Klimapolitik: Zwei Gipfel in Madrid

Nr. 50 –

Wirtschaftswachstum da, Klimagerechtigkeit dort: Nicht nur die Delegationen der Uno-Staaten haben sich letzte Woche in Madrid eingefunden, sondern auch Zehntausende AktivistInnen aus der ganzen Welt.

Den Eindruck, es passiere zu wenig, teilen viele: An der Uno-Klimakonferenz in Madrid. Foto: Pablo Blazquez Dominguez, Getty

Die Uno-Klimakonferenz in Madrid (COP25) gilt als Testlauf für 2020, ein Jahr der grossen klimapolitischen Entscheidungen. Emissionsziele sollen nachgebessert und neue gesteckt werden, denn die bestehenden Pläne aller Staaten reichen nicht aus, um das Zwei-Grad-Maximum des Pariser Abkommens annähernd einzuhalten. Vom Ernst der Lage war in den grossen Messehallen am Stadtrand von Madrid bislang aber wenig zu spüren.

Business as usual

Anders in der Innenstadt: Zehntausende zogen am Freitag durch die Strassen, die VeranstalterInnen sprachen gar von 500 000 TeilnehmerInnen. «Este cumbre es una farsa», (Dieser Gipfel ist eine Farce), skandierten Jugendliche, als sie durch die Hauptverkehrsstrasse Paseo de la Castellana zogen. Der bunte Protestzug gab den Startschuss für den «Sozialen Klimagipfel», die Gegenveranstaltung an der Complutense-Universität. Die TeilnehmerInnen fordern Klimagerechtigkeit für den Globalen Süden: Wenn in den reichen Ländern «business as usual» herrsche, geschehe das auf dem Rücken besonders gefährdeter Gemeinschaften, sagt etwa Mitorganisator Samuel Martín-Sosa. Delegationen aus aller Welt sind gekommen, insbesondere aus Lateinamerika.

Den Eindruck, es passiere zu wenig, teilen auch viele in den Veranstaltungshallen der COP25. «Wüssten die Demonstranten da draussen, um welche kleinteiligen Details hier gefeilscht wird, würden sie uns hier die Hallen einrennen», sagt ein NGO-Mitarbeiter im US-Pavillon, wo der einstige amerikanische Vizepräsident Al Gore ein Plädoyer für den Kampf gegen die Klimakrise hält.

Nachdem in der ersten Konferenzwoche ExpertInnen die technischen Verhandlungen führten, übernahmen in der zweiten Woche die politischen Schwergewichte das Ruder. MinisterInnen aus über 200 Ländern sind dafür angereist. Bei Interviews mit den Delegationen der grössten Emittenten wird aber schnell klar: Wirtschaftswachstum bleibt Priorität Nummer eins auf dem Planeten. «China sieht keine Notwendigkeit, sich höhere Ziele im Klimaschutz zu stecken. Die Ambitionen gelten als hoch genug», sagt etwa Min Hu, Leiterin des chinesischen Thinktanks IGDP. Das Land, in das noch vor wenigen Jahren die Hoffnung gesetzt wurde, beim Klimaschutz eine Vorreiterrolle einzunehmen, tritt auf die Bremse.

Impulse von der EU?

Aber nicht nur China übt sich in Zurückhaltung. Mutige Ankündigungen seien bislang kaum gemacht worden, sagt Sandrine Dixson-Declève, Kopräsidentin des Club of Rome: «Da ist eine Kluft zwischen unseren Forderungen nach Notfallmassnahmen und den zähen Verhandlungen auf der COP25.» Damit meint sie unter anderem das Tauziehen um den Zertifikatehandel nach Artikel 6 des Pariser Abkommens: Dieser soll Staaten ermöglichen, Emissionsrechte im Ausland zu kaufen. Wie dieser Ablasshandel genau geregelt werden soll, bleibt jedoch offen. BeobachterInnen kritisieren, dass eine Kompromissregelung reiche Länder dazu bringen dürfte, vermehrt Emissionsrechte anzukaufen, anstatt einen Umbau des Wirtschafts- und Energiesystems anzustreben.

Kein Weiterkommen gab es auch in der Frage, ob armen Staaten bei der Bewältigung von Klimaschäden durch einen eigenen Fonds unter die Arme gegriffen werden soll. Gegen einen solchen Mechanismus sperren sich die mächtigen Länder; als einziger Vorschlag liegt noch die Einrichtung einer ExpertInnengruppe auf dem Tisch, die im nächsten Jahr Finanzierungsmöglichkeiten erarbeiten soll. Für Martín-Sosa vom Gegengipfel steht fest: «COP25 ist eine verlorene Chance, an echten Lösungen zu arbeiten.» An Wegen zum Beispiel, wie die Förderung fossiler Brennstoffe global gestoppt werden könnte.

Etwas Zeit für Überraschungen bleibt zwar noch, bis der Uno-Klimagipfel in Madrid am Freitag zu Ende geht. So wird etwa auf Impulse vom angelaufenen EU-Gipfel in Brüssel gehofft und vom europäischen Green New Deal, der dort diskutiert werden soll. Anlass zu Optimismus hat die letzte Woche aber nicht gegeben.