Von oben herab: Komm in den angesagten Park

Nr. 41 –

Stefan Gärtner über kindergerechten Urlaub

Wenn Sie, liebe Leserin, lieber Leser, dies hier lesen, werde ich ein paar Tage in Holland gewesen sein, und das ist allein darum berichtenswert, weil das Futur II an dieser Stelle auch noch nicht so oft vorgekommen ist.

Weil ich zwar in Holland gewesen sein werde, aber jetzt, wo ichs hinschreibe, noch nicht da gewesen bin, kann ich gar nicht sagen, wie es war bzw. gewesen sein wird. Ich werde aber auch, wenn ich zurückgekehrt bin, nicht unbedingt Auskunft erteilen können, weil ich zwar in Holland gewesen sein werde, aber eher formal, nicht richtig. In einem Ferienpark, den man der Kinder wegen ansteuert, ist man ja so wenig in dem jeweiligen Land wie als Kunde oder Kundin eines Ferienklubs, denn es ist hier wie dort die Idee, dass man in einer Blase lebt und von der Welt nichts wissen muss. Im Club Méditerranée etwa, wo ich Wohlstandskind mit vielleicht zwölf zwei helle Wochen verbrachte, wurde nicht mit Geld gezahlt, sondern mit Plastikperlen in Orange, Weiss und (glaube ich) Braun, und wenn man sich an die Bar geschlichen hatte, bezahlte man für seinen ersten Rausch nicht zwanzig Mark, sondern irgendwelche Perlen, was natürlich sagenhaft schlau ist, wenn einen Urlaub lang alles nur Spielgeld kostet, das man wasserfest ums Handgelenk tragen kann.

Ponyreiten und Wildwasserbad und derlei mehr werden in Holland im Preis inbegriffen sein, und wo ich eben googeln musste, wie viele Akzente «Club Méditerranée» gleich wieder hat, stiess ich sofort auf den Hinweis «kostenlose Kinderbetreuung ab 4 J.». Eine der zentralen Ideen eines Kluburlaubs ist nämlich, dass man die Brut morgens irgendwo abgeben kann und dann am Pool seine Ruhe hat, was 1986, als Eltern noch Eltern und nicht Helikopter waren, nicht als anstössig empfunden wurde. Tatsächlich kann man als Kind unter Kindern eine sogenannte Animateurin auch viel besser ertragen denn als Erwachsener, und mein erstes Englisch im Auslandseinsatz werde ich im griechischen Urlaubsklub verwendet haben, wo mein indischer (?) – klingt unwahrscheinlich – Ferienfreund immer so elegant «perhaps» sagte, wo ich bei «maybe» blieb. Ausserdem war ich paradigmatisch aussichtslos in eine Französin verliebt, die sich schon die Achseln rasierte, während meine noch völlig kahl waren, und gestern stand in der Zeitung, die schönste Zeit im Leben sei mit Anfang dreissig und auf keinen Fall die Kindheit, und kann sein, das stimmt.

Wobei eigentlich nur die Pubertät schrecklich ist. Meine Söhne sind im besten Alter für Ponyreiten und Wildwasserspässe, und verliebt sind sie in Mama, eine Liebe, die den Vorzug hat, umfassend erwidert zu werden. Sie werden viel Spass haben, und es ist dann wirklich irgendwann so, dass das die Hauptsache ist. Der Urlaubspark liegt an einem See, und im Werbevideo stehen zwei junge Bikinidamen am Kiosk und lachen. Ob sie ihr Eis mit Perlen zahlen? Mit zwölf hätte ich mich wohl unter die Bikinis geträumt, heute denke ich: Sexistische Werbung, aber es ist Oktober, da geht man in Holland eh nicht mehr schwimmen.

In Südtirol gibt es einen See, der so warm sein soll, dass bis Oktober Badebetrieb ist. Der See heisst Kalterer See, was man sich gut merken kann. Leider ist es nach Südtirol viel zu weit, und vom guten Speck hätte ich Salonvegetarier sowieso nichts. Nein, ich bin jetzt in einem Alter, wo man auch einmal das Naheliegende tun muss, und das Käsebuffet ist in Holland sicher reich gedeckt. Ob es auf holländischen Käsebuffets Schweizer Käse gibt? Gibt es, umgekehrt, in der Schweiz Gouda, und wenn ja, warum? Wenn die Kinder abends müde sind vom Ponyrutschen und Wildwasserreiten, werde ich mich diesen tiefen Fragen widmen, und sollten Einbrecher jetzt denken, he, der Gärtner ist im Urlaub, Gelegenheit!, bitte das Futur II berücksichtigen, denn der Gärtner wird ja bloss im Urlaub gewesen sein.

Stefan Gärtner (BRD) war Redaktor bei der «Titanic» und ist heute Schriftsteller und «linksradikaler Satiriker» («Die Zeit»). An dieser Stelle nimmt er jede zweite Woche das Geschehen in der Schweiz unter die Lupe.

Sein Buch «Terrorsprache» ist im WOZ-Shop erhältlich unter www.woz.ch/shop/buecher.