Serie: Die alpine Schnöselinvasion
Beim Publikum ist die deutsche Netflix-Serie «Kitz» ein Hit: Offenbar herrscht ein Bedürfnis nach Storys, die die Flucht aus der Alltagsrealität der 99 Prozent ermöglichen. «Kitz» spielt nämlich im Milieu der Reichen und Schönen im österreichischen Nobelskiort Kitzbühel, wo Geldsorgen ein Fremdwort sind und es keine gravierenderen Probleme gibt als die Frage nach dem passenden fancy Outfit für die nächste Party.
Die Heldin allerdings ist keine angereiste Erbin, sondern in bescheidenen Verhältnissen vor Ort aufgewachsen. Und wie den anderen Einheimischen gehen der jungen Lisi (Sofie Eifertinger) die vermögenden Schnösel, die zur Wintersaison das Dorf bevölkern, gehörig auf den Senkel. Wobei bei ihr noch Rachegelüste hinzukommen: Ihr Bruder ist tödlich verunglückt, nachdem er mit der affektierten Münchner Influencerin Vanessa von Höhenfeldt (Valerie Huber) ein Techtelmechtel begonnen hatte und diese ihn dann unvermittelt schasste. Wer so mit anständigen Leuten umgeht, muss bluten, findet Lisi.
Also doch Klassenkampf in alpiner Kulisse statt Bonzenporno? Weit gefehlt. Zwar dürften Figuren wie etwa Vanessas beste Freundin Pippa (Krista Tcherneva) – ein wahrhaft wohlstandsverwahrlostes Biest – selbst noch beim duldsamsten Sozialdemokraten Aufstandsfantasien wecken. Der in der Handlung angelegte soziale Sprengkopf verpufft allerdings angesichts eines haarsträubenden Skripts: Lisis genialer Plan besteht nämlich darin (Achtung, Spoiler!), sich mit Vanessa anzufreunden und sie dazu zu bringen, für ein vorgebliches Theatervorsprechen ein Video aufzunehmen, in dem sie Peter Handkes «Publikumsbeschimpfung» vorträgt, was Lisi dann wiederum leaken will, um die Follower:innen der Influencerin gegen diese aufzubringen. Aua.
Immerhin brennt am Ende das schicke Chalet der Internet-Ikone ab. Ansonsten bleiben nur viel Fantasiejugendsprache («Voll local hier!»), Stereotype über Dorfbewohner:innen und verlogene Plattitüden wie die, dass Superreiche «hinter der funkelnden Fassade» auch «nur Menschen» seien.
«Kitz» (2021). Regie: Lea Becker und Maurice Hübner. Auf Netflix.