Erwachet!: Verhüten dank Vatikan

Nr. 18 –

Michelle Steinbeck über ein blockiertes Gesetz in Italien

Neues aus dem Nachbarland: Der weinende Rapstar, von dem an dieser Stelle bereits einmal die Rede war, hat in Rom eine 1.-Mai-Rede gehalten. Tags darauf ist er in aller Newsfeed: einerseits, weil er zur besten Sendezeit extrem rechte Politiker und Ultrakatholiken namentlich angeprangert und sich angesichts des Anstiegs von Gewalt gegen queere Menschen für deren gesetzlichen Schutz ausgesprochen hat. Andererseits, weil er bekannt machte, dass der Sender Rai seine Rede im Voraus lesen wollte – und ihm dann nahelegte, besser zu schweigen. Versuchte Zensur, auf Druck der Lega.

Worum gehts? Vor über einem Jahr haben die Schweizer Stimmberechtigten ein Gesetz angenommen, das die Diskriminierung aufgrund (nichthetero-)sexueller Orientierung strafbar macht. Nun soll auch in Italien das Gesetz angepasst und ein ähnlicher Zusatz eingeführt werden: Die «Legge Zan», benannt nach dem Politiker und LGBTI-Aktivisten Alessandro Zan, adressiert homophobe, transphobe, frauenfeindliche und ableistische Diskriminierung und Gewalt und stuft sie als Hassverbrechen ein. Eine Mehrheit der Abgeordnetenkammer hat dem bereits im November zugestimmt – nun blockieren jedoch rechte SenatorInnen das Inkrafttreten. Sie fürchten, wenig verwunderlich, dass sie dadurch in ihren Hetzkampagnen eingeschränkt würden.

Aber auch solche, die behaupten, für ein «Recht auf Leben» zu stehen, sträuben sich mit aller Kraft gegen den Schutz von Marginalisierten. Eine Sorge ultrakatholischer AbtreibungsgegnerInnen ist, durch den Antidiskriminierungszusatz die Deutungshoheit darüber zu verlieren, was «Familie» und was «Sünde» ist. Die katholische Kirche hat davon bekanntlicherweise klare Vorstellungen. Ihr Oberhaupt, der weisse Greis mit Käppi auf dem Kopf, wird etwa nicht müde, Abtreibung als schwere Sünde zu predigen; gern auch mit den Worten «Auftragsmord» oder «Wegwerfkultur». Aber wie genau nimmt er es selber damit?

Vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass der Vatikan über zwanzig Jahre in zwei Unternehmen investiert hat, die laut eigener Definition Sündhaftes herstellen: ausgerechnet die Pille danach! Der «Fehler» wurde 2016 erkannt, worauf die Firmenanteile im Wert von über zwanzig Millionen Euro schnell und klammheimlich abgestossen wurden. Fun fact!

Weniger lustig ist dagegen der kürzlich erschienene Bericht von Mirjam Kohler zu haarsträubenden Methoden von AbtreibungsgegnerInnen in der Schweiz: Auf Social Media zirkuliert derzeit geschaltete Werbung der euphemistisch benannten «Schweizerischen Hilfe für Mutter und Kind». Diese verspricht, dass eine medikamentöse Abtreibung rückgängig gemacht werden könne. Die Journalistin rief undercover bei der angegebenen Hotline an – gut zehn Minuten später hatte sie das Rezept für einen experimentellen, weitgehend unerforschten Medikamentencocktail. Dabei gilt das in den USA entwickelte Verfahren als alles andere als harmlos: Die Studie musste nach drastischen Zwischenfällen abgebrochen werden. In der Schweiz wird die Methode seit 2019 praktiziert – offenbar auch ohne Voruntersuchung und ärztliche Betreuung. Sollen die Märtyrerinnen zu Hause verbluten.

Vom Vatikan bis hierzulande: Die selbsternannten «Lebensschützer» predigen sturzhagelbesoffen Wasser. Wie schloss Rapper Fedez seine Rede? «Brutta storia» – grusige Geschichte.

Michelle Steinbeck ist Autorin und selbsternannte Italienkorrespondentin.