Von oben herab: Tolle Kiste
Stefan Gärtner über den Kampfflugzeugausflug der SP
Bismarck soll gesagt haben, er wolle den Untergang der Welt gern in Mecklenburg erleben, dort geschehe nämlich alles fünfzig Jahre später. Vom Frauenwahlrecht vielleicht abgesehen, ist die Schweiz so langsam dann doch nie gewesen, und dass ihre Sozialdemokratie im Vergleich mit der deutschen geradezu quicklebendig ist, ist also keine Gewähr dafür, dass es sie in fünfzig Jahren noch gibt.
Umso freudiger sehen wir der Nationalrätin Priska Seiler Graf und ihrem Partei- und Ratskollegen Pierre-Alain Fridez dabei zu, wie sie das unternehmen, was die SRF-«Rundschau» ein «Rüstungsreisli» nennt: «SP-Nationalrätin Priska Seiler Graf auf geheimer Mission», und zwar so geheim, dass das Fernsehen dabei ist. Aber die Anmoderation war ja auch schon nicht geistreicher: «Sozialdemokraten, die begeistert eine Waffenschmiede besichtigen – gibt es nicht? Gibt es doch», deswegen sind sie nämlich Sozialdemokraten, weil sie Waffenschmieden zwar begeistert besichtigen, aber die Waffen bitte in nicht ganz so schlimm haben wollen, schon darum nicht, weil es für das bitzeli Schwiiz eigentlich keine richtigen Kampfflugzeuge braucht. «Als ginge die Polizei mit dem Lamborghini auf Streife», beschreibt Seiler Graf die schiefe Situation, die sie, gegen die Kampfjetpläne des Bundesrats, per «Luftpolizeiflugzeug» begradigen will. «Luftpolizeiliche Einsätze» fliegen Schweizer Kampfjets nämlich in erster Linie, und also reicht ein «Billigkampfjet» (SRF), der andernorts, in Polen und Israel etwa, zu Übungszwecken eingesetzt wird. Er kostet viel weniger und ist, heutzutage ja nicht unwichtig, «ein umweltfreundlicheres Flugzeug» (Seiler Graf), ausserdem unterhaltsgünstig, «der Fiat Panda unter den Kampfjets» (SRF). Da passt es, dass die Fa. Leonardo, die diesen bewaffneten, flugfähigen Fiat im Angebot hat, in Italien sitzt, und zum Informationsgespräch kann das SP-Duo folglich per Bahn anreisen – so sieht nachhaltige Rüstungspolitik aus!
Das VBS schüttelt freilich den Kopf, und auch CVP und SVP wollen bei den SUVs unter den Kampfjets bleiben, damit, wenn der Russe kommt, die Schweiz nicht mit Polizei-Pandas dumm dasteht; als wäre der Fiat Panda nicht einst «die tolle Kiste» gewesen! Legendär zum Beispiel der an einer Leiste unterm Armaturenbrett frei verschiebbare Aschenbecher, aber wer raucht heute schon noch, selbst im Billigkampfjet. Freilich würde man annehmen, dass in Billigkampfjets statistisch häufiger geraucht wird als in solchen des Premiumsegments, und vermutlich haben die Piloten und Pilotinnen von Billigflugzeugen auch signifikant niedrigere Bildungsabschlüsse und ernähren sich schlechter – Überlegungen, die in die politische Arbeit gerade der Sozialdemokratie einfliessen sollten.
«Der Rüstungsausflug der SP: Aus linker Sicht war er ein voller Erfolg», schliesst der «Rundschau»-Film, wie Journalismus halt für die abgründigen Sätze zuständig ist. Aber auch SP(D) ist ja verlässlich das, was wie ein Witz klingt, aber keiner sein soll. Die Nationalrätin hat schliesslich nichts dagegen, dass ihr Ausflug als PR-Fahrt gebucht wird; aber obs fruchtet? Während ich hier tippe, parkt ein Geländefahrzeug vor meinem Fenster aus, und ein anderes parkt ein, und ob die Umstellung der Schweizer Luftpolizei auf verbrauchsgünstige Bioflugzeuge den Weltuntergang da wirklich aufhalten kann? Immerhin um die Hälfte billiger als der bundesrätliche wäre der Plan der SP, und mit dem gesparten Geld, so Pierre-Alain Fridez zwar in geheimer Mission, aber vor grossem Publikum an den Endgeräten, könne man doch eine sehr schöne Energiewende finanzieren.
In diesem Sinne sollten sich die zuletzt so erfolgreichen Schweizer Grünen vielleicht für den Elektrokampfjet verwenden, und wenn sich immer alle beschweren, die Parteien seien so verwechselbar geworden: An ihren Kampfflugzeugen sollt ihr sie erkennen.
Stefan Gärtner (BRD) war Redaktor bei der «Titanic» und ist heute Schriftsteller und «linksradikaler Satiriker» («Die Zeit»). An dieser Stelle nimmt er jede zweite Woche das Geschehen in der Schweiz unter die Lupe.