Zank ums U-Boot-Geschäft: Unsinniges Kräftemessen

Nr. 38 –

Der heftige Streit zwischen Frankreich und den USA erinnert an die Zeiten des Kalten Krieges. Nur haben die Nato-Mächte heute China als Hauptgegner auserkoren.

Der Deal ist geplatzt: Gern hätte Frankreich Atom-U-Boote wie «Le Terrible», hier in der Werft in Cherbourg, für Australien gebaut. Foto: Jean Yves Desfoux, Keystone

Der heftige Zwist zwischen Frankreich und den USA über das milliardenschwere U-Boot-Geschäft mit Australien erinnert zumindest in manchen Facetten an die frühen fünfziger Jahre. Auch damals ging es um die Frage, wer in welchem militärischen Bündnis die Führungsrolle übernimmt im Konflikt mit der kommunistischen Sowjetunion, der seinerzeitigen Hauptfeindin des Westens: die USA in der Nato oder Frankreich in einer 1952 von der Pariser Regierung vorgeschlagenen Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG) mit den weiteren Mitgliedern Italien, Westdeutschland, Belgien, den Niederlanden und Luxemburg sowie mit gemeinsamen Streitkräften.

Interessen der Rüstungsindustrie

Konkurrierende Profitinteressen der Rüstungsindustrien Frankreichs und der USA, die im aktuellen Streitfall für den «Diebstahl» des lukrativen U-Boot-Geschäfts durch Washington ausschlaggebend waren, spielten auch vor siebzig Jahren schon eine Rolle. Doch mit der Ablehnung des EVG-Vorschlags im französischen Parlament – weil die Gaullisten nicht auf eine nationale französische Armee verzichten wollten – und dem Beitritt Westdeutschlands zur Nato 1955 war dieses erste Konzept für eine zumindest relative militärische Autonomie und Unabhängigkeit Europas von den USA vom Tisch. Alle westlichen Staaten versammelten sich unter der Führung der USA in der Nato – nur Frankreich nahm seine Nuklearwaffen davon aus und sicherte sich zeitweise Sonderregelungen. Die Rolle, die militärische Instrumente und Fähigkeiten der Allianz in der Auseinandersetzung mit der Sowjetunion spielen sollten, war klar definiert: Abschreckung mit Atomwaffen und Verteidigung des Territoriums der Mitgliedstaaten.

Doch in welchen Bündniskonstellationen auch immer die Mitgliedstaaten von Nato und EU mit ihren indopazifischen Verbündeten wie etwa Australien, Japan und Südkorea die Auseinandersetzung mit der aktuell zum Hauptgegner erkorenen Weltmacht China künftig führen wollen: Die Tauglichkeit militärischer Instrumente für diese Auseinandersetzung ist nicht erkennbar.

Gegen die von Washington über Paris bis Canberra unisono beklagten wirtschafts- und handelspolitischen «Sünden» Pekings – darunter Marktabschottung, Industriespionage, verbotene Subventionierung chinesischer Staatsfirmen und Benachteiligung ausländischer Unternehmen – sind militärische Mittel genauso untauglich wie gegen die gravierende Verletzung der Menschenrechte chinesischer Regierungskritikerinnen und der Uiguren in der Provinz Xinjiang. Und der am letzten Nato-Gipfel geäusserte Vorwurf, China bringe afrikanische und asiatische Länder mit dem Projekt der Neuen Seidenstrasse sowie mit Krediten «in wirtschaftliche Abhängigkeit» von Peking, ist angesichts des sehr ähnlichen Verhaltens der meisten in Nato und EU versammelten Staaten in den letzten 400 Jahren gegenüber dem Globalen Süden wenig glaubwürdig.

Die neue alte Weltmacht China

Auch lassen sich weder der weitere Ausbau der Seidenstrasseninfrastruktur durch chinesische Staatsfirmen noch das zum Teil völkerrechtswidrige Verhalten Pekings im asiatischen («südchinesischen») Meer mit militärischen Mitteln stoppen. Es sei denn mit dem Risiko eines heissen Krieges, den aber selbst die schärfsten ChinakritikerInnen im Westen zumindest bislang nicht befürworten. Militärische Kraftmeiereien wie die kürzliche Entsendung der deutschen Fregatte «Bayern» in die indopazifische Region sind lächerliche Symbolhandlungen. Sie unterstreichen die Hilflosigkeit gegenüber einer kommenden Weltmacht, die nach 200 Jahren globaler Dominanz durch die transatlantischen Staaten an die 3000-jährige Epoche anknüpfen will, in der China die führende Macht der damals bekannten Welt war. Doch trotz aller Untauglichkeit militärischer Instrumente bei der Auseinandersetzung mit dieser neuen alten Weltmacht: Der aktuelle Streit und die grosse «Enttäuschung» aller EU-Regierungen über das Verhalten der USA stärken zunächst leider die BefürworterInnen einer völlig unsinnigen Aufrüstung und globalen militärischen Rolle der EU.