Ntando Cele: Willkommen im Stripclub

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Ntando Cele braucht ihre Wut als Antrieb und den Humor als Waffe. In ihrem neusten Stück fragt die Performancekünstlerin und Schauspielerin nach der Rolle der Schwarzen Frau auf der Bühne – aber auch nach jener des Publikums.

Was hat eine Schwarze Frau in dieser Figur verloren? Ntando Cele in «Go Go ­Othello». Foto: Janosch Abel

«Manchmal hätte ich Lust, einfach ein Stück über Blumen zu machen», sagt Ntando Cele, Performancekünstlerin und Schauspielerin, «einfach einmal Ruhe haben.» Nichts denken, nicht wütend sein, auch: freundlich sein mit dem eigenen Körper.

Doch das ist nicht so leicht für eine wie Cele, die von ihrer Wut angetrieben zu sein scheint, die den Schmerz über die Welt in all ihren Stücken auf die Bühne und zum Ausdruck bringt. Die ausserdem von sich sagt: «Das ist bisher meine einzige Lösung, mich der Gesellschaft zugehörig zu fühlen.» Und dann wiederum: «Ist es nötig, sich das anzutun?»

Cele macht keine Stücke über Blumen, natürlich nicht. Sie nähert sich der Ungerechtigkeit mit Vehemenz und auch mit ungemeiner Körperlichkeit. Da ist keine Distanz zu spüren und keine Angst vor Ambivalenzen. Ihr neustes Stück, «Go Go Othello», fragt nach dem Schwarzen Körper auf europäischen Theaterbühnen, einem Körper, der dem Blick eines weissen Publikums ausgesetzt ist. «Go Go Othello» spielt in einem Stripclub, auch die ZuschauerInnen, an kleinen Tischchen sitzend und von Kellnerinnen in Federboas umschwirrt, gehören zum Bühnenbild. «Das weisse Publikum ist daran gewöhnt, im Stripclub Schwarzen Frauen zuzuschauen», sagt Cele. Mit dieser Irritation will sie spielen.

Ganz bewusst soll «Go Go Othello» also die Zuschauenden vor den Kopf stossen – und sie im besten Fall ihre Rolle hinterfragen lassen. Es geht aber auch um die Rollen der Schwarzen Schauspielerin selbst: Welche kann sie problemlos einnehmen, welche nicht? Wenn schon Othello, der «Mohr von Venedig», in der Geschichte der Bühnenkunst kaum je von einem Schwarzen Mann gespielt wurde, was hat dann eine Schwarze Frau in dieser Figur verloren? Also probiert Cele Rollen aus, die Stripteasetänzerin, die Rapperin, die Stand-up-Comedian – und verweist dabei immer auf jene, die vor ihr da waren: Josephine Baker, Nina Simone, Cardi B, die alle vor weissem Publikum gespielt und sich mit dieser Rolle ebenfalls auf die eine oder andere Art auseinandergesetzt haben.

Grenzen ausloten

Telefon aus dem südafrikanischen Durban, wo Cele studiert hat und gerade ihre Weihnachtsferien mit der Familie verbringt: «Wir quetschen uns hier in eine winzige Wohnung. Man macht so etwas ja nur, um sich danach wieder auf daheim zu freuen, oder?» Das Studium hat Cele in die Niederlande geführt, seit acht Jahren nun lebt sie in Bern. Es ist nicht so leicht, an zwei Orten daheim zu sein, immer hin und her, immer Heim- und Fernweh gleichzeitig. «Ich bin ständig am Vergleichen», sagt Cele.

Was nervt denn in der Schweiz, an ihrer Kulturszene? «Das Gefühl, alles zu haben, macht etwas mit den Leuten. Manche meinen, sie bräuchten gar keine Kultur.» Das führe auch dazu, dass man sich innerhalb der Szene zu wenig traue, zu wenig Grenzen auslote. «Die Schweiz träumt nicht, oder höchstens im Kleinen.» In Südafrika, meint Cele, habe Kultur immer soziale Gründe, und sei es nur, Menschen zusammenzubringen, ihnen etwas in den Alltag mitzugeben. «Andererseits sind die Leute in Durban manchmal schockiert, wenn sie hören, was ich in der Schweiz auf der Bühne alles thematisiere.» Schockiert, aber auch erleichtert, dass man diese Dinge auf einer Bühne sagen darf, ohne Probleme zu bekommen.

Oft fällt der Vergleich ohnehin schwer. Gerade was die Rassismusthematik angeht: «In Südafrika geht es immer und in allen Diskursen auch um Race», sagt Cele. In der Schweiz hingegen sei die grössere Öffentlichkeit gerade erst im Begriff, eine Sprache dafür zu entwickeln. «Das ist ein langer, anstrengender Prozess.»

Unbequem bleiben

Dass einem dabei nur das Lachen nicht vergeht. Ntando Cele: «Ich kann mir kein Thema vorstellen, das ich nicht mit Humor angehen könnte.» Sie habe diesbezüglich schon so viele eigene Grenzen überschritten, dass es keine Tabus mehr gebe. Cele kennt ganz unterschiedliche Register, im Vergleich zur klar getakteten Comedynummer in «Go Go Othello» war das vorherige Stück, «Black Space Race», eine Übung in überzeichnetem Klamauk, inklusive rasender Funkband.

Obwohl – eigentlich wurde hier ein Stück Geschichte erzählt: über den sambischen Wissenschaftler Edward Mukuka Nkoloso, der in den sechziger Jahren als erster Afrikaner auf den Mond fliegen wollte. Die Mission scheiterte grandios – «Black Space Race» aber liess Nkoloso zum Schluss abheben. Das Stück reiht sich damit in die Tradition des Afrofuturismus ein: Wie könnte die Geschichte sonst noch aussehen, wären etwa die Machtverhältnisse anders? Und auch: Wer erzählt, und welche Geschichten werden gehört?

«Die Theater in der Schweiz sind sehr exklusiv», sagt Cele. In Europa fast ausschliesslich für ein weisses Publikum zu spielen, habe sie anfangs nur schwer akzeptieren können. «Ich frage mich dauernd, für wen ich meine Arbeit eigentlich mache.» «Go Go Othello» ist für sie auch deswegen speziell, weil sich das Stück direkt mit der Rolle der Zuschauenden beschäftigt. Schliesslich sollen es sich die Leute im Saal nicht allzu bequem machen können.

«Go Go Othello» in: Zürich Rote Fabrik, 28. und 29. Januar 2021, 19.30 Uhr. Basel Kaserne: verschoben auf unbestimmte Zeit.