Von oben herab: Kundschaft!

Nr. 3 –

Stefan Gärtner über Diskriminierte

Ein blödes, nämlich linkes Vorurteil ist, dass Diskriminierung nur von oben nach unten funktioniere: Wer diskriminiere, sei stark, wer diskriminiert werde, schwach, anders ergebe das keinen Sinn. Noch wenn auf deutschen Schulhöfen das Wort «Kartoffel» falle, um alle mit rein deutschem Hintergrund zu verhöhnen, spielten sich die Nichtkartoffeln als die Mehrheit auf, die sie sonst gegen sich haben. Diskriminierung, schliesst das Vorurteil, ist wesensmässig eine Machtfrage, und nur wer die Macht hat, kann diskriminieren.

Ein Vorurteil, nichts weiter, denn jetzt ist die Schweizerische Volkspartei diskriminiert worden, und zwar von der Getränkefirma Intercomestibles, die sich geweigert hat, die Albisgüetli-Tagung der SVP Zürich zu beliefern. «Hinter dieser Absage», zitiert die empörte «Weltwoche» aus dem Absageschreiben, «steht die klare und kollektive Haltung eines selbstverwalteten Betriebes. Wir bitten Sie, unseren Entscheid zu akzeptieren.» Die «Weltwoche» freilich denkt nicht dran und findet es traurig, «wenn die Firmen ihre Kunden je nach Gesinnung und Denkrichtung auswählen. Und dies selbstverständlich immer hinter dem blitzblank zur Schau gestellten Schild von Toleranz, Inklusion und Aufgeschlossenheit.» Denn die, die angetreten sind, Toleranz, Inklusion und Aufgeschlossenheit von der Agenda der Politik zu streichen, erheben selbst natürlich allen Anspruch darauf; weil sie halt auch nicht irgendwelche Kanaken, Geflüchtete oder sonst wie dunkle Gestalten sind, sondern Demokratinnen und Demokraten von hier, die sich nicht von denen diskriminieren lassen wollen, die immer dagegen sind, wenn jemand findet, es müsse unterschieden werden zwischen Einheimischen und Pack.

Es ist im Übrigen guter kapitalistischer Brauch, dass Kundschaft Kundschaft ist und Geld nicht stinkt. Wo kämen wir da hin, wenn wir Waffen nur an nette Menschen lieferten und Fussballstadien bloss da errichten würden, wo sie auch gebraucht werden und erwünscht sind! Statt sie, wie in Brasilien zur WM 2014 geschehen, einfach irgendwo in den Urwald zu klotzen, wo es nur einen Drittligaverein gibt und sich nach dem Turnier vielleicht 5000 Leute in einem 200-Millionen-Bau verlieren, mit dem sich nicht so nette Menschen ihre grossen Taschen gefüllt haben.

Nein – Auftrag ist Auftrag, sonst könnte man den Laden ja gleich zusperren und Wirtschaft etwas werden lassen, was in kollektiver Selbstverwaltung nicht nach irgendwelchen Quartalszielen schaut, sondern nach dem Glück der vielen, auch wenn das Glück der vielen anzustreben leider bedeutet, sich nicht mit jenen gemein machen zu können, die dieses Glück ablehnen und sabotieren. Wer hier «Moraldiktatur» schreit, möchte bloss, dass die Diktatur der Unmoral ewig weiterbrummt, und das gilt selbst dann, wenn es stimmt, dass Moral, die sich ums Fressen nicht schert, auch von links eine Beschäftigung jener Elite ist, um deren Abschaffung es doch geht.

Vor der moralbetrunkenen Diktatur aller, die etwa finden, Sport müsse sich in kollektiver Selbstverwaltung organisieren lassen, ist jetzt der Fifa-Chef und nette Mensch Gianni Infantino (bislang Zürich) geflohen. Wer Kapitalismus nicht versteht, wirft Infantino vor, er sei ein gewissenloser, korrupter Mann, den ausser Geld nichts interessiere; dabei macht er nur das, was auch die «Weltwoche» will, dass alle Welt tue, und pfeift auf Gesinnung und Denkrichtung der Kundschaft. Also findet die nächste Fussball-WM in der Spitzendemokratie Katar statt, und Infantino hat dort jetzt ein Haus gemietet und zwei seiner Kinder am Ort eingeschult. Dass Infantino in die Wüste geschickt gehöre, ist ja der Seufzer aller, denen Fussball noch etwas bedeutet; dass er sich eigenmächtig hinbegeben hat, ist aber bloss ein Akt sehr persönlicher Selbst- als nämlich Vermögensverwaltung.

Stefan Gärtner (BRD) war Redaktor bei der «Titanic» und ist heute Schriftsteller und «linksradikaler Satiriker» («Die Zeit»). An dieser Stelle nimmt er jede zweite Woche das Geschehen in der Schweiz unter die Lupe.

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