitreichende Drohnenangriffe jenseits der Grenze auszuführen.

Allmächtiges Teheran?

Doch ob wirklich die Huthi die Angriffe in Saudi-Arabien ausführten, bleibt vorderhand ungewiss. Die Huthi gehören zu einer lokalen schiitischen Strömung, den Saiditen, die sich vom im Iran praktizierten Islam unterscheidet. Als SchiitInnen aber werden sie vom sunnitischen saudischen Königshaus dem feindlichen iranischen Lager zugerechnet. Und ganz gemäss dieser Stellvertreterlogik werden sie vom Iran tatsächlich auch politisch und militärisch unterstützt. Deshalb wurde nun sofort der Iran für die Angriffe verantwortlich gemacht. US-Vertreter beschuldigen den Iran gar, selber Drohnen oder Marschflugkörper losgeschickt zu haben. Das Deutungsmuster ist dabei klar: Was immer im Nahen Osten passiert, das westlichen Interessen zu widersprechen scheint: Der Iran ist schuld daran. Manchmal mutet es geradezu verschwörungstheoretisch an, was Teheran in der ganzen Region – im Irak, im Jemen, im Libanon, in Palästina und in Syrien – alles ferngesteuert, quasi auf Knopfdruck, bestimmen soll.

Im Jemen steckt Saudi-Arabiens Kronprinz und Verteidigungsminister Muhammad Bin Salman zunehmend in der Bredouille. Er begann diesen Krieg wohl in der Hoffnung auf einen schnellen Sieg, um sich persönlich profilieren zu können. Doch nach über vier Jahren kontrollieren die Huthi weiterhin grosse Teile des Landes samt der Hauptstadt Sanaa, daneben kämpfen andere Milizen wie die SeparatistInnen im Südjemen und al-Kaida für unterschiedlichste Anliegen. Der Krieg wird von allen Seiten schmutzig geführt: mit Kindersoldaten und Landminen, willkürlichen Verhaftungen und Plünderungen, Folter und Vergewaltigung. Die Saudis sind dabei verantwortlich für mutmassliche Kriegsverbrechen wie Luftangriffe auf Spitäler und Märkte, wahllose Bombardierungen ganzer Landstriche sowie das Aushungern von Städten und Dörfern.

Trump hält sich auffällig zurück

Will Bin Salman die Angriffe von Samstag vergelten, so stellt sich die Frage, was die Saudis im Jemen denn noch anrichten können. Noch mehr Luftangriffe, noch mehr Söldner? Oder ist der Preis nun zu hoch geworden – rein finanziell, aber auch politisch und nicht zuletzt für den Ruf des Kronprinzen und des ganzen Königshauses, der miserabler kaum sein könnte? Eine Beruhigung im Jemen erscheint deshalb eigentlich als logische Wahl. Doch findet Bin Salman einen Ausweg aus dem Fiasko? Oder werden sich die Saudis allmählich aus dem Jemen zurückziehen – weil sie das grössere Schlachtfeld suchen, nämlich den offenen Krieg gegen den Iran?

Immerhin steht ein Vergeltungsschlag gegen den Iran nicht unmittelbar bevor. US-Präsident Donald Trump hätte den Zeitpunkt für die Entlassung seines Sicherheitsberaters Bolton jedenfalls kaum besser wählen können – er hat damit die Welt etwas sicherer gemacht. Trump gibt sich derzeit auffällig zurückhaltend. Und die Saudis wollen sich erst einmal an die Uno wenden, um die Hintergründe der Angriffe untersuchen zu lassen. Gerade an der Uno-Generalversammlung kommende Woche in New York gäbe es eigentlich viele Möglichkeiten für diskrete Gespräche und die Suche nach Entspannung und tragfähigen Lösungen.