Türkische Bombardements: Nato und EU bleiben stumm

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Offiziell geht es Ankara um die Bekämpfung von Terror. «Operation Winteradler» nennt die türkische Regierung die Angriffe auf als terroristisch eingestufte Kurd:innenmilizen in Syrien und im Nordirak. «Letzte Nacht haben wir Ziele an drei unterschiedlichen Orten bombardiert, und sie konnten nicht einmal ein Loch finden, um zu entkommen», lobte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan die Einsätze vergangener Woche. Darunter waren gemäss kurdischen Medien ein Elektrizitätswerk in Nordsyrien. Zeitgleich gab es laut Ankara Angriffe in der Nähe des Flüchtlingscamps Machmur und auf das jesidische Siedlungsgebiet Sindschar im Nordirak. Damit seien «Terroranschläge gegen unser Volk und Sicherheitskräfte» verhindert worden, hiess es aus dem Verteidigungsministerium.

Tatsächlich aber geht es Ankara darum, von den eigenen innenpolitischen Problemen abzulenken, die sich immer weiter verschärfen. Letzte Woche stieg die Jahresinflation auf knapp 49 Prozent. Allein im Januar erhöhten sich die Preise um 11 Prozent. Angesichts der Teuerungen kommt es immer öfter zu Protesten gegen die AKP-Regierung und den Präsidenten.

Weil ein Ende der Wirtschaftskrise nicht abzusehen ist, sind weitere militärische Einsätze zu befürchten. Denn Bilder abgeworfener Bomben auf mutmassliche Stellungen der kurdischen Arbeiterpartei PKK und der kurdischen Volksverteidigungseinheiten in Syrien sind Balsam für die Seele türkischer Nationalist:innen. Erdogan bedient damit seine potenzielle Wählerschaft, die er spätestens für die Parlaments- und Präsidentschaftswahlen im Sommer 2023 braucht.

Fürchten muss er ohnehin nur die heimische Opposition, die in den vergangenen Monaten ordentlich aufgeholt hat. Die Nato und die Europäische Union bleiben stumm. Ankara ist für deren Sicherheitsinteressen und geopolitisch von solcher Wichtigkeit, dass der Tod auch von Zivilist:innen billigend hingenommen wird. So war es bei früheren grenzüberschreitenden Luftschlägen, so ist es jetzt, und so wird es wohl auf absehbare Zeit bleiben.