Spionage: Die Welt, wie sie der NDB sieht
Alle Jahre wieder veröffentlicht der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) einen Lagebericht, in dem er die Sicherheitslage der Schweiz analysiert. Der NDB stützt sich bei seiner Arbeit auf das Nachrichtendienstgesetz aus dem Jahr 2017, mit dem er neue Kompetenzen bekam; so etwa die «Kabelaufklärung», also die Durchsuchung der Internetkommunikation, die über das Ausland geht. Von dieser hat er vergangenes Jahr zweimal Gebrauch gemacht. Personell ist der NDB auf Expansionskurs. So hat er 2019 die Zahl der Vollzeitstellen um 27 auf 343 erhöht. Eine weitere Personalaufstockung ist geplant.
Doch der Erkenntnisgewinn, den der NDB der Öffentlichkeit bietet, ist dünn. Die weltpolitische Lage, wie sie der NDB sieht, könnte auch ein gut informierter NZZ-Leser skizzieren: Russland, das seine Einflusszone ausweitet, China als aufstrebende Macht; der Iran und die Türkei, die eine aggressive Machtpolitik betreiben. Unter «Akteure staatlicher Spionage in der Schweiz» werden russische Nachrichtendienste als «Hauptbedrohung» genannt. An zweiter Stelle folgen die chinesischen Dienste, die besonders mit AgentInnen unter «nichtoffizieller Tarnung» in der Schweiz agierten. Auch türkische und iranische AgentInnen seien in der Schweiz präsent, jedoch mit «bescheideneren Mitteln».
Interessant ist am Bericht des NDB das, was nicht drinsteht: So werden etwa Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate mit keinem Wort erwähnt. Dabei führten und führen diese beiden Staaten einen blutigen Krieg im Jemen, der die internationale Lage gefährlich destabilisiert. Kommt dazu, dass die Affäre um den inzwischen entmachteten Genfer Regierungsrat Pierre Maudet wie auch die Entführung eines saudischen Prinzen aus Genf (siehe WOZ Nr. 43/2018 ) darauf hindeuten, dass die Geheimdienste der beiden absolutistischen Monarchien in der Schweiz eine aktive Rolle spielen. Wieso interessiert das den NDB nicht?