Autobahnbau: Ewig dreht der Betonmischer
Von Luzern über Zürich bis Biel stehen Verkehrsprojekte in der Kritik. Und es dürfte so weitergehen: Mehr als zehn Milliarden Franken will der Bund bis 2030 in Autobahnen investieren. Wie die Strassenbaumaschine in der Schweiz entstand und warum sie bis heute läuft.
Noch fehlen 33,6 Kilometer bis zum Ziel. Nur noch ein Prozent muss gebaut werden. Dann ist es vollbracht: Das schweizerische Nationalstrassennetz wird fertig erstellt sein, in einer Gesamtlänge von 1892,5 Kilometern. «Wir stehen vor der Inangriffnahme eines Werkes von gewaltigem Ausmass. Doch die Grösse des Unternehmens darf uns nicht schrecken, soll uns vielmehr anspornen und ermutigen. Geht es doch darum, die verkehrspolitische Position unseres Landes im Interesse unserer Wirtschaft und unseres Fremdenverkehrs gegen die Gefahr der Umfahrung zu verteidigen, unser Strassennetz dem motorisierten Strassenverkehr anzupassen und, letzten Endes, namentlich im Blick auf unsere Dörfer und Städte, um die dem Schutz des menschlichen Lebens geschuldete Ehrfurcht.» Der da so tatkräftig und ehrfürchtig gegen die Gefahr der Umfahrung anschrieb, war Philipp Etter, katholisch-konservativer Bundesrat aus Zug, 25 Jahre im Amt. Etter war Anhänger eines christlich-autoritären Ständestaats, im Zweiten Weltkrieg nazifreundlich, danach um den Ausbau der staatlichen Institutionen bemüht: ETH, AHV und schliesslich 1960, kurz nach seinem Rücktritt: der von ihm geprägte Bundesbeschluss über das Nationalstrassennetz, auch bekannt als Netzbeschluss.
Wenn man das erste Mal davon hört, klingt es nahezu verrückt. Seit jenem Jahr landeten Menschen auf dem Mond, das Erdöl wurde knapp, die Berliner Mauer fiel, die Digitalisierung programmierte alle Lebensbereiche um, die Klimaerwärmung verschärfte sich zur globalen Gefahr, und in der Schweiz wurde in all den Jahrzehnten an der Autobahn gebaut. Dieses Land, das sich gerne als freie Marktwirtschaft gibt, setzte ein an Planwirtschaftlichkeit nicht zu übertreffendes Projekt in die Wirklichkeit um. Ein Kreuz sollte es werden, hatten die Autofans vom Touring Club TCS schon 1952 gefordert, von Basel im Norden nach Chiasso im Süden, von Genf im Westen nach St. Gallen im Osten. «Strassenkreuz plus Ergänzungsstrecken» lautete die Formel von Bauingenieur Robert Ruckli, Direktor des Eidgenössischen Amtes für Strassen- und Flussbau.
Richtungsgetrennt und kreuzungsfrei
Mit den Ergänzungsstrecken sicherte sich Ruckli die Zustimmung möglichst vieler Kantone. Eine Planungskommission legte die Trassen fest, die heute allen AutofahrerInnen wohlbekannt sind: In die Westschweiz führt die Autobahn von Bern über Murten, in die Ostschweiz gelangt man via Wil und nicht entlang des Bodensees, und von Zürich in die Innerschweiz führt die Strecke durchs Knonauer Amt. 2009 wurde das Teilstück, das wie kein anderes über vierzig Jahre von einer Volksbewegung bekämpft worden war, doch noch eröffnet.
Ingenieur Ruckli kam aus Luzern, wo 1955 noch vor dem Netzbeschluss die erste Autobahn der Schweiz gebaut worden war. Die Ausfallstrasse auf drei Kilometern nach Horw wurde zum Prototyp. Die Strassen waren richtungsgetrennt und kreuzungsfrei, ihre Benutzung nur bestimmten Fahrzeugen vorbehalten. Anfänglich waren Velos erlaubt, bis sie verbannt wurden. «Nur-Autostrasse» nannten die Behörden die Strecke umständlich, um sich sprachlich von der Reichsautobahn des NS-Regimes abzugrenzen. Das erste Teilstück nach dem Netzbeschluss zeigte, dass die Planungskommission des Bundes gewillt war, Tabula rasa zu machen: Die Strasse führte im Hinblick auf die Expo 1964 in Lausanne mitten durch Morges, die Wohnungen von 220 EinwohnerInnen mussten abgerissen werden. Nur ein einziges Teilstück des Planes wurde in all den Jahren aufgegeben, eine Verbindung vom Simmental ins Wallis, wenig kam dazu, so die Transjurane, die von Biel über Delémont nach Frankreich führt.
Jetzt also noch die letzten Kilometer, allesamt heftig umstritten: Im Oberwallis harrt die Untertunnelung des Naturschutzgebiets Pfynwald der Bewilligung, mehr als neunzig Einsprachen gingen beim Department für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) ein. Ein Stau bei der Bewilligung herrscht an der neuen Axenstrasse zwischen den Kantonen Schwyz und Uri. Auch hier läuft das Plangenehmigungsverfahren, der Verkehrsclub der Schweiz (VCS) und die Alpen-Initiative kritisieren, der Bau widerspreche den Zielen des Alpenschutzes. Sistiert schliesslich ist der Westast mitten durch Biel: Es ist der Erfolg einer Volksbewegung, die sich mit Demonstrationen dagegen wehrte, dass fast hundert Häuser der Autobahn weichen sollen. Zu den letzten Projekten, das ist kein Witz, zählt auch das «Y», das die Zürcher Autobahnen quer durch die Stadt verbinden sollte. Obwohl es in den siebziger Jahren zum Inbegriff für die Rücksichtslosigkeit des Strassenbaus wurde und sich der Zürcher Regierungsrat davon distanziert hat, figuriert es 2019 noch immer im Jahresbericht des Strassenverkehrsamts Astra.
Aus der Geschichte des Schweizer Autobahnbaus lassen sich drei Prämissen ableiten. Erstens war immer genug Geld da. Wurden die Kosten für den Bau des Nationalstrassennetzes 1960 noch auf 3,8 Milliarden Franken bei einer Bauzeit von zwanzig Jahren veranschlagt, so wurden bis heute mehr als 80 Milliarden dafür ausgegeben, Betrieb und Unterhalt nicht miteingerechnet. Zweitens war der Widerstand gegen die Bauprojekte meist zwecklos, wie das Beispiel des Knonauer Amts zeigte. Ob altertümliche Warnfeuer oder moderne Videofahrten durch die Landschaft, die verbaut werden sollte («Mit 120 durchs Säuliamt», online zu finden in der Datenbank des Sozialarchivs), all die Proteste von AktivistInnen konnten den Bau nicht verhindern. Immerhin wurde bei der Streckenführung besser auf die Umwelt Rücksicht genommen. Eine Initiative des Naturschützers Franz Weber für mehr demokratische Mitbestimmung beim Autobahnbau scheiterte ebenfalls, sie führte von der zentralistischen Planungskommission aber doch zu einem stärkeren Einbezug der betroffenen Ortschaften.
Drittens nahm der motorisierte Individualverkehr mit immer mehr Strassen immer stärker zu: 102 Milliarden Personenkilometer wurden in der Schweiz 2018 mit Autos oder Motorrädern zurückgelegt. Rund 86 Milliarden waren es zehn Jahre früher gewesen. Die Zunahme hat nicht nur mit dem Bevölkerungswachstum zu tun, pro Person werden auch immer längere Distanzen zurückgelegt. Trägt die Pendelei zur Arbeit zu einem Viertel aller Fahrten bei, so sind die Freizeitausflüge gewichtiger, sie machen fast die Hälfte aus. Und Autofahren, dies als letzte Zahl aus der Verkehrsstatistik, bleibt eine einsame Sache: All die Fahrzeuge mit ihren meist fünf Plätzen sind im Schnitt von 1,5 Personen besetzt.
So kraftvoll die Autobahn durchgesetzt wurde, so leise blieb ihre öffentliche Würdigung, was doch erstaunlich ist in einem Staat wie der Schweiz, der auch durch seinen Infrastrukturpatriotismus zusammengehalten wird. Während sich die EinwohnerInnen gerne an kühnen Eisenbahnviadukten ergötzen, wird die graue Autobahn als selbstverständlich hingenommen. Ihre Beachtung beschränkt sich auf die Benutzung. Das mag daran liegen, dass die AutofahrerInnen sie quasi immer nur von innen, aber nie von aussen als Gesamtwerk sehen. Eben weil sie ein Netz ist, aber das ist bei der Eisenbahn nicht anders. Die Zurückhaltung in der Würdigung liegt wohl eher daran, dass die Autobahn immer als Widerspruch präsent ist: «Zum einen frisst die Autobahn und zermalmt, zum anderen befreit und öffnet sie. Sie erdrückt das Land mit ihrer Umarmung, haucht ihm aber auch neues Leben ein (…) So wird begreiflich, weshalb sie derart ambivalente Reaktionen provoziert: Der Sehnsucht nach der Autobahn entstammt zugleich die Angst vor ihr», schreibt der Walliser Soziologe Bernard Crettaz im Buch «Schweizer Autobahn» (1999), einer kulturwissenschaftlichen Fundgrube.
Vielleicht ist der Grund für die ausbleibende Beachtung auch profaner. In der engen Schweiz endet jeder Roadtrip zwangsläufig im Kreisel, oder wie es Stiller Has im Lied «Walliselle» lakonisch auf den Punkt brachten: «Aarou het zwöi Outobahnzuebringer, Aarou Oscht und Aarou Wescht. U beidi göh uf Walliselle, beidi göh uf Walliselle. Was söll i nume in Walliselle.»
Achtspurig durchs Mittelland
Im Kreis dreht sich auch die Schweizer Verkehrspolitik. Denn im Moment, wo der Bund die letzten Kilometer aufgrund des heftigen Widerstands einfach hätte aufgeben können, läutete die damalige Verkehrsministerin Doris Leuthard die nächste Phase ein. Mit einem neuen Netzbeschluss wurden 400 Kilometer zusätzliche Kantonsstrassen vom Bund übernommen, die er nun als Nationalstrassen ausbauen kann. Zudem wurde die sogenannte Engpassbeseitigung zum Ziel erhoben. Die Grundsätze der Vergangenheit werden dabei in die Zukunft projiziert: Es ist viel, sehr viel Geld für Ausbauten vorhanden. Der Widerstand gegen die einzelnen Projekte ist schwierig, aber nicht unmöglich. Doch eine Beschränkung des Verkehrs ist kaum erkennbar.
Der finanzielle Tank für die Ausbauten heisst NAF, Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrsfonds, von der Stimmbevölkerung 2017 angenommen. Er wird mit den Einnahmen aus der Mineralölsteuer, dem Mineralölsteuerzuschlag, der Automobilsteuer und der Autobahnvignette jährlich neu gefüllt. Gemäss dem Voranschlag sollen daraus in diesem Jahr rund 3 Milliarden Franken entnommen werden. 2 Milliarden werden für den Betrieb, den Unterhalt und den Ausbau der bestehenden Autobahnen verwendet, je 0,2 Milliarden gehen in die Fertigstellung des ursprünglich geplanten Netzes sowie in die Beseitigung von Engpässen. Der Rest fliesst in Programme, mit denen die Siedlungs- und Verkehrsentwicklung in den städtischen Agglomerationen koordiniert werden. Bis 2030 sollen nach den Plänen des Astra mehr als 10 Milliarden als Beton verbaut werden.
Eine kurze Fahrt von Ost nach West, es kommen Projekte in fast jeder Nachbarschaft vor. Auf der St. Galler Stadtautobahn ist eine dritte Tunnelröhre geplant, mit unterirdischem Direktanschluss in die Steuerparadiese in den beiden Appenzell: Kostenpunkt rund 460 Millionen. Die Umfahrung von Winterthur wird neu achtspurig, die Westumfahrung von Zürich sechsspurig: 540 Millionen. Auch die Strecke zwischen Aarau Ost und dem Birrfeld wird sechsspurig, ansonsten würden gemäss Prognosen des Astra die Autos in zwanzig Jahren angeblich bis zu vier Stunden im Stau stehen: 370 Millionen. Die Grauholz-Autobahn bei Bern soll künftig ebenfalls acht Spuren umfassen, der Verkehr zwischen dem Wankdorf und Muri in einem Tunnel verschwinden. «Bypass» nennt sich das Ganze offiziell, als gelte es, einem Verkehrsinfarkt entgegenzuwirken: 2 Milliarden. Um in den Neuenburger Jura abzubiegen: Bereits vom Parlament beschlossen ist die Umfahrung von Le Locle in einem Tunnel, die von La Chaux-de-Fonds wird folgen: 1 Milliarde. In Crissier bei Lausanne sowie von Nyon nach Genf sind zusätzliche Spuren und Ausfahrten geplant: 2 Milliarden.
Noch kurz, aber nicht weniger teuer die Fahrt von Nord nach Süd. In Basel soll der Westring-Tunnel gebohrt werden, die Autobahn bei Augst verbreitert werden. Schon wurden ArchäologInnen ausgeschickt, um vor der Planierung den Boden nach Fundstücken der Römerstadt Augusta Raurica zu sondieren: 2,2 Milliarden. In Schaffhausen ist eine zweite Röhre des Fäsenstaubtunnels vorgesehen: 390 Millionen. In Näfels ist eine Umfahrung geplant: 450 Millionen. Um Luzern soll ebenfalls ein Bypass gelegt werden: 1,3 Milliarden. Und die zweite Gotthardröhre ins Tessin ist eine von den Stimmberechtigten beschlossene Sache. All die kantonalen und kommunalen Strassenbauprojekte wie der umstrittene Zürcher Rosengartentunnel, der am kommenden Sonntag zur Abstimmung gelangt, sind hier noch gar nicht mitgezählt.
Die Lücke für den Widerstand
Wo ein Projekt konkret wird, wächst auch der Widerstand. Schweizweit scheint eine Bewegung gegen die neuen Autobahnprojekte zu entstehen. Weil in Luzern ein Zubringer zur Umfahrungsautobahn mitten in der Stadt zu liegen kommt, haben im vergangenen Jahr mehr als tausend Personen demonstriert. Der Luzerner Regierungsrat will das Projekt jetzt etwas redimensionieren, die KritikerInnen geben sich damit nicht zufrieden. In Bern hat sich der Verein Spurwechsel gegen die zahlreichen Autobahnprojekte formiert: «Verkehr reduzieren statt Autobahn ausbauen», lautet hier das Motto. In Chavannes bei Lausanne hat Chemienobelpreisträger Jacques Dubochet einen Umzug gegen den Autobahnzubringer begleitet: «Wir müssen die Autos in naher Zukunft loswerden, um das Klima zu retten.»
Ruedi Blumer hat als Präsident des VCS den Überblick über die vielen Bauprojekte. «Wir lehnen alle Engpassbeseitigungen ab, weil mehr Strassenfläche als bisher zu beklagen ist. Denn hinter dem schönen Wort versteckt sich ein massiver Ausbau der Kapazitäten», sagt er auf Anfrage. Bloss sei es nicht ganz so einfach, Widerspruch einzulegen. Über die generellen Projekte von Nationalstrassen entscheidet der Bundesrat, im darauf folgenden Planungsverfahren des Uvek können dank des Verbandsbeschwerderechts auch die Umweltorganisationen Einsprache erheben. «Referenden am Ort des Geschehens zu erwirken, ist relativ tricky», sagt Blumer. Die demokratische Mitwirkung ist nur bei einer Zufahrt des Kantons oder der Gemeinde möglich.
Blumer, der für die SP im St. Galler Kantonsrat sitzt, hat das letztes Jahr bei einem neuen Autobahnanschluss für Rorschach erlebt. Dieser kam wegen eines kantonalen Zubringers zur Abstimmung. Als Schwierigkeit im Abstimmungskampf habe sich erwiesen, dass letztlich der Bund den grössten Teil der Kosten des Projekts übernehme. «Wir müssen ja fast nichts dafür zahlen», sei ein beliebtes, aber kurzsichtiges Argument gewesen. Die Bevölkerung stimmte mehrheitlich für den Anschluss, bereits den dritten für die Stadt am Bodensee.
«Es ist doch erstaunlich, dass in der Klimadiskussion der Verkehr nicht zuvorderst kommt», wird der VCS-Präsident grundsätzlich. Rund ein Drittel der Treibhausgase entsteht durch den Strassenverkehr, grösstenteils durch den Benzin- und Dieselverbrauch der Personenwagen. Und der CO2-Ausstoss stieg in den letzten Jahren noch an, im Gegensatz zu den Reduktionen bei Heizungen. «Vermeiden, verlagern, verbessern», lautet deshalb der Dreisatz des VCS. Mehr Verkehr, wie er durch den Bau von Nationalstrassen entsteht, gilt es zu vermeiden. Der bestehende soll auf die Schiene verlagert werden, weil diese beim Energieverbrauch wie beim Landverschleiss deutlich effizienter ist. Erst nachgelagert darf die Elektromobilität eine Rolle spielen.
Um eine Wende einzuleiten, haben vier ParlamentarierInnen von SP, Grünen, GLP und CVP gleichlautende Vorstösse eingereicht. Sie fordern den Bundesrat auf, einen Massnahmenplan zu erarbeiten, damit der Anteil des öffentlichen Verkehrs am Gesamtaufkommen gesteigert wird. Er beträgt derzeit gerade einmal 21 Prozent.
Im Kreis
Jon Pult ist noch skeptisch, ob tatsächlich ein Umdenken stattfindet. Der Präsident der Alpen-Initiative sitzt seit letzten Herbst für die SP im Nationalrat. Sein Eindruck: «Der Einfluss der Strassenbaulobby ist sehr stark. Die bürgerlichen Politiker und Politikerinnen glauben noch immer, sie hätten ihren Job besonders gut gemacht, wenn sie Millionen, ja Milliarden in den Bau von Strassen gesteckt haben.» Pult weist darauf hin, dass die Mobilitätsdiskussion aber auch die Linke vor Grunddilemmata stelle. Massnahmen, den Verkehr einzuschränken, könnten auch eine sozial ungerechte Wirkung haben. So etwa das Mobility Pricing, bei dem die Benutzung von Strassen oder Schienen zu Stosszeiten teurer wäre. Noch ein Widerspruch: «Das Reisen ist trotz der ökologischen Belastung ein Freiheitsrecht, über die Grenzen hinaus. Es bringt nichts, wenn junge Leute die Welt nur aus der Froschperspektive der Wohlstandsschweiz kennen.» Das Faszinierende an der Verkehrspolitik bleibt für Pult, dass sie in der Praxis viel einfacher sei als in der Theorie. «Mehr Schiene statt Strasse, mit dieser simplen Faustregel sind enorme ökologische Fortschritte zu erzielen.»
Anders tönt es bei Benjamin Giezendanner, der als Erbe einer Transportdynastie neu für die SVP in der Verkehrskommission sitzt. «Die Grabenkämpfe zwischen Strasse und Schiene entsprechen einem überholten 1968er-Denken.» Der Verkehr nehme nun einmal zu, darum seien die Anpassungen der Infrastruktur unverzichtbar. «Der Autoverkehr wird sauberer, darum muss er auch nicht zurückgehen.» Den Einwand, die E-Mobilität werde doch auch nicht bloss mit erneuerbarer Energie angetrieben, lässt Giezendanner nicht gelten. Er schwärmt stattdessen vom Solarkraftwerk, das er gerade für sein Transportunternehmen baut. «Freie Fahrt für freie Bürger gilt weiterhin als Wahlspruch, sofern die Innovation vorankommt.»
Mit einem Umbruch rechnet man offenbar auch beim Strassenverkehrsamt Astra nicht. Dessen Planungshorizont reicht nicht nur bis 2030, sondern bis 2040. Bis dahin sollen weitere acht Milliarden Franken in den Nationalstrassenbau investiert werden, mit drei Milliarden der grösste Posten ist die Umfahrung von Morges. Was wäre das doch für eine Ironie: Die Gemeinde, die vom ersten Teilstück zerschnitten wurde, würde dann von der Autobahn umfahren.