Landflucht in der Mongolei: Am Stadtrand gestrandet

Nr. 7 –

Eine fatale Mischung aus höheren Temperaturen, schneereicheren Wintern und Überweidung zwingt immer mehr mongolische NomadInnen, in die Hauptstadt Ulan-Bator zu flüchten. Der Bergbau hingegen expandiert.

  • Kamele vor einer Kokerei in der Wüste Gobi. Bergbau boomt in der Mongolei, der Boden ist reich an Kohle, Kupfer und Gold. Der «Economist» nennt das Land «das nächste Katar». Doch der Bergbau verschmutzt Boden und Wasser und führt zu Wasserknappheit. Wird die nomadische Weide­wirtschaft den Berg­bauboom überleben?
  • Eine NomadInnenfamilie verlädt in Archangai ihre Habseligkeiten, um nach Ulan-Bator zu ziehen.
  • Seit dem Ende des Real­­sozialismus haben die Nutz­­tier­zahlen in der Mongolei stark zugenommen. Viele nomadische Familien halten Hunderte von Ziegen, Schafen, Yaks und Pferden. Überweidung bedroht die empfindlichen Böden. Gleichzeitig leidet die Mongolei vermehrt unter «dsuds», sehr schneereichen Wintern, in denen viele Weidetiere verhungern. Auch Dürren nehmen zu.
  • Luftaufnahme eines Jurten­distrikts der mongolischen Hauptstadt. Kohlekraftwerke am Stadtrand, das Heizen mit Kohleöfen und der Autoverkehr haben Ulan-Bator zu einer der dreckigsten Städte der Welt gemacht. Die Lage in einem Talkessel verschlimmert die Luftverschmutzung noch.
  • Jurten an einem ausge­trockneten Fluss in der Wüste Gobi.
  • Ulan-Bator wächst schnell, und in Zukunft sollen die Neuankömmlinge in Hoch­häusern untergebracht werden. Doch viele leben lieber weiterhin in ihren traditionellen Jurten.

Umweltflüchtlinge im eigenen Land

In den letzten siebzig Jahren hat die Durchschnittstemperatur in der Mongolei um 2,1 Grad zugenommen – nur in wenigen Regionen der Welt war der Anstieg so stark. Die Folgen der Erwärmung, die Umweltverschmutzung der Bergbauindustrie und die Übernutzung des Weidelands haben viele HirtInnen dazu gezwungen, ihre traditionelle nomadische Lebensweise aufzugeben und in die Hauptstadt Ulan-Bator zu ziehen. Damit verliert die Mongolei einige ihrer bemerkenswertesten kulturellen Traditionen. Die Bevölkerung der mongolischen Hauptstadt hat sich in zwanzig Jahren auf rund 1,4 Millionen verdoppelt. In der Stadt haben sich die HirtInnen in sogenannten Jurtendistrikten niedergelassen. Dort leben etwa 800 000 Menschen ohne Strom, Heizung, fliessendes Wasser und Abwasserleitungen.

Die ehemaligen NomadInnen von Ulan-Bator sind Umweltflüchtlinge im eigenen Land. Wie viele Menschen werden wie sie in den nächsten Jahrzehnten wegen immer prekärerer Umweltbedingungen ihre Regionen verlassen müssen? Schätzungen gehen weit auseinander. Laut der Uno könnten bis 2050 eine Milliarde Menschen betroffen sein.

Simone Tramonte ist Fotograf und lebt in Rom.