Auf allen Kanälen: Am 20 000-Dollar-Herd
Mit hübschen Back- und Alltagsvideos wollen sogenannte «Tradwives» ihren Follower:innen das einfache Leben nahebringen. Der Preis dafür ist jedoch hoch.
«Heute Morgen haben sich meine zwei Kleinkinder Müsli gewünscht, also beschloss ich, ihnen Müsli zu machen.» Nara Smith, eine 22-jährige Influencerin aus L. A., rührt in einer Schüssel in Holzoptik mit einem passenden Holzlöffel. Sie trägt einen Satinpyjama, ist perfekt frisiert und erklärt in aller Ruhe, dass sie jetzt Cinnamon-Toast-Crunch-Müsli machen wird – «from scratch», also selbstgemacht. Kreischende Kinder im Hintergrund, halb ausgewaschene Schoppenflaschen, verkrustetes Porridge – also die ganze Schmiere, die in einem Haushalt mit Kindern unweigerlich entsteht – sucht man in Smiths Videos vergebens. Auf den ersten Blick ist das klar, dumm eigentlich, dass man sich wundert: Das hier ist Instagram, und Instagram ist ein Buffet. Wer (zusammen mit ihren 2,4 Millionen Follower:innen) an Smiths Buffetabschnitt tritt, bekommt: Hausfrau, die für Kinder und Mann aufwendige Dinge zubereitet und dabei immer super aussieht. Simple enough.
Blinis für den Mann
Aber so einfach ist es dann eben doch nicht. Nara Smith gilt als sogenannte «Tradwife», jene Hashtag-wirksame Bezeichnung für eine traditionelle Hausfrau, die ihren konservativen Lebensstil in den sozialen Medien glorifiziert. Was als Nische in den Staaten begann, hat sich in den letzten Jahren zum digitalen Trend entwickelt; die verschiedenen Accounts, die unter diesem Hashtag laufen, sind dabei sehr heterogen, auch was die Betonung ihres politischen Hintergrunds angeht.
Als eine weitere solche «Tradwife» gilt etwa die ehemalige Ballerina Hannah Neeleman (@ballerinafarm, neun Millionen Follower:innen), die mit ihrem Mann und acht Kindern auf einer Farm in Utah lebt und in Leinenschürze vor dem 20 000-Dollar-Herd das einfache Leben predigt. Oder Carolina Tolstik aus Dortmund (@xmalischka_, 17 000 Follower:innen), deren Tagesablauf aus Etappen wie «sich hübsch machen für meinen Mann», «Mittagessen zubereiten für meinen Mann» oder «Blinis noch einmal zubereiten, weil sie meinem Mann nicht gefallen haben» besteht.
Unter Feminist:innen läuten bei solchem Content schnell einmal die Alarmglocken, aber erstaunlich oft mischt auch ein anderes Gefühl mit: Irgendwie schon schön, wie die da so gelassen in ihrem Teig rührt. Und solange Christus aus dem Spiel gelassen wird und die Frau das Bedienen ihres Mannes nicht als das grösste persönliche Glück preist (ein Merkmal vieler, aber nicht aller «Tradwives»), darf man da ja wohl noch hinschauen.
Steilpass für Rechtsextreme
Der Grund für diese Verblendung ist das Suggerieren eines einfachen, sicheren Lebens: Die Rollen sind klar verteilt, die Mehrfachbelastung mit Lohnarbeit, Haushalt und Kindern fällt zu einem gewissen Teil weg, die Tage sind womöglich strukturierter und weniger stressig. In Zeiten heftiger Diskussionen um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie die gerechte Aufteilung von Mental Load mag das manchen als durchaus attraktive Option erscheinen. Nur wird mit der Propagierung dieses Lifestyles ein strukturelles Problem individualisiert: Das Leben als Mutter, Partnerin und Hausfrau sei zwar streng, sagen die «Wives», aber du hast es in der Hand. Bleib zu Hause, heisst es, komm in deine weibliche Energie und lebe das Leben, das du verdienst. Du persönlich kannst dich den strengen, unfairen Strukturen entziehen, indem du für dich und deine Kernfamilie schaust. Nicht nur entwerten solche Accounts andere Lebensmodelle, sie klammern die Notwendigkeit feministischer Anliegen aus.
«Jeder soll selbst herausfinden, was für ihn stimmt», sagt Nara Smith, wenn sie auf ihren konservativ ausgelegten Content angesprochen wird. Sie würde ja nur kochen und gut aussehen – wer könne ihr das vorwerfen? Smith mit ihren Millionen Follower:innen blendet dabei aber aus, wie zentral traditionelle Geschlechterbilder für rechte Ideologien sind – und dass diese von Rechten bewusst propagiert werden. Der vordergründig so fröhliche und einfache «Lifestyle» spielt rechtsextremen Influencerinnen in die Hände: Diese nutzen den Hashtag für Verschwörungserzählungen von weisser Überlegenheit, niederschwellig vorgetragene LGBTIQ-Feindlichkeit und Hass gegenüber Feminist:innen und Migrant:innen. Die schöne heile Welt gibt es eben nur zu einem hohen Preis.