Auf allen Kanälen: Hammer auf Hase
Eine Facebook-Seite macht mit Desinformation Stimmung gegen die Konzernverantwortungsinitiative. Neu ist, dass mit viel Geld und anonym aggressive Politwerbung betrieben wird.
Gerade noch hoppelte das Häschen verträumt über eine Wiese, da wird es von einem Holzhammer zerquetscht: «Unternehmens-Verantwortungs-Initiative» steht drauf. «Und genau das kann jedem Unternehmen passieren, das mit dem Ausland Kontakt hat», heisst es dann, denn «die internationale Klage-Lobby kann dann jedes Schweizer Unternehmen ohne Beweise einklagen.» Es ist eines von vielen Videos auf der Facebook-Seite «Like-Schweiz». Ein anderer Clip zeigt Ausschnitte aus nicht näher deklarierten Krawallnächten. Die Botschaft: Diese Kreise, – «die Antifa» und «gewalttätige NGOs» – stünden hinter der Konzernverantwortungsinitiative (Kovi). Mit Bezug auf den letztjährigen Skandal beim WWF, der in mehreren Ländern Vergewaltigungen durch Mitarbeiter vertuscht hatte, suggeriert ein weiterer Clip, die UnterstützerInnen der Kovi seien verantwortlich für Massenvergewaltigungen und Hinrichtungen. Einige der Videos verwenden Material von Blick TV und SRF – und verstossen so gegen das Urheberrecht. SRF-Mediensprecher Stefan Wyss schreibt: «SRF hatte bisher keine Kenntnisse von diesen Videos und überprüft sie.» Beim «Blick» heisst es, man habe schon interveniert.
Fake News sind erlaubt
Positiv gewendet könnte man nun sagen: Wer seine Kampagne mit solchen Falschinformationen unterfüttert, ist ziemlich nervös. Trotzdem bleibt ein ungutes Gefühl – denn hier geht es nicht um Argumente, es wird mit gezielter Desinformation direkt auf die InitiantInnen geschossen. Und es passiert nicht in einer Nische des Internets, sondern schwappt derzeit in die Timelines vieler – auch linker – UserInnen. Das heisst auch: Da ist Geld im Spiel. Wie viel genau, könne man nicht abschätzen, sagt Lucas Leemann, der beim Digital Democracy Lab der Universität Zürich zu Social Media forscht. «Der aggressive Ton ist an sich nichts Neues», meint er, für Abstimmungswerbung sei er aber schon krass – gerade auch, weil finanzielle Mittel dafür eingesetzt würden.
Politische Werbung im Internet ist in der Schweiz nicht reguliert, es ist auch nicht verboten, Fake News zu verbreiten. Rechtsanwalt Martin Steiger, auf den digitalen Raum spezialisiert, meint aber, dass «Like-Schweiz» die Facebook-Richtlinien verletzt: «Einige Inhalte dürften unter das Verbot der Diskriminierung gemäss den Werberichtlinien fallen.» Das wird den MacherInnen der Seite egal sein: Zwar ist es möglich, sie bei Facebook zu melden – es bleibt jedoch dem Konzern überlassen, ob die Seite gelöscht wird. Auch eine Klage etwa wegen Ehrverletzung nach schweizerischem Recht kann man zwar machen, sie wird aber von Facebook – so wie es die meisten grossen US-amerikanischen Firmen handhaben – kaum anerkannt werden.
Versteckte Identität
Die Leute hinter «Like-Schweiz» sind bedacht darauf, ihre Identität nicht preiszugeben. Steiger verweist auf die Missachtung der Impressumspflicht. Eine Mail an die angegebene Adresse bleibt unbeantwortet; die zugehörige Website versteckt sich hinter der Swiss Domain Trustee AG, die es ermöglicht, Domains nicht auf ihre Urheber zurückzuführen.
Wer versteckt sich da also? Die Werbeagentur Furrerhugi, für die Gegenkampagne zur Kovi verantwortlich, hat sich gegenüber dem «Tages-Anzeiger» distanziert. Das Häschenvideo ist eines der wenigen Videos auf der Seite, die nicht von «Like-Schweiz» stammen, sondern von der «Plattform für fairen Wettbewerb», die ihre Urheberschaft ebenso verschleiert. Auf der Website heisst es immerhin, sie sei von Swissholdings unterstützt, dem Verband multinationaler Unternehmen in der Schweiz. Gar nicht mal so klein und süss, dieses Häschen.
Ebenso scheint es eine Nähe zur SVP zu geben. Seit Mai auf Facebook, hat die Seite zu Beginn vor allem für die Begrenzungsinitiative der Partei Stimmung gemacht («Iraker sticht auf Landsmann ein»). Der Zürcher SVP-Gemeinderat Samuel Balsiger, der bei der Werbeagentur Goal arbeitet, hat zudem seit Tag eins praktisch jedes Video auf seiner eigenen Facebook-Seite geteilt und seine FollowerInnen immer wieder aufgefordert, «Like-Schweiz» zu folgen. Welche Verbindung er zur Seite pflegt, dazu äussert sich Balsiger nicht: Eine Anfrage der WOZ lässt er unbeantwortet.
Dass die Urheber ihre Identität aktiv verheimlichen, beunruhige ihn, sagt Lucas Leemann, mehr noch als die reisserischen Videos: «Das hat es in der Schweiz so bisher nicht gegeben. Vor allem nicht, wenn Geld im Spiel ist.»