Potentatengelder: Ein Hort für dubiose Gelder

Nr. 36 –

Nützliche Dokumentation, ärgerliche Analyse: Balz Bruppachers Buch «Die Schatzkammer der Diktatoren. Der Umgang der Schweiz mit Potentatengeldern» verlässt sich auf offizielle Dokumente und klammert strukturelle Fragen zum Schweizer Finanzplatz aus.

Auch er hatte Nummernkonten in der Schweiz: Zaires Präsident Mobutu Sese Seko 1973 in London – mit Queen Elizabeth II. Foto: Alamy

Dieses Buch bietet eine nützliche Zusammenfassung zum Umgang von Schweizer Banken und Behörden mit Diktatorengeldern seit den fünfziger Jahren. Der Journalist Balz Bruppacher hat für die frühen Jahre verdienstvollerweise Unterlagen in der Datenbank der Forschungsstelle Diplomatische Dokumente der Schweiz (Dodis) ausgewertet. Da geht es um dubiose Goldtransporte aus dem Kongo, um die Erben und Geschäftspartner des Exdiktators der Dominikanischen Republik, Rafael Trujillo, um Fluchtgelder des äthiopischen Herrschers Haile Selassie und von Reza Pahlavi, dem Schah von Persien/Iran.

Dabei zeigt sich, wie die offizielle Schweiz geschwiegen und gemauert hat, zuweilen auch versuchte, positive Artikel in freundlich gesinnten Medien zu platzieren, oder schlicht log. Deutlich sprechen diverse Schweizer Botschafter aus, dass Rechtshilfegesuche aus betroffenen Staaten quasi chancenlos seien. 1965 treibt es der Präsident der Bankenkommission, Max Hommel, mit seinen Verbindungen zum Trujillo-Clan so bunt, dass er entlassen wird, ohne strafrechtliche Folgen; zehn Jahre später ist Exbundesrat Nello Celio mit dem korrupten Präsidenten Mobutu Sese Seko von Zaire verbandelt.

Die Schweiz gelobt Besserung

Der Fall Marcos wird dann zur «Wende». Tatsächlich blockiert der Bundesrat 1987 nach dem Sturz des philippinischen Präsidenten Ferdinand Marcos aufgrund von Notrecht erstmals sehr schnell dessen Gelder auf Schweizer Bankkonten. Die Aufarbeitung dauert dann aber länger: knapp zwei Jahrzehnte. In der Zwischenzeit gelobt die Schweiz zur Imagepflege Besserung. Tatsächlich wird in der Folge prompter reagiert und offener kommuniziert. Dumm nur, dass immer wieder neue hinterzogene oder aus Korruption stammende Gelder ans Licht kommen. 1999 werden auf Konten des verstorbenen nigerianischen Diktators Sani Abacha mehr als eine Milliarde Franken entdeckt und blockiert – der bislang grösste Fall. Die Schweiz bewegt sich wieder einmal, unter internationalem Druck, mit etwas griffigeren Aufsichtsmassnahmen und einem strengeren Geldwäschereigesetz. Doch weiterhin werden regelmässig dubiose Gelder in der Schweiz aufgedeckt, etwa nach dem Arabischen Frühling und in den letzten Jahren aus den ehemaligen Sowjetrepubliken.

Als Dokumentation dieser Skandalgeschichte ist Bruppachers Buch nützlich. Als politische Analyse ist es defizitär. Zwar werden Schweizer Banken und Behörden durchaus kritisiert. Als früher Bankenkritiker muss Jean Ziegler zähneknirschend genannt werden. Aber letztlich ist es eine gouvernementale Geschichtsschreibung. Die Darstellung basiert praktisch ausschliesslich auf offiziellen Quellen. Wenn sich ursprünglich vermutete Summen, die neue Regierungen nach dem Sturz von Diktatoren einfordern, nicht bestätigen, dann wird den Angaben der Schweizer Banken bedingungslos vertraut – wie wenn sie dieses Vertrauen zuvor je gerechtfertigt hätten. Im Fall Abacha wird eine Koalition von nichtstaatlichen Organisationen als Mitakteur immerhin erwähnt. Ansonsten tauchen bankenkritische NGOs nirgends auf. Schon gar nicht existieren NGOs in den betroffenen Ländern – es herrscht eine eurozentrische Sichtweise. Dabei haben Schweizer NGOs das Thema gerade in Zusammenarbeit mit NGOs in Ländern des Südens immer wieder an die Öffentlichkeit gebracht, haben Recherchen betrieben und Lobbyarbeit geleistet.

Im Zeichen der Diskretion

Bruppachers Darstellung läuft auf eine stetige Höherentwicklung der offiziellen Schweizer Bemühungen hinaus. Gewisse Fortschritte darf man der Schweiz durchaus attestieren, auch im Vergleich mit Konkurrenten wie dem britischen Finanzplatz. Die Massnahmen gegen Diktatoren- oder Potentatengelder sind durch das Konzept der politisch exponierten Personen (PEP) etwas erweitert worden, und man versucht sich an neuen Formen der Restitution, der Rückführung blockierter Gelder in die Ursprungsländer, sodass sie nicht einfach wieder einer korrupten Elite zugutekommen.

Doch Balz Bruppachers Konzentration auf «Potentatengelder», so süffig sie als Darstellungsprinzip erscheinen mag, klammert Themen wie systematische Steuerhinterziehung oder das Konzept der illegitimen Staatsschulden aus, ebenso strukturelle Fragen zum Schweizer Finanzplatz. Das Private Banking, in dem die Schweiz Weltspitze ist, umfasst ja eine ganze Palette von Dienstleistungen, die alle im Zeichen grosser Diskretion betrieben werden. Das Bankgeheimnis mag gegenüber westlichen Ländern zerfetzt sein; gegenüber den Ländern des Südens spielt es immer noch, und darüber hinaus geht es um Hilfestellungen beispielsweise bei der «Steueroptimierung».

Denn was vermeldet die «SonntagsZeitung» vom 19. Juli? Seit 2009 hat die Bank Bär bei Korruptionsfällen in Brasilien, Russland und Venezuela mitgemischt – dabei sind nachträglich «systematische Mängel» bei der Einhaltung der geldwäschereigesetzlichen Sorgfaltspflichten und im Risikomanagement festgestellt worden. Dieses systematische Verhalten, so lässt sich behaupten, geht weiterhin über einzelne Banken hinaus.

Balz Bruppacher: Die Schatzkammer der Diktatoren. Der Umgang der Schweiz mit Potentatengeldern. NZZ Libro. Zürich 2020. 216 Seiten. 38 Franken