Arbeitskampf in Luterbach: «Nur acht kleinere Unfälle»

Nr. 28 –

Mieser Gesamtarbeitsvertrag, mangelhafter Schutz, Tieflöhne trotz Spezialleistungen: ArbeiterInnen der Enzler Reinigungen AG wehren sich. Und die Gewerkschaften?

Ist die Unia zu nett? Mitglieder der Freien ArbeiterInnen Union bei einer Solidaritätsaktion vor der Biogen-Fabrik in Luterbach am 6. Juli. FOTO: FAU BERN

Anfang Juni noch machte der neue Produktionsstandort des US-Pharmaunternehmens Biogen im solothurnischen Luterbach positive Schlagzeilen: Nach der Zulassung eines – mittlerweile umstrittenen – Medikaments gegen Alzheimer versprach sich der Kanton bis zu 600 neue Arbeitsplätze.

Schon Ende April allerdings waren in Luterbach auch Transparente zu sehen, die auf prekäre Arbeitsbedingungen in der Biogen aufmerksam machen wollten. Konkret geht es dabei um die Arbeitsbedingungen der Reinigungskräfte des Subunternehmens Enzler Reinigungen AG. Rund 100 der etwa 2500 MitarbeiterInnen dieser Firma arbeiten in Luterbach. Doch obwohl es sich um Spezialreinigungen für einen Pharmakonzern handelt, in dem mit starken Chemikalien gearbeitet wird, zahlt ihnen die Enzler AG nur den für normale Unterhaltsreinigungen üblichen Stundenlohn.

Arbeitsbedingte Verbrennungen

Das ist lediglich ein Grund, weshalb die ArbeiterInnen sich nun wehren. Am Samstag, anlässlich einer Demonstration in der Solothurner Innenstadt, berichteten ehemalige Angestellte der Enzler AG sowie Mitglieder des Reinigungskollektivs Solothurn (ein Zusammenschluss von Reinigungskräften aus der Region) zudem von falschen Stundenabrechnungen, mangelhaften Sicherheitsvorkehrungen oder fehlenden Sonntagszuschlägen. Besonders gravierend sei der Umgang mit dem Gesundheitsschutz: Der hohe Zeitdruck führe dazu, dass Maschinen teilweise bei laufendem Betrieb gereinigt werden müssten – wobei mehrere ArbeiterInnen Verbrennungen erlitten und ins Spital hätten gebracht werden müssen. Ursin Della Morte von der unabhängigen Basisgewerkschaft Freie ArbeiterInnen Union (FAU), die die ArbeiterInnen zusammen mit der regionalen Sektion der IWW (International Workers of the World) unterstützt, bestätigt: «Aus unseren Gesprächen mit den Betroffenen geht hervor, dass die Schutzmassnahmen häufig nicht genügen.»

Mitte Juni meldete die FAU die Angelegenheit beim Arbeitsinspektorat Solothurn. Die ArbeiterInnen haben zudem eine Resolution verfasst. Unter anderem fordern sie höhere Monatslöhne, sicherere Schutzausrüstungen, Miteinberechnung der Umkleidezeit, längere Ruhezeiten – und vor allem auch: kein Outsourcing mehr, sondern direkte Anstellung bei der Biogen.

Ende Juni vom SRF-«Regionaljournal Aargau-Solothurn» mit den Vorwürfen konfrontiert, bestätigte Daniel Koch, Regionalleiter der Enzler AG, dass vor rund einem Monat ein Arbeiter beim Putzen einer noch heissen Maschine Verbrennungen erlitten hatte. Koch schob die Verantwortung jedoch auf den Arbeiter, der einen «Verhaltensfehler» begangen habe, indem er Handschuhe und Maske ausgezogen hätte. Zum Vorwurf, dass die ArbeiterInnen die Maschinen zuweilen bei laufendem Betrieb reinigen müssten, sagt der Enzler-Geschäftsführer Peter Helbling, dass bei einer Verbrennung ein entsprechendes Warnschild nicht richtig beschriftet gewesen sei. Insgesamt aber habe es in Luterbach in einem Jahr «nur acht kleinere Unfälle gegeben – nicht mehr als in anderen Firmen».

Repression gegen Basisgewerkschaft?

Gegenüber der WOZ betont Helbling, dass sich die Enzler AG «stets bedingungslos für die Einhaltung von GAV, Arbeitsgesetz und Arbeitssicherheit» einsetze: «Aus diesem Grund begrüssen wir die rasche Überprüfung der Vorwürfe durch unabhängige externe Stellen.» Ein Kontrolltermin des Arbeitsinspektorats und der Suva finde in den nächsten Tagen statt. Das Reinigungskollektiv hat dem Inspektorat bereits ein Dossier mit Fotografien von sechs Unfällen geschickt, die durch Kontakt mit Chemikalien erfolgt sein sollen.

Gegenüber TeleM1 liess das Unternehmen am Tag der Demonstration verlauten, die ganze Branche befinde sich ja schliesslich in einem Niedriglohnsegment: «Und die Arbeitsbedingungen bei uns gehören dabei nicht zu den schlechtesten. Wir haben einen GAV und halten alle Bestimmungen ein.» Sollte das stimmen, sagt das fürwahr nichts Gutes über den GAV in dieser Branche aus.

Der Arbeitskampf gestaltet sich schwierig – nicht zuletzt, weil zwischen Basisgewerkschaften und der Unia ein Konflikt herrscht. Derweil sich die FAU klassenkämpferisch gibt, agiert die Unia sozialpartnerschaftlich. So war es die Unia, die von der Enzler AG eingeladen wurde, am 7. Juli bei einer obligatorischen Versammlung zu den ArbeiterInnen zu sprechen. Für Della Morte ist diese Koalition von Arbeitgeber und Unia mit ein Grund, dass der GAV derart schlecht sei: «21.50 Franken pro Stunde – das ist immer noch tiefer als der Mindestlohn, den die Unia selbst fordert.» Die Monatslöhne seien auch deshalb so niedrig, weil die meisten im Stundenlohn arbeiten und keine garantierte Wochenarbeitszeit haben.

Weil sie genug davon haben, dass sich Enzler und Biogen die Verantwortung gegenseitig zuschieben, haben die ReinigungsarbeiterInnen der FAU nun ein Mandat erteilt, sich in einem ersten Schritt mit Biogen zu treffen. Biogen jedoch verweigert bislang ein Treffen – mit dem Argument, der Konflikt bestehe ausschliesslich mit der Enzler AG. Derweil ist der Druck auf die ArbeiterInnen laut Ursin Della Morte nochmals gestiegen: Anfang dieser Woche habe die Enzler AG erste Arbeiter vorgeladen – und schriftlich verwarnt. Fragen dazu lässt die Enzler AG unbeantwortet.