Auf allen Kanälen: Ganz schön high, manchmal deep
Laberpodcasts sind Trash-TV für die Ohren. Knackeboul und Luuk gehen mit ihrem schön bekifften «Pottcast» jetzt auch auf die Bühne. Bringts das?

Bei den Grosseltern kam das Hintergrundgeräusch meist vom Radio oder vom Fernseher. Die Geräte liefen einfach, und niemand schenkte ihnen Aufmerksamkeit. Heute sind es Youtube, Spotify oder Podcasts, die für das Grundrauschen sorgen – ganz nach dem Motto: Hauptsache, Dauerbeschallung. Über diese Dauerberieselung beschwert sich der Beatboxer, Rapper und Moderator Knackeboul bei Rapper Luuk in ihrem gemeinsamen «Pottcast». Überall, wo man hingehe, laufe ungefragt Musik. Das ist natürlich nicht ohne Ironie, nervt sich da doch einer über ein Phänomen, das er mit seinem «Pottcast» selber befördert. Schliesslich labert auch er die Stille zu.
Wieso aber muss die Stille andauernd übertönt werden? Halten wir sie nicht aus? Und kann es sein, dass sie gerade zu Hause am unerträglichsten ist, wo nur der Haushalt und die Langeweile warten? In einer Welt, in der Leistung und Effizienz gefragt sind, fällt es schwer runterzufahren. Um Stress abzubauen oder vor der Langeweile zu flüchten, schauen oder hören wir dann Trash. Und bei Laberpodcasts wie «Pottcast» ist es, als würde man FreundInnen beim Plaudern zuhören: Sie geben einem das Gefühl, sozial zu sein, ohne tatsächlich interagieren zu müssen, und man fühlt sich weniger allein.
Gault Milieu
Das Intro des «Pottcasts» räumt bereits zu Beginn jede falsche Erwartung aus: «Knackeboul, Luuk, Pottcastshit, Philosophiere, Esse, Kiffe». Die beiden Rapper rauchen also verschiedene Marihuanasorten, trinken Alkohol und vergeben dabei «Gault Milieu»-Punkte für Essen und «Abinente» an die von ihnen besuchten Lokale. Abgesehen davon ist es ein klassischer Laberpodcast – inspiriert vom deutschen Vorbild «Fest und Flauschig». Die beiden erzählen Anekdoten aus ihrem Leben, diskutieren das aktuelle Weltgeschehen und machen sich über sich und andere lustig. Sie lassen uns an ihrem assoziativen Gedankenhopping teilhaben, argumentieren mit Halbwissen und machen unanständige Witze. Unverblümt tun sie ihre Meinung kund, reflektieren diese teilweise sogar, und ab und an hält Knackeboul emotionale Plädoyers – «Preach Rages», wie er sie nennt. Er «wutbürgert» dann über «Charakterlumpen», die Donald Trump am Wef um ein Autogramm bitten, oder über den australischen Premierminister, der trotz brennendem Kontinent den Klimawandel leugnet.
Das ist oft oberflächlich, immer wieder tiefgründig oder auch einfach belanglos. Aber wenn Knackeboul und Luuk dem Publikum ihre Persönlichkeit vor die Füsse legen und Intimes aus ihrem Privatleben ausplaudern, schwingt immer ein Funke Wahrheit, Selbstironie oder Humor mit. Mit dieser Mischung treffen sie offenbar einen Nerv. Auf Spotify rangieren sie aktuell unter den zehn besten Podcasts der Schweiz in der Sektion «Arts und Entertainment», was darauf schliessen lässt, dass ziemlich viele Leute den beiden dabei zuhören wollen, wie sie sich bekifft, beduselt und ungescriptet unterhalten.
Stacheltier auf Cannabis
Nach einem Jahr Wortspielpodcast aus den eigenen vier Wänden quasseln die beiden seit Februar auch vor Publikum – letzte Woche etwa im Theater am Hechtplatz in Zürich, wo sie ausnahmsweise zu dritt waren. Als «Ibiraschig» war Gast Ibi eingeladen, ein Freund der beiden, der es dem grossen Blumenstrauss auf der Bühne gleichtat und mehr Deko war als Gesprächspartner. Knackeboul und Luuk dominierten die Runde und schmissen mit Insiderwitzen um sich. Immer wieder ging es dabei um Tiere: von mehrfach erlebten Verfolgungsjagden mit Kühen über tierquälende Rapper in Youtube-Videos bis hin zu einer Begegnung mit einem von Cannabisbutter zugedröhnten Igel. Über Religion und Politik wurde diesmal nicht geredet.
Bei einer Zigarette danach erklärt Luuk, wieso die «deepen» Gespräche ausgeblieben seien: Das Rampenlicht ändere einiges. Auf der Bühne seien sie gehemmter, und die Mischung aus Belanglosem und Relevantem, die ihnen eigentlich wichtig sei, gehe verloren. Wieso also einen Podcast live schauen? Vielleicht weil das Lachen anderer ansteckt – oder weil Menschen doch etwas einsam sind und manchmal tatsächlich sozial sein wollen.
Nächste Termine: Thun, Café Mokka, Donnerstag, 27. Februar 2020 (ausverkauft); Lyss, Kulturfabrik, Donnerstag, 5. März 2020.