Pop: Nietengurte fürs Proletariat

Nr. 3 –

Heavy Metal in der DDR? Lederkutten und Nietengürtel in Honecker-Land? Dass es in den achtziger Jahren eine nennenswerte Metalszene im zweiten deutschen Staat gab, dürfte für viele neu sein. Publikationen zu anderen Subkulturen gab es zuhauf, zu dieser aber wird erst in jüngeren Jahren vermehrt geforscht.

Das neue Buch des Potsdamer Historikers Nikolai Okunew ist dabei durchaus erhellend. Es zeigt auf, welch ambivalentes Verhältnis die Staatsmacht zu den «Heavys» (so der offizielle Terminus der Stasi, zum Teil auch die Selbstbezeichnung) hatte, warum das unpolitische Selbstverständnis der Metalszene in die Irre führt und welche Überlappungen es mit den Naziskins gab. So hatte die SED ein Interesse daran, Metalbands zu protegieren und in die gewünschte Richtung zu lenken: Der Staat wollte die «handgemachte, ehrliche» Musik als Widerpart zum künstlichen, überartifiziellen Westpop etablieren.

Auch der kommunistische Jugendverband Freie Deutsche Jugend verstand den Heavy Metal zuweilen als eine dem Proletariat würdige künstlerische Ausdrucksform und förderte ihn. Die Metalbands und -fans aber wollten sich nicht vereinnahmen lassen. Sie gaben vor, unpolitisch zu sein – doch allein schon ihre starke Betonung der individuellen Freiheit und des Andersseins kam in der DDR natürlich einer politischen Haltung gleich.

Das behauptete Unpolitischsein funktionierte aber auch aus anderen Gründen nicht: Zum Teil besuchten Neonazis Metalkonzerte, Metalfans überfielen zusammen mit Naziskins Punks, es gab Schnittmengen mit rechten Hool- und Rockergruppen. Zwar mag das Gros der Szene (wie im «Westen» auch) völlig unverdächtig gewesen sein, aber es gab eben auch solche Fälle. Neben der politischen Dimension, die hier ausführlich dargestellt wird, verschafft das Buch auch einen guten Überblick über die wichtigsten Bands (etwa Biest, Formel 1, Plattform, Berluc, Macbeth, Argus). Und amüsant ist es dank so einiger Lyrics und manch modisch-musikalischer Verirrung auch.

Nikolai Okunew: Red Metal. Die Heavy-Metal-Subkultur der DDR. Christoph Links Verlag. Berlin 2021. 352 Seiten mit zahlreichen Abbildungen. 40 Franken