LeserInnenbriefe

Nr. 12 –

Alter Mann und Feminismus

«Feminismus: ‹Gelobt sei die Wut!›», WOZ Nr. 10/2020

Wenn ich die Umschreibung von Feminismus der von mir sehr geschätzten Tamara Funiciello als Grundlage nehme («Feminismus ist ein Kampf um Freiheit – und zwar einer für die Freiheit von allen. Ein Befreiungskampf gegen ökonomische Zwangslagen, Rollenbilder, rassistische Unterdrückung, Ausbeutung der Natur und somit gegen die Gefährdung unserer Existenzgrundlage»), dann bin ich ein Feminist. Gleichzeitig bin ich ein weisser, alter Mann, und zwar einer, der das Gefühl hat, wenn einer Gruppierung von Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe, ihres Geschlechts und ihres Alters gewisse Attribute zugeordnet werden, so habe das durchaus ein rassistisches Geschmäcklein.

Übrigens: Es ist der Journalist, der den Begriff «weisser, alter Mann» im Interview lanciert. Und natürlich gibt es den linken Macho, und Funiciello beschreibt sehr genau, welche seiner Eigenschaften sie auf die Palme treibt. Es sind weder seine Hautfarbe noch sein Geschlecht noch sein Alter.

Dieter Liechti-Keller, Bülach

«Vo Gmerkige»

«Diesseits von Gut und Böse: Wo wir wohnen», WOZ Nr. 9/2020

Sehr geehrte Damen und Herren! Zu aktiv in meinem Sprachgebrauch verwendeten Ortsnamen: «Hindertupfige» als Bild für die Pampas (Steigerung «Hundsverlochete in Hindertupfige») und dann auch immer schön «vo Gmerkige» wie in: «de chunnt meini au ned grad vo Gmerkige», das heisst «ist schwer von Begriff». Da brauchts kein neu gegründetes «Trottelthal».

Und wenn ich schon am Schreiben bin: Grossen Dank an Herrn Stefan Gärtner für seine Texte. Und an die WOZ, die mir diese zu lesen gibt. Und an Herrn Widmer, für seine Zeichnungen. Grandios, gopf.

Barbara Roth, per E-Mail

Scham, Schweizer zu sein

«Wohnungspolitik: Die Grossstädte als Versuchslabor», WOZ Nr. 7/2020

Welch unglaubliches, unsägliches Verdikt: Ein ausgeprägtes Volk von Mietern hat die Gelegenheit (wofür sich viele auf dieser Erde die Hände schlecken würden), an der Urne dafür zu sorgen, mit etwas Weitblick und solidarischem, sozialem Denken für wenigstens einen kleinen Teil auch in Zukunft für erschwinglichen Wohnraum zu sorgen – und verwirft es an der Urne deutlich.

Was ist passiert? Was sind die Gründe? Viele in diesem Land vertreten die überhebliche Ansicht, manche Bevölkerungen in Entwicklungs- und Schwellenländern seien mangels Bildung nicht demokratiefähig, was ja auch bedeutet, dass sie nicht über genug Verstand für demokratische Abstimmungen und Entscheide verfügen würden. Und wir Schweizerinnen und Schweizer? Schimpfen uns gerne als gebildet und vor allem etwas Besseres als viele andere (welch Trugschluss anyway!), wie also konnte ein solch peinliches Nein an der Urne zustande kommen? Jenen, die auf dem Immobilienmarkt schamlos abzocken und eine gewaltige Lobby haben, ist es doch tatsächlich gelungen, eine Mehrheit vom Fehlen der Notwendigkeit eines minimalen Regulativs auf dem Wohnungsmarkt zu überzeugen. Doch meine Wut gilt in diesem Falle nicht primär den «Tätern», sondern viel mehr denjenigen «Opfern», die sich fehlleiten liessen und dies mit verwerflichen Motiven wie Egoismus und Gier, genährt durch die Illusion, vielleicht doch einmal noch selber zu den gross verdienenden Abzockern zu gehören, ihrer fehlenden Solidarität, hier vor allem manifestiert zwischen Stadt und Land, aber auch Arm und Reich, und nicht zuletzt von der durch die rassistische SVP geschürten Angst vor sich in billigem Wohnraum ausbreitenden Ausländern. Einmal mehr schäme ich mich zutiefst, ein Schweizer zu sein!

Marcel Ackeret, Winterthur

Lächerlicher Gegenvorschlag

«Lobbying: Der lange Arm von Swiss Holdings», WOZ Nr. 11/2020

Eigentlich sind doch Bundesräte Diener des Volkes und haben die vornehme Aufgabe, umzusetzen, was dem Volk dient und was das Volk wünscht. Im Falle der Konzernverantwortungsinitiative ist es offensichtlich, dass dieses Vorhaben auf grosse Sympathie in breiten Kreisen der Bevölkerung stösst. Aber was macht der Bundesrat? Karin Keller-Sutters abgeschwächter Gegenvorschlag zur Initiative soll verhindern, dass Firmen für verletzte Menschenrechte haften müssen. Denn dass der Bundesrat nachträglich mit einem eigenen Gegenvorschlag quasi mitten in die parlamentarische Beratung platzt, dürfte kaum je vorgekommen sein. Ein absolut unüblicher Winkelzug unserer Justizministerin, um der Initiative alle Zähne zu ziehen und jegliche Wirkung zu nehmen. Eine jährliche Erklärung der Grosskonzerne, wie sie mit Risiken im Menschenrechts- und Umweltbereich umgehen, soll genügen. Lächerlich! Keine Haftungen und Sorgfaltsprüfungen, ein eigener versierter Hausjournalist, der Absolution erteilt, würde ausreichen. Gegenüber den Initianten ist dieses Ansinnen ein unfairer Affront.

Martin A. Liechti, Maur

Binnen-I in der WOZ

«Diesseits von Gut und Böse: Die Colatrinkerinnen*», WOZ Nr. 11/2020

Es wäre schön, wenn die WOZ tatsächlich jede Menge Kohle für gendergerechte Sprache bekommen würde. Es bleibt aber die Frage zu klären, ob denn ein Binnen-I dazu schon ausreicht. Klar, die WOZ ist ihrer Konkurrenz – wie so oft – meilenweit voraus. Die lächerliche PR-Aktion der Colatrinkerinnen* bei «20 Minuten» zeigt das einmal mehr. Trotzdem bin ich der Meinung, dass die WOZ noch einen Schritt weiter gehen müsste und in ihrer Sprache auch alle Menschen inkludieren sollte, die sich nicht im binären Geschlechtersystem einordnen. Ein Sternchen, ein Underline oder, noch viel eleganter, ein Genderdoppelpunkt würde der WOZ gut stehen – auch wenn ich das nicht während Jahren sponsern kann.

Nils Jocher, per E-Mail