Mieten: Bundesgericht auf Abwegen
Das Mietrecht sollte MieterInnen schützen, nicht die Renditen der ImmobilienbesitzerInnen – und auch nicht jene von institutionellen AnlegerInnen, die immer mehr in den Immobiliensektor vorstossen. Das Bundesgericht sieht das anders. Das oberste Gericht des Landes hat in einem Leiturteil eben den Spielraum für Mieterhöhungen stark erweitert. Bislang galt, dass die Nettorendite nicht mehr als 0,5 Prozent über dem Leitzins (derzeit 1,5 Prozent) liegen sollte, andernfalls ist sie als missbräuchlich anfechtbar. Nun hat das Bundesgericht diesen Spielraum von 0,5 auf 2 Prozent erhöht. Die Folge werden erhebliche Mieterhöhungen sein – in erster Linie bei Neuvermietungen –, die damit kaum mehr als missbräuchlich anfechtbar sind.
Das Urteil spielt damit LobbyistInnen der Immobilienbranche unmittelbar vor einem politischen Entscheid im Ständerat in die Hände. In der Wintersession, voraussichtlich am 15. Dezember, entscheidet die kleine Kammer über eine parlamentarische Initiative von FDP-Nationalrat Olivier Feller, Generalsekretär des Westschweizer Immobilienverbands Fédération romande immobilière. Dieser Vorstoss verlangt genau das, was das Bundesgericht jetzt entschieden hat. Nimmt der Ständerat nach dem (damals noch rechtsbürgerlich dominierten) Nationalrat den Vorstoss an, würde die Forderung Gesetz. Die SP und der Schweizerische Mieterverband haben in diesem Fall bereits das Referendum angekündigt.
Völlig zu Recht. Seit 2009 sind die Mieten durchschnittlich um 14 Prozent gestiegen, in urbanen Zentren noch stärker, in Zürich beispielsweise um 20 Prozent. Die Hypothekarzinsen haben sich derweil auf einem Rekordtief eingependelt. Wenn es noch nahezu risikofreie und vergleichsweise hohe Renditen gibt, dann im Immobiliensektor. Diese Branche benötigt keinen Schutz. Dieser sollte MieterInnen zuteilwerden. Denn hohe Mieten lasten neben den ständig steigenden Krankenkassenprämien schwer auf den Privathaushalten und mindern deren Kaufkraft. Ein Grundrecht auf Rendite gibt es nicht – hingegen eines auf ein anständiges und bezahlbares Dach über dem Kopf.