#digi: Das Primat des Digitalen

Nr. 50 –

Alles muss digital werden. Dieser kaum hinterfragte Grundsatz wird im Kanton Bern bald gesetzlich festgeschrieben. Vor zwei Wochen wurde das neue Digitalgesetz im Parlament beraten. Es soll für die Digitalisierung der Verwaltung einen klaren rechtlichen Rahmen abstecken. Seit 2019 verfolgt der Kanton die Strategie Digitale Verwaltung (SDV): Umzüge sollen online angemeldet, Steuererklärungen ohne physische Unterschrift eingereicht, Dokumente digital eingesehen und ausgetauscht werden.

Eine gesetzliche Regelung ergibt durchaus Sinn, sorgt sie doch für Einheitlichkeit und Klarheit im Kanton. Auch die Gemeinden wissen, was Sache ist. Doch womöglich werden dabei auch ein paar faule Pflöcke eingeschlagen. Vor allem das Primat des Digitalen sorgt für Stirnrunzeln, hat es doch schwerwiegende Konsequenzen für all jene, die – aus welchem Grund auch immer – keinen Zugang zur digitalen Welt haben. Sie müssen in Zukunft glaubhaft machen, dass ihnen ein solcher weder möglich noch zumutbar ist. «Gerade jene Personen, die einen analogen Zugang am nötigsten hätten, haben wohl auch die grössten Schwierigkeiten, einen solchen Nachweis zu erbringen», kritisiert AL-Grossrätin Christa Ammann gegenüber der WOZ. In gewissen Bereichen soll neu sogar eine Pflicht zum digitalen Behördenverkehr gelten. «Eine solche Pflicht ist aber zu stark und würde gewisse Menschen an der Ausübung ihrer Rechte hindern», sagt Ammann und fragt rhetorisch: Warum braucht es eine Pflicht, wenn man so sehr an die Vorzüge der Digitalisierung glaubt?

Auch in anderen Bereichen ist das Berner Digitalgesetz nicht vorbildlich. Das Parlament schwächte die Themen Nachhaltigkeit und Open Source entscheidend ab. So findet sich der Begriff der Nachhaltigkeit nicht mehr im Gesetz, obwohl gerade hier wichtige Weichen gestellt werden müssten (siehe WOZ Nr. 44/2021 ). Eine Pflicht zu öffentlichem Quellcode wird wohl ebenfalls nicht geschaffen. Offen sind zudem Fragen der Datenhoheit. Konsequenzen und Verantwortlichkeiten beim Missbrauch von kantonalen Daten sind im Gesetz nicht geregelt. Für Ammann ein Manko, das noch behoben werden muss. Es müsse klar geregelt sein, wer die Verantwortung für die vom Kanton und Dritten bearbeiteten Daten trägt. Im Frühling hat das Parlament noch einmal die Chance, nachzubessern.