Wichtig zu wissen: Nie erschlossen

Nr. 28 –

Ruedi Widmer über Hagel, Gas und Flüstern

Der Hagel soll bei Gewitter gesperrt werden. Ähnlich wie der ehemalige US-Präsident Trump nutzte auch der Hagel Gewitter nur, um seine Zerstörungswut auszuleben.

Der Hagel droht, im Fall einer Sperre bei Gewitter eine eigene Wetterlage zu etablieren. Doch der Hagel braucht zu seiner vollen Machtausübung auch den Wind, Blitz, Regen und Donner. Ein Nur-Hagel-Wetter wird einzig die Hagelfans begeistern. Warum nicht Blitz und Donner gesperrt werden, erschliesst sich mir nicht. So hat ein Blitz unweit meines Hauses in eine Birke eingeschlagen. Diese ist mit einem höllisch lauten Knall explodiert und musste gefällt werden. Weshalb wurde nicht wenigstens die böse «Hitlereiche» etwas weiter am Winterthurer Deutweg-Sportplatz (vgl. diverse Medienberichte) vom Blitz getroffen?

Wie Gevatter Tod entscheidet der Blitz in einem russischen Roulette, wo er hinschlagen soll. Da sind keine Spurenelemente von Logik oder Gerechtigkeit mehr enthalten, das ist eine unverantwortliche Sache. Man sieht ja auch jeweils am Himmel, wie sich so ein Blitz unentschlossen in verschiedene Richtungen bewegt, ehe er den Einschlagsort gefunden hat. Das ist etwas ganz Verrücktes, überhaupt Elektrizität, das ist ja etwas, von dem wir nicht so genau wissen, was es ist. Wie Feuer auch, das erschliesst sich mir überhaupt nicht. Das sind die komischen Elemente. Wasser und Erde und Blumentöpfe et cetera sind die verständlichen Elemente, greifbar und nicht so sprunghaft.

Katzen gehören auch zu den komischen Elementen. Ich habe jetzt auch eine ganz kleine, und wenn es donnert, findet sie das überhaupt nicht komisch, sondern verkriecht sich unter das Sofa, was ich auch machen würde, müsste ich sie nicht dort suchen. Komisch ist an einer Katze die ganze Gestalt. Sie ist manchmal hochbeinig wie eine Giraffe, dann wieder ganz rund, dann lang wie eine Wurst, und sie kann sich verformen wie ein Barbapapa und unverständlicherweise durch einen Schlitz im geschlossenen Rollladen entweichen. Fast wie ein Gas.

Gas hat sich mir auch nie erschlossen. Im Keller des Hauses hat es eine Gasheizung, und das ist schlecht für das Klima, aber irgendwie gut für das Gas, denn dann macht es wenigstens noch etwas Nützliches, bevor es als CO2 alles kaputtmacht. Gas, leichter als Luft, ist so etwas wie der Ballon unter den Elementen. Einmal durfte ich mit dem Schweizermeister Heissluftballon fahren. Das Fahren findet mit dem Wind statt, also spürt man den Wind nicht. Es ist so leise im Ballon wie in einem Kinderzimmer um 23.30 Uhr. Wenn man hundert Meter über Grund fährt, hört man die Kinder rufen: «Log, en Ballon», oder man versteht jedes Wort, das aus einem Küchenfenster entweicht, besser als jede chinesische Wanze. Den Leuten unten ist das wohl nicht bewusst. Schauen Sie also, bevor Sie wichtige Dinge besprechen, ob kein Ballon in der Nähe ist, und wenn, nützt auch Flüstern nichts.

Der Reiz des Flüsterns hat sich mir auch nie richtig erschlossen. Kinder finden Flüstern ja interessant, weil es ein Medium zur Geheimnisübertragung ist. Einmal sagte mein Sohn, als er noch im Chindsgi war, laut reden sei wie mit Filzstift zeichnen, und flüstern sei wie mit Bleistift zeichnen. Ich war fast etwas baff und fand für mich, dass dies sehr chinesisch klänge, eine Weisheit aus der Ming-Dynastie, die gut die Wand irgendeines Wartezimmers zieren könnte.

Philosophische Zitate haben sich mir auch nie erschlossen. Es gibt Leute, die immer eines aus dem Ärmel schütteln können, im richtigen Moment und aus dem richtigen Zitatelexikon. Ich kann das nicht, ich vergesse alles, oder ich kenne gar keine berühmten Zitate. Adenauer oder Marco Polo oder Vreni Schneider, was sollen die alles gesagt haben. Die SBB hat auch gewisse Orte nie erschlossen, zum Beispiel Wildhaus, Elm, Volketswil.

Ruedi Widmer ist Cartoonist in Winterthur.