Neues aus der Wissenschaft: Vom gesunden Auftreten

Nr. 43 –

Die Nachricht ist auf den ersten Blick recht verwirrend: Warum genau verfügt ausgerechnet die Uni Mainz über die weltweit grösste «Gang-Datenbank»? Ist die beschauliche deutsche Stadt am Rhein etwa ein Crime-Hotspot?

Vorläufige Entwarnung: Die Datenbank speichert keine kriminellen Banden, sondern die Art und Weise, wie sich gesunde Menschen fortbewegen. Im Fachjargon geht es um die Bodenreaktionskraft und den Kraftangriffspunkt beim Gehen, die von Kraftmessplatten im Boden erfasst werden – also um so etwas wie Trittfestigkeit und einen stabilen, «runden» Bewegungsverlauf. Zwar sind in der weltweit grössten Datenbank bloss 350 Personen erfasst. Von Bedeutung sind sie trotzdem: als Vergleichsreferenz für Menschen mit Gangstörungen. Denn offenbar gilt ein auffälliger Gang als Indiz für eine zugrunde liegende Erkrankung. Symptome für eine solche sind in einer weiteren Datenbank für «pathologische Gangmuster» gespeichert und kategorisiert nach Hüfte, Knie, Fussgelenk und Ferse.

Doch Achtung: Zweck der Datensammlerei ist – einmal mehr – «die Entwicklung von komplexeren und robusteren Algorithmen für die automatische Analyse von Gangmustern». Da erscheint dann eine Referenzbasis von 350 Datensätzen, auf die ein Algorithmus zurückgreifen kann, um sich via maschinelles Lernen selber zu verbessern, doch einigermassen limitiert. Und wie repräsentativ für einen «gesunden Gang» sind Daten, die mehrheitlich von Sportstudent:innen stammen? Da dürfte die Schwelle zum pathologischen Schlendrian ziemlich bodennah und ergo der Algorithmus höchst diskriminierend sein.

Vielleicht sollte sich der Algorithmus eine ganz andere, ungleich umfangreichere Datenbank vornehmen, um die breite Variabilität von Gangmustern zu studieren, die kaum auf verborgene Krankheiten hindeuten dürften: das Filmarchiv. Auf dass er sich nicht sattsehen kann an Denzel Washingtons wiegendem Schritt oder Jack Lemmons bravourösem Trippeln in Stöckelschuhen.

Als ultimativen Tauglichkeitstest schlagen wir vor: John Cleese in Monty Pythons «Ministry of Silly Walks».