Auf allen Kanälen: Gefährlich dialektisch im Hauptprogramm
Jan Böhmermann ist zurück: Zur Premiere des «ZDF Magazin Royale» knöpft sich der Fernsehsatiriker den Verschwörungswahn vor.
Jan Böhmermann ist noch keine vierzig, seine Vita liest sich aber bereits beeindruckend: Mit dem Schmähgedicht gegen den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan und der angezettelten Medienaffäre um den Stinkefinger des damaligen griechischen Finanzministers Yanis Varoufakis hat er fast schon kleine Staatskrisen provoziert. Er hat mehrfach den renommierten Grimme-Preis gewonnen, zudem ist sein Podcast «Fest und Flauschig», den er zusammen mit dem Liedermacher Olli Schulz bespielt, äusserst populär – bei Spotify war er sogar zeitweise der erfolgreichste weltweit. Trotzdem versteckte das ZDF Böhmermanns Late-Night-Show jahrelang im Nischenkanal ZDF Neo.
Der Fake-Kanal
Vergangenen Freitag ist Böhmermann nun im Hauptprogramm angekommen, mit einer neuen, etwas kürzeren Show um kurz nach elf: «ZDF Magazin Royale». Dabei hätte er nicht nur einen besseren Sendeplatz, sondern überhaupt bessere Bedingungen verdient gehabt: Der Comedian musste das Fernsehpublikum coronabedingt aus einem leeren Studio mit online zugeschalteter Band begrüssen, während die Welt gebannt der Wahlberichterstattung auf CNN oder Fox News folgte.
Womöglich gerade deshalb legte der Satiriker besonders bissig los, als er sich zur Begrüssung explizit den potenziellen PolizistInnen unter den ZuschauerInnen mit den Worten vorstellte: «Sie kennen mich vielleicht als Meme aus ihrer rechtsextremen, geheimen Whatsapp-Gruppe.» Das Schwerpunktthema zur Premiere waren die Verschwörungstheorien, die derzeit Tausende auf die Strasse treiben. Der Comedian hatte schon vor einigen Tagen nach Vorbild abgedrifteter Prominenter einen eigenen Telegram-Kanal gestartet, darin raunende, aber inhaltsleere Botschaften gepostet und so rasch 100 000 FollowerInnen um sich geschart. Das war zwar leicht als Persiflage zu erkennen, Böhmermann jedoch belegte in der Sendung mit Screenshots aus anderen Telegram-Gruppen, dass er tatsächlich aber noch mehr Verwirrung bei den ohnehin schon Verwirrten gestiftet hatte: Von denen wollten doch überraschend viele nicht ausschliessen, dass auch der ZDF-Mann zu ihnen übergelaufen sein könnte.
Böhmermanns eigentliche Pointe war aber eine andere. Er beliess es nicht dabei, irgendwelche Irrlichter zu verspotten, sondern brachte den populären Glauben an die Machenschaften einer obskuren Elite damit in Zusammenhang, dass es ja wirklich einen kleinen Personenkreis gibt, der sehr mächtig ist und das Licht der Öffentlichkeit genauso scheut wie den Kontakt zum Finanzamt: die Superreichen. So erinnerte er etwa daran, dass in Deutschland Kinder aus Familien, die von Hartz IV leben, den Grossteil ihres nebenbei Dazuverdienten an den Staat abtreten müssen, während es gleichzeitig keine Vermögenssteuer mehr gibt. Oder daran, dass sieben der elf reichsten Familien in der Bundesrepublik ihren Wohlstand nicht zuletzt der Kollaboration mit den Nazis verdanken, indem sie etwa ZwangsarbeiterInnen für sich schuften liessen. Nicht die Juden sitzen also insgeheim an den Hebeln der Macht, vielmehr sind es die Nachfahren derer, die vom massenhaften JüdInnenmord profitierten, die heute exklusive Zirkel bilden.
Nicht bloss Moral
Das war ein cleverer Dreh, da Böhmermann damit auf den realen Kern hinwies, der dem Verschwörungsglauben zugrunde liegt. Da es ja wirklich sehr vermögende und skrupellose Leute gibt, die ein bisschen gleicher sind als alle anderen, und da es auch wirklich ein Problem mit grossen Medienhäusern gibt, die in der Hand profitgetriebener Konzerne sind, reicht es eben nicht, sich bloss über «Aluhüte» und dumme Ansichten lustig zu machen.
Der gern als linksliberaler Moralapostel geschmähte Böhmermann hat das verstanden. Die Kritiken waren dagegen eher verhalten, «Spiegel Online» etwa warf dem Entertainer «gefährlichen Relativismus» vor, weil dieser in seiner Sendung «Gewalt-Assis» und «Geld-Assis» einfach in einen Topf geworfen habe. Offensichtlich war das für manche ein bisschen zu dialektisch, was da Freitagnacht im Fernsehen lief.