LeserInnenbriefe
In voller Absicht
«Schweiz–EU: Ein Anruf ins Leere», WOZ Nr. 22/2021
Kann mir jemand erklären, warum hinter dem Abbruch der Verhandlungen für einen Rahmenvertrag keine klare Absicht stecken soll? Was macht verschiedene KommentatorInnen, auch Kaspar Surber, so sicher, dass nicht genau das geschah, was in rechtsbürgerlichen Kreisen schon längst gefordert wurde und mittlerweile auch von einflussreichen finanzökonomischen Kreisen befürwortet wird: die schleichende, hinter harmlosen Auftritten versteckte Desintegration aus dem gemeinsamen Markt.
Manches, was dieser Markt mittelfristig an Rahmen und Regeln mit sich bringt, ist in diesen Kreisen mehr als unerwünscht: Transparenzregeln, Steuerharmonisierung, irgendwann sogar Schutz von Mindestlöhnen und Arbeitsrechten. Die EU ist gewiss nicht sozial progressiv. Aber wie kann man hoffen, längerfristig im Schweizer Alleingang mehr zu erreichen? Das Gegenteil könnte eintreten: Mit der Desintegration aus dem gemeinsamen Markt fällt irgendwann die Verpflichtung zur Freizügigkeit. Spätestens dann kann man endlich Arbeitskräfte aus dem Ausland nach den eigenen Konditionen rekrutieren.
Frieder Tramer, Stein am Rhein
Seelenlose Häuser
«Tessiner Politskandal: Ton, Steine und Scherben in Lugano», WOZ Nr. 23/2021
Der Abriss des «Molino» in Lugano erfüllt mich mit Wehmut. In jungen Jahren war ich öfter dort und etwa 2002 habe ich eines meiner besten Konzerte gesehen, eine italienische Jazzcombo mit einem unglaublichen Vokalisten – für fünf Stutz. Jedes Mal, wenn ich die Stadt seither wieder besuche, finde ich mich kaum mehr zurecht. So viele der schnuckeligen alten Gebäude sind weg, ersetzt durch seelenlose, aus dem Boden gestampfte Häuser, und an jeder Ecke mieft es nach Baumafia.
Christian Hänggi, per E-Mail
Wir sind auch Verkehr
«Mobilität: Autos hassen», WOZ Nr. 23/2021
Ein überfälliger Artikel, den ihr jedes Jahr wieder bringen solltet! Gemäss WHO sind bis 2020 kumuliert, also in der Geschichte des Autoverkehrs, weltweit rund 70 Millionen Menschen durch Autounfälle gestorben. Weltweit stirbt jede Minute ein Fussgänger oder eine Fussgängerin bei einem «Autounfall»: So werden jeden Tag etwa 3600 nicht motorisierte Menschen dem Autoverkehr geopfert.
Der Druck von Astra, Bauwirtschaft, Autofreunden und so weiter, Unsummen einfach für alte und neue Strassen zu verbauen, ist immens, und so geht es stetig weiter in Richtung ökologisch-landschaftlich-klimatischer Notstand. Ich bin allerdings stolz darauf, dass wir in Biel den Westast A5 verhindert haben und das Astra-Kässeli die geplanten 2,2 Milliarden Franken hier nicht in Beton investieren konnte.
Die Diskussion um «Parkplätze» haben wir kürzlich genau so durchgespielt. Wir vertraten die Meinung, dass es nicht die wichtigste Aufgabe unserer kleinen Gemeinde sein könne, immer mehr öffentlichen Platz für private Autos zur Verfügung zu stellen. Unser Argument, für Velos würde ja nichts dergleichen unternommen, diese müssten privat untergestellt werden und für Autos sollte sinngemäss das Gleiche gelten, löste völliges Unverständnis aus. Ich stimme euch zu, dass wir die Sprache, mit der wir über Autos sprechen, ändern müssen. In dem Zusammenhang sollte auch der Autoverkehr entsprechend benannt werden. Meist wird heute ja über «Verkehr» und «Verkehrsprobleme» geschrieben, worunter implizit ausschliesslich der Autoverkehr verstanden wird. Aber wir Fussgänger, Velofahrer, ÖV-Nutzer und so weiter sind auch «Verkehr». Und die heutigen «Verkehrsprobleme» sind nicht unsere Probleme im und mit dem Autoverkehr.
Michael Clerc, Ligerz
Verhinderungstaktik
«Einbürgerungen: Zu viele Hürden im Parcours», WOZ Nr. 23/2021
Die Verhinderungstaktik setzt sich aus den gesetzlichen Grundlagen in die behördlichen Verfahren fort. Diese werden möglichst in die Länge gezogen, was Abbrüche provoziert. In der Stadt Bern wird qualifizierten KandidatInnen bei Gesuchstellung mitgeteilt, das Gesuch werde nun erst einmal für ein halbes Jahr beiseite gelegt, bevor jemand es sich ansehe. Eine Zeitspanne, in der andere Länder den Prozess von A bis Z abgeschlossen haben.
Puan Mongre, per E-Mail