LeserInnenbriefe

Nr. 7 –

Zu viele Menschen

«Ökologie: Sind wir zu viele?», WOZ Nr. 5/2020

Frau Dyttrich ist in ihrem an und für sich lesenswerten Artikel «Sind wir zu viele?» ebendieser Frage etwas ausgewichen. Nur weil die Frage mit der pervertierten Antwort, dass immer die anderen zu viel seien, zynisch beantwortet wurde, heisst nicht, dass man sie mit Nein beantworten sollte. Bei uns führt Verzicht auf Bevölkerungszuwachs zur wichtigen Frage, wie Sozialwerke, insbesondere die Altersvorsorge, in einer stabilen und sogar leicht schrumpfenden Bevölkerung nicht in Schieflage geraten. Zuwanderung als Stabilisation der Altersvorsorge gutzuheissen – wie das teilweise aus dem linken Spektrum geschieht –, ist das Gegenteil von nachhaltig und ist auch nur vordergründig ethisch. Solange die Bevölkerung wächst, hat zudem das Argument, die Wirtschaft müsse wachsen, eine gewisse Plausibilität, was wiederum verheerend wirkt.

Peter Spörri, Richterswil

Ja, wir sind «zu viele», denn laut Weltagrarbericht machen ausgenutzte, domestizierte Tiere 60 Prozent der Biomasse der Säugetiere aus (Menschen 36 Prozent, Wildtiere 4 Prozent). Wir füttern sie mit etwa der Hälfte der Getreide- und Sojaernte. Jeder zehnte Mensch leidet derweil täglich unter Hunger. Laut Agroscope werden auf 83 Prozent des fruchtbaren Landes weltweit nur 18 Prozent der Kalorien in Form von tierischen Produkten gewonnen (und 37 Prozent der Proteine).

Was die WOZ nicht ausspricht: Das Aussterben der Wildtierarten könnte gestoppt werden, wenn wir auf bioveganen Landbau umstellen würden. Mit nur 50 Prozent des fruchtbaren Bodens könnte die Menschheit ohne Pestizide und ohne Tierexkremente ernährt werden. Die übrigen 50 Prozent könnten wir den Tieren und uns zur Freude zurückgeben. Wie schlimm es um die Informationskultur steht, sehe ich daran, dass selbst die WOZ nur von biologischer und nicht von bioveganer Landwirtschaft spricht. Das Märchen von der Kuh, die aus Gras Milch macht, müsste enttarnt werden. Statt von Vergandung müsste von Biodiversität gesprochen werden. Es müssten Betriebe porträtiert werden, in denen Linsen, Soja, Hanf biovegan angepflanzt werden. Bitte fragen Sie sich: Möchte ich Welthunger, systematische Ausbeutung und Tötung von Tieren, Schwund der Biodiversität durch Einsatz von Pestiziden und Ausbringung von Gülle mitsamt antibiotikaresistenten Keimen weiterhin unterstützen? Ist es mir der Konsum von Kadavern und Produkten geschundener Lebewesen wert, dass ich ihm meine Lebensgrundlagen opfere?

Christine Gadola, Dielsdorf

Falsche Berechnung

«Autobahnbau: Ewig dreht der Betonmischer», WOZ Nr. 6/2020

Der Strassenausbauwahn geht munter weiter. Perfide: Im Vergleich zum bundesrätlichen Netzbeschluss der sechziger Jahre durchlaufen heute alle Vorhaben eine Kosten-Nutzen-Analyse, die auch zu Auswirkungen auf den Klimawandel Auskunft gibt. Doch in dieser Entscheidungsgrundlage für das Parlament sind all die Ausbauprojekte praktisch klimaneutral! Weshalb? Weil mit der gewählten Berechnungsmethodik angenommen wird, dass Strassenausbau bei den Autofahrenden zu eingesparter Reisezeit führt. Die gemessenen Tagesunterwegszeiten im Auto bleiben aber trotz Strassenausbau über die Jahre sehr stabil (Mikrozensus). Die Autofahrenden investieren all ihre «frei werdende» Zeit schlicht in weitere Kilometer. Auch wenn damit gilt: «Wer Strassen sät, wird Verkehr ernten», nimmt der Bundesrat noch heute fälschlicherweise an: «Wer Strassen sät, wird Zeit gewinnen.»

Axel Schubert, Basel

Subjekt im Zentrum

«Heizen ohne Öl und Gas: Woher die Wärme nehmen?», WOZ Nr. 6/2020

Es drängt sich doch sofort die dazugehörige Frage auf: Wie viel Wärme brauchen wir? Die Kurve, die wir kriegen sollten, ist meiner Ansicht nach nicht zu bewältigen, wenn wir nicht bei all diesen Fragen auch unsere Konsumgewohnheiten betrachten. Abgesehen von der Temperatur (braucht es wirklich 22 Grad und mehr in Wohnräumen, oder wäre ein Pullover nicht einfacher und nachhaltiger?) wird doch jeder Lösungsansatz durch den hohen und noch steigenden Platzbedarf komplizierter. Ansätze, die nicht das Objekt, sondern das Subjekt ins Zentrum rücken, würden auch für einen sozialverträglicheren Umbau mehr Sinn machen. Wir definieren zum Beispiel einen mittleren Heizenergiebedarf pro Person. Für den ändert sich nichts. Wer mehr verbraucht, zahlt Steuern darauf. Diejenigen, die sich mit weniger begnügen, erhalten Vergünstigungen. Das liesse sich auf viele Bereiche anwenden. Zum Beispiel erhält der Stromzähler drei Lämpchen: Grün heisst, ich bin noch im verbilligten Tarif, gelb heisst, es kostet jetzt mehr, rot heisst, ab jetzt kostet der Mehrverbrauch richtig Geld.

Zusammengefasst: In allen Bereichen führt meiner Meinung nach kein Weg an der Reduktion des individuellen Materialverbrauchs vorbei. Anstatt dessen könnte ein Wachstum ohne Materialressourcen begünstigt werden. Dieser Aspekt des zu bewältigenden Umbaus unserer Gesellschaft kommt mir in der WOZ hin und wieder zu kurz.

Georg Traber, La Vraconnaz