«Zürich Nazifrei»: Eine klare Antwort

Nr. 7 –

Rund 4000 Menschen haben vergangenen Samstag in Zürich gegen einen Aufmarsch von Rechtsextremen und Coronamassnahmengegner:innen demonstriert. Hat die Mobilisierung ihren Zweck erfüllt? Zwei Beteiligte geben Auskunft.

Die grösste antifaschistische Kundgebung seit langem: Gegendemonstration am 12. Februar in Zürich.

«Dass das passieren würde, war klar». Vanessa Siegenthaler* schüttelt lachend den Kopf. Und ergänzt: «In einem Land, in dem der Bundesrat ‹keinen Bedarf› sieht, Nazisymbole im öffentlichen Raum zu verbieten, ist diese Lesart der Demonstration unvermeidlich.»

Siegenthaler (28) gehört zu jenem Umfeld, das für vergangenen Samstag eine Gegendemonstration gegen rechtsextreme Massnahmengegner:innen in Zürich organisierte. Ansonsten recherchiert sie in ihrer politischen Arbeit über rechte Szenen, die unter den Coronamassnahmengegner:innen Verschwörungstheorien verbreiten.

An der Demo vom Samstag – es war die grösste antifaschistische Kundgebung der letzten Jahre – haben rund 4000 Menschen teilgenommen, von Jusos und feministischen Aktivist:innen über Klimabewegte bis zu anarchistischen, autonomen und kommunistischen Gruppen. Geplant war, eine Demonstration von Massnahmengegner:innen zu verhindern, die vom Hauptbahnhof aus hätte starten sollen.

Was Siegenthaler nicht verwundert: dass in den grossen Medien nach der Demonstration hauptsächlich Schlagzeilen zu Sachbeschädigung dominierten. Auch dass Links- und Rechtsradikale, getreu der sogenannten Hufeisentheorie, einander gleichgesetzt worden waren, habe sie nicht überrascht. «Ich glaube aber, es ist gar nicht so wichtig, wie die Ereignisse in manchen Medien wiedergegeben werden», sagt Jonathan Weibel* (31), der ebenfalls von Anfang an an der Vorbereitung der Gegendemonstration beteiligt war. «Es gelang uns, die geplante Demonstration weitgehend zu verhindern. Die Mobilisierung in dieser Form und in diesem Ausmass war die richtige Antwort auf die richtige Situation.»

Kein Erfolg für die Junge Tat

Ein kleiner Verein mit dem Namen «La Resistenza» hatte gemäss Vanessa Siegenthaler zu der massnahmenkritischen Demonstration aufgerufen. Prominentere Massnahmenkritiker:innen wie die Helvetia-Trychler oder jene von Massvoll beteiligten sich hingegen kaum oder gar nicht an der Mobilisierung. Erwartet worden waren im Vorfeld hingegen Mitglieder der rechtsextremen Jungen Tat, die die massnahmenkritische Demonstration vom 26. Dezember 2021 in Bern angeführt und damit für viel Aufsehen gesorgt hatten.

So kam es denn auch kurz nach 14 Uhr zu wüsten Szenen, als rund dreissig Mitglieder dieser Neonazigruppierung aus dem Zürcher Hauptbahnhof stürmten und einen Teil der Gegendemonstrant:innen beim Escher-Denkmal angriffen. Kurze Zeit später wurde allerdings, gemäss einer Twitter-Meldung der Stadtpolizei, ein Grossteil der rechtsextremen Gruppe im Niederdorf festgenommen. Was in Medienberichten als starkes Durchgreifen der Sicherheitskräfte ausgelegt wurde, deutet Siegenthaler anders – und beruft sich dabei auf Augenzeugenberichte und Bildmaterial. Die Angreifer hätten sich nach der aussichtslosen Konfrontation mit der Gegendemonstration ungehindert zurückziehen können, während Beamte in Kampfmontur die Antifaschist:innen bedrängt hätten. «Die Leute von der Jungen Tat wurden nur verhaftet, weil sie auch später noch aktiv die Konfrontation suchten – auch mit der Polizei.» Siegenthaler ist überzeugt: «Die Verhaftung seitens der Polizei diente letztlich vor allem dem Schutz der Rechtsextremist:innen.»

Die Stadtpolizei weist diese Vorwürfe zurück: Das Ziel sei gewesen, eine Konfrontation «von gegnerischen Gruppierungen» zu unterbinden. «Die Festnahme der 31 Personen aus dem rechtsextremen Lager erfolgte, nachdem die Gruppe durch ihre Gewaltbereitschaft aufgefallen und beim Hauptbahnhof in eine tätliche Auseinandersetzung verwickelt war.»

Aber wieso wurde nach der Verhaftung überhaupt weiterdemonstriert? War das Ziel denn nicht erfüllt, und waren die radikaleren Massnahmengegner:innen nicht weg von der Strasse? Siegenthaler entgegnet: «Es befanden sich mehrere Hundert nationalistische Massnahmenkritiker:innen sowie eine Vielzahl von organisierten Rechtsextremen und in der Szene bekannten Einzelpersonen in der Stadt. Ohne Gegenprotest wären Bilder wie in Bern auch in Zürich unvermeidlich gewesen.» Tatsächlich kam es auch nach den ersten Verhaftungen noch zu einer Demonstration von rund hundert Massnahmengegner:innen am Sihlquai. Diese wurden aber von der Polizei eingekesselt und kontrolliert. Ungefähr zur selben Zeit löste sich die antifaschistische Demonstration auf dem Helvetiaplatz auf.

«Antifa-Söldner» des Bundesrats

Jonathan Weibel betont, dass die riesige Mobilisierung vom vergangenen Samstag kein Zufall war: «Diese Masse und dieser Organisationsgrad sind das Ergebnis einer sehr kontinuierlichen und beschwerlichen Mobilisierungs- und Recherchearbeit.» Siegenthaler ergänzt: «Wir entnehmen internen Chats der Massnahmengegner:innen, dass dieser Tag eine demobilisierende Wirkung hatte; viele sagen, sie würden jetzt nicht mehr an die Demos kommen.»

In einschlägigen verschwörungstheoretischen Telegram-Kanälen wurde bereits am Samstagabend nach der Demo behauptet, die Gegendemonstrant:innen seien vom Bundesrat gekaufte «Antifa Söldner» und würden mit wahlweise der Polizei oder der Stadtregierung unter einer Decke stecken. Allen Absurditäten zum Trotz mahnt Weibel davor, zu früh Erfolge zu verbuchen: «Es ist davon auszugehen, dass gerade die radikaleren Kräfte die Geschehnisse dennoch in der einen oder anderen Form für ihre Propaganda werden ausschlachten können. Man muss weiterhin die Augen offen halten.»

* Name geändert.