Sklaverei: Die Schande des Bundesrats

Nr. 21 –

Schlicht ein Ausdruck zeitgenössischer Normen? Noch 2021 nahm die Schweizer Regierung den Bundesrat von 1864 in Schutz, der die Sklaverei verharmlost und sogar gerechtfertigt hatte. Eine Beweissammlung gegen solche Geschichtsverlorenheit.

Wir sind schockiert. Schockiert darüber, dass der Schweizer Bundesrat noch 1864 – wohl als letzte Regierung Europas – die Sklaverei verteidigte, verharmloste, rechtfertigte und unterstützte. Sklaverei sei, so der damalige Bundesrat, «eine Handlung, die kein Verbrechen involviert». Sklavenbesitz bei Schweizer Handwerkern in Brasilien sei «vortheilhaft und zweckmässig». Eigene Sklaven seien besser als gemietete, weil Letztere in der Regel «verdorbene Individuen» seien. Dass Schweizer Gutsbesitzer Sklaven besässen, sei in Brasilien «natürlich», ohne Sklaven könnten sie ihre Ländereien nicht bebauen. Die Sklaverei abzuschaffen hiesse, die Schweizer Sklavenhalter in Brasilien «um einen Theil ihres immerhin rechtmässig erworbenen Vermögens» zu bringen, und dies «widerstreitet unseren Begriffen von Moral und Gerechtigkeit». So weit der «Bericht des Bundesrathes an den h. Nationalrath betreffend Strafbestimmungen gegen Schweizer in Brasilien, welche Sklaven halten».

Die Uno-Konferenz von Durban (2001) sieht in Sklaverei und Sklav:innenhandel «furchtbare Tragödien in der Geschichte der Menschheit» sowie «Verbrechen gegen die Menschheit». Die Schweiz hat die Schlusserklärung mitunterzeichnet. Sklaverei und Sklav:innenhandel, die laut Bundesrat «zu den schlimmsten Menschenrechtsverletzungen» gehören, «bedauert» der heutige Bundesrat. «Bedauern» heisst aber laut Duden «unerfreulich, schade finden». Beteiligung an einem Menschheitsverbrechen nur schade zu finden, ist eine schwer erträgliche Verharmlosung.

Zu allen Zeiten

Noch schockierter sind wir darüber, dass der Bundesrat von 2018 in seiner Antwort auf die Interpellation der SP-Nationalrätin Claudia Friedl die Verteidigung der Sklaverei durch seine Vorgängerregierung damit entschuldigte, diese Verteidigung sei von den Normen geprägt gewesen, «die in den 1860er Jahren vorherrschten». Geradezu entsetzt sind wir über den Bundesrat von 2021. Er bekräftige in seiner Antwort auf die Interpellation der grünen Nationalrätin Franziska Ryser die Entschuldigung der Sklavereilegitimation nochmals, obwohl ihm in der Interpellationseinleitung die historische Unhaltbarkeit des Arguments von den «in den 1860er Jahren vorherrschenden Normen» aufgezeigt wurde.

Wir wiederholen: 1777 beendet die Kolonie Vermont als erster souveräner Staat der Welt die Sklaverei effektiv. 1792 erlässt das britische House of Commons das erste Gesetz zur Abschaffung des Sklav:innenhandels. Der französische Konvent schafft die Sklaverei 1794 ab. Die europäischen Staaten Österreich, Preussen, Russland, Grossbritannien, Frankreich, Spanien, Portugal und Schweden erklären 1815 am Wiener Kongress den Sklav:innenhandel «zu allen Zeiten von aufgeklärten und gerechten Menschen als den Prinzipien der Menschlichkeit und der universellen Moral zuwiderlaufend». Die Sklaverei wird von Haiti 1804 in einer Revolution, von Chile 1823, von Uruguay 1830, von Bolivien 1831, von Grossbritannien 1833, von der osmanischen Provinz Tunis 1846, von Frankreich und Dänemark 1848, von Neu-Grenada (Kolumbien, Panama, Teile von Costa Rica, Ecuador, Venezuela und Brasilien) 1851, von Argentinien 1853, von Venezuela 1854 und vom Fürstentum Moldau 1855 abgeschafft.

1860, vier Jahre vor der Verteidigung der Sklaverei durch den Bundesrat, heisst es im Wahlprogramm der Republikanischen Partei der USA: «Wir brandmarken die jüngste Wiederaufnahme des afrikanischen Sklavenhandels unter dem Deckmantel unserer Nationalflagge, unterstützt durch die Perversion der gerichtlichen Macht, als ein Verbrechen gegen die Menschheit und eine brennende Schande für unser Land und unsere Zeit.» 1862 folgt die «Emancipation Proclamation» von Präsident Lincoln, 1863 die Abschaffung der Sklaverei durch Holland und 1865 mit dem 13. Zusatzartikel zur Verfassung durch die USA.

Kritik im Nationalrat

1864 waren bezüglich Sklaverei die «vorherrschenden Normen» also nicht einmal mehr die Normen der Herrschenden der westlichen Welt, sondern nur noch die der sklav:innenhaltenden Eliten in den US-Südstaaten, in den portugiesischen Kolonien Angola und Moçambique sowie in Kuba und Brasilien. Zu diesen Eliten gehörten vom frühen 19. Jahrhundert bis 1874 auch Schweizer Bürger (in Bahia, Nova Friburgo, Petrópolis, Vale do Paraíba, Leopoldina, Rio de Janeiro, Cachoeira). Und Bürgerinnen: 1874 verkaufte die Witwe Flach aus Schaffhausen ihre brasilianische Plantage Helvécia, samt 150 Sklavinnen und Sklaven, die letzte Sklav:innenplantage in Schweizer Hand. Dies markiert vermutlich das Ende von mindestens 346 Jahren eigentlicher Schweizer Sklavereigeschichte, die mit der Unterzeichnung eines «asiento de negros» (Vertrag über Schwarze) durch den St. Galler Kaufmann Hieronymus Sailer 1528 begonnen hat.

Die späten 1860er Jahre waren auch für Brasilien die Zeit einer abolitionistischen Welle: Sklavereigegner:innen begannen, gegen die juristische Verankerung der Sklaverei zu agitieren, und reichten Forderungen an politische Institutionen ein, die existierenden Gesetze zur Emanzipation tatsächlich durchzusetzen. Sie hielten Reden, verurteilten öffentlich die Sklaverei, entwarfen Gesetzesprojekte und wandten sich in Petitionen an das nationale Parlament sowie an die Legislativen von Bundesstaaten. Sie gründeten abolitionistische Zeitungen und streuten Antisklavereipamphlete. Sie schufen abolitionistische Theater, hielten öffentliche Versammlungen in den Strassen und lancierten Initiativen zur Geldbeschaffung. Ihnen war die Aufhebung der Leibeigenschaft durch Russland  (1861) sowie die Abschaffung der Sklaverei durch die USA (1863/1865) Vorbild.

1865 hielt zudem der Schaffhauser Nationalrat Wilhelm Joos fest: «Es ist und bleibt richtig, dass das Kaufen und Verkaufen auch nur weniger Sklaven mit zum Sklavenhandel, mithin nach den jetzigen Begriffen zu den Verbrechen gegen die Menschheit zu rechnen ist.» Aber eigentlich würde es diese kritische historische Einordnung der Bundesratsposition von 1864 nicht einmal brauchen. Es gab nämlich eine Gruppe von Menschen, für die Sklaverei, Sklav:innenhandel und Kolonialrassismus noch nie durch die Normen einer Zeit zu rechtfertigen waren: die Opfer, die Versklavten selbst. Die weissen europäischen Nutzniesser:innen dieses Verbrechens brauchten jedoch mehrere Jahrhunderte (siehe Chronik der abolitionistischen Positionsbezüge vor 1864), um den verbrecherischen Charakter ihrer Einkommensquelle einzugestehen.

Für den Bundesrat aber scheint ein Verbrechen zu sein, was zu einer gegebenen Zeit und an einem gegebenen Ort offiziell für ein Verbrechen gehalten wird. Dieser moralische Relativismus widerspricht auch der Passage aus der Schlusserklärung von Durban: «Wir erkennen ferner an, dass Sklaverei und Sklavenhandel ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit sind und zu allen Zeiten als solches hätten gelten sollen.» Diese – zumindest moralische – Rückwirkung findet ihre Entsprechung schon in der Deklaration des Wiener Kongresses, der 1815 festhielt, dass «aufgeklärte und gerechte Menschen» den Sklav:innenhandel «zu allen Zeiten» als Verstoss gegen die Prinzipien der Menschlichkeit angesehen hätten.

Waffen-SS, wie wärs?

Zurück zur Gegenwart: 2021 adelt der Schweizer Bundesrat die Sklavereilegitimation von 1864 als gegründet in damals geltenden «Wertvorstellungen» – in heute zwar überholten, veralteten, aber eben doch in «Wertvorstellungen». Damit erfährt die Verteidigung der Sklaverei eine ethische Gleichbehandlung mit der Verteidigung der Menschenrechte: Unterschiedliche «Wertvorstellungen» lägen beiden zugrunde. Dies ist der ethisch und politisch gravierende Versuch, das Sklavereiverbrechen als eine Handlung darzustellen, die von «Wertvorstellungen» geleitet war. Das Gegenteil ist der Fall. Sklaverei und andere Verbrechen gegen die Menschheit wie die Kongogräuel, der Genozid an den Herero und Nama, die Shoah oder die Apartheid sind nur möglich, wenn die Orientierung an Werten aufhört und einer radikalen Wertnegierung Platz macht. Die Absurdität der Argumentation mit «Wertvorstellungen» würde deutlich, stellte man sich die Frage: Welche Werte stehen hinter Auschwitz oder hinter der radikalen Entrechtung versklavter Menschen auf einer Zuckerplantage in Saint-Domingue?

Ein Gedankenexperiment: Nehmen wir an, ein Schaffhauser Nationalrat hätte 1944 den Bundesrat gefragt, was er mit Schweizern zu tun gedenke, die in der Waffen-SS dienten. Der Bundesrat hätte geantwortet, der Dienst in der Waffen-SS sei «eine Handlung, die kein Verbrechen involviert». Für diese jungen Männer sei er eher «nützlich und zeitgemäss». Den Schweizern in der Waffen-SS durch Strafbestimmungen die Ehre und die Bürgerrechte zu nehmen, widerspreche «unseren Vorstellungen von Moral und Gerechtigkeit». Nehmen wir an, der heutige Bundesrat würde den Dienst von Schweizern in der Waffen-SS als «unerfreulich» bezeichnen und die Haltung des Bundesrats von 1944 damit entschuldigen, dass die Bundesbehörden damals «nach den Normen der 1940er Jahre» geurteilt hätten. Was würden wir heute dazu sagen?

Die bundesrätliche «Erklärung» (2018 und 2021) der Sklavereilegitimation von 1864 ist eine Schande für die Schweiz. Sie beschädigt das Ansehen unseres Landes weltweit, vor allem aber in den Ländern des Globalen Südens. Wir fordern den Bundesrat deshalb auf, endlich sein historisch-moralisches Weltbild bezüglich Sklaverei auf den aktuellen Stand der historischen Forschung und der unveränderlichen Menschenrechte zu bringen und sich von der Position zu distanzieren, die er in der Interpellationsantwort von 2021 eingenommen hat. Eine von der SP-Nationalrätin Samira Marti am 17. März 2022 eingereichte Interpellation gibt ihm Gelegenheit dazu.

Der Romanist Hans Barth aus Fribourg und der St. Galler Historiker und Aktivist Hans Fässler arbeiten seit der Kampagne «Démonter Louis Agassiz» im Jahr 2008 zusammen. Sie befassen sich mit Rassismus, Sklaverei, Menschenrechten und weiteren politischen Themen.

Chronik : Eine Geschichte der Sklavereikritik bis 1864

1511 war der auf Hispaniola lebende Dominikanermönch Antonio de Montesinos (ca. 1475–1540) der erste Europäer, der Versklavung (von Indigenen) kritisierte. In einer Predigt fragte er, nach welchem Recht die «Indianer» in solch «grausamer und schrecklicher Sklaverei» gehalten würden. Und: «Sind sie nicht Menschen?»

1527 begann Bartolomé de Las Casas (1484–1566, Bild) auf Hispaniola sein Werk Historia de las Indias, an dem er nach seiner Rückkehr nach Spanien weiterarbeitete und das er 1559 abschloss. Las Casas, der in frühen Werken zur Schonung der Indigenen die «Einfuhr» von afrikanischen Versklavten propagiert hatte, widerrief nun diese Position und wurde damit wohl zum ersten weissen Europäer überhaupt, der Sklaverei und den Handel mit afrikanischen Sklavinnen und Sklaven als Sünde und Verbrechen bezeichnete.

1555 klagte der portugiesische Verleger Fernão de Oliveira (1507–1581), ein Dominikaner, die Sklav:innenhändler an, sie «kauften und verkauften friedliche Menschen, wie man Tiere kauft und verkauft».

1576 lehnte der französische Staatstheoretiker Jean Bodin (1529–1596) in seinem Werk Six livres de la République die Sklaverei entschieden ab. Er stellte sich die Frage «Ist Sklaverei natürlich und nützlich, oder gegen die Natur?» und wandte sich gegen Aristoteles, dem Sklaverei als etwas Natürliches gegolten hatte.

1656 verurteilte der englische Küfer Thomas Venner (1600–1661) in seinem Traktat A Banner of Truth Displayed den Handel «mit Sklaven und mit den Seelen der Menschen».

1681 predigte der Kapuzinermönch Epifanio de Moirans (1644–1689) aus dem französischen Jura zusammen mit seinem spanischen Glaubensbruder Francisco José de Jaca (1645–1690) gegen Sklav:innenhandel und Sklaverei und verweigerte Sklav:innenhaltern die Absolution, weil Sklav:innenhandel und -besitz Sünden seien. Ihre Forderungen: Freilassung der Versklavten sowie Entschädigung für den Wert ihrer Arbeit.

1737 nannte der britische Quäker Benjamin Lay (1662–1759) in Philadelphia die Sklaverei «eine Praxis, so widerwärtig und verletzend für den Glauben, dass sie sich gar nicht in Worte fassen lässt».

1754 publizierte der Quäker Anthony Benezet (1713–1784) in Philadelphia An Epistle of Caution and Advice, Concerning the Buying and Keeping of Slaves. Darin fragte er: «Wie können wir, denen es aufgetragen ist, die frohe Botschaft der universellen Liebe und des Friedens unter den Menschen zu verbreiten, so widersprüchlich mit uns sein, dass wir solche erwerben, die Kriegsgefangene sind, und damit diese unchristliche Praxis ermuntern?»

1755 erschien posthum das Werk A System of Moral Philosophy des schottischen Aufklärers Francis Hutcheson (1694–1746). Im fünften Kapitel erklärte er, dass alle Menschen das Recht auf Leben und natürliche Freiheit besässen.

1765 sandte der Sklav:innenhalter George Mason (1725–1792) aus Virginia einen Aufsatz an George Washington, in dem er mit Blick auf Rom und als Warnung für das British Empire die Sklaverei die «Hauptursache der Zerstörung der blühendsten Regierung, die es je gab» nannte.

1769 publizierte der Jurist Granville Sharp (1735–1813) den ersten öffentlichen Angriff auf die Sklaverei in England: A Representation of the Injustice and Dangerous Tendency of Tolerating Slavery. Darin argumentierte er, Sklaverei sei «gegen die Gesetze der Natur», die allen Menschen Gleichheit garantierten.

1773 sprach sich der Arzt, Chemiker und Humanist Benjamin Rush (1746–1813) für die Abschaffung der Sklaverei aus. Er hielt diese nicht einfach für ungerecht, sondern für einen Verstoss gegen das Naturgesetz und eine Schande gegenüber Gott.

1773 wurde der Dichter Matthias Claudius (1740–1815) mit Der Schwarze in der Zuckerplantage zum ersten deutschen Lyriker, der die Sklaverei kritisierte. Ausserdem hielt Claudius fest: «Die Menschen tragen Ketten und sind Sklaven; aber sie sind nicht geboren, es zu sein, und haben die Hoffnung nicht verloren, wieder frei zu sein.»

1775 bezog der britische US-Gründervater Thomas Paine (1736–1809) in African Slavery in America zur Sklaverei Stellung: «Dass viele zivilisierte, ja christlich gesinnte Menschen diese grausame Praxis gutheissen und daran beteiligt sind, ist erstaunlich; und sie halten immer noch daran fest, obwohl durch eine Reihe von bedeutenden Männern und mehrere Veröffentlichungen in letzter Zeit bewiesen worden ist, dass sie so oft gegen das Licht der Natur, gegen jeden Grundsatz der Gerechtigkeit und Menschlichkeit und sogar gegen die gute Politikführung verstösst.»

1781 berichtete die NZZ mit statistischer Präzision über den Sklav:innenhandel, die Sklaverei und deren tödliche Folgen. Sie schloss: «Was muss nicht die eine Hälfte der Menschheit leiden, damit die andre in Wollust leben kann!»

1782–1784 gab der Neuenburger Verleger und Politiker Frédéric Samuel Ostervald (1713–1795) mit seiner Société typographique de Neuchâtel das grosse Werk von Abbé Guillaume-Thomas Raynal heraus: L’Histoire des deux Indes. Raynal hatte darin Sklav:innenhandel und Sklaverei verurteilt und einen grossen Aufstand der Versklavten vorausgesagt.

1783 sprach der Massachusetts General Court der Sklavin Belinda Sutton (geboren 1713 in Ghana, gestorben nach 1793 in Massachusetts) als Reparation für ihren Sklavinnenstatus eine jährliche Pension von 15 Pfund und 12 Schilling zu.

1786–1817 waren zahlreiche Schweizer in der Société des Amis des Noirs sowie im Groupe de Coppet aktiv, der vom Waadtländer Schloss aus agitierte und sich für die Abschaffung von Sklav:innenhandel und Sklaverei aussprach: Germaine de Staël, Auguste de Staël, Benjamin Constant, Victor de Broglie und Jean de Sismondi.

1787 wurde in Grossbritannien von Quäkern sowie Thomas Clarkson und Granville Sharp die Society for the Abolition of the Slave Trade gegründet, die eine Petition mit 100 000 Unterschriften an beide Häuser des Parlaments richtete. Die Vereinigung rief ausserdem zum ersten Verbraucher:innenstreik der Geschichte auf, dem sich fast eine halbe Million Engländer:innen anschlossen: Sie weigerten sich, durch Sklavenarbeit gewonnenen Zucker zu konsumieren.

1788 veröffentlichte Olympe de Gouges (1748–1793) ihre Réflexions sur les hommes nègres. Darin zeigte sie sich bezüglich der Versklavten überzeugt, «dass es Gewalt und Vorurteile waren, die sie zu dieser schrecklichen Sklaverei verurteilt hatten, dass die Natur keinen Anteil daran hatte und dass das ungerechte und mächtige Interesse der Weissen alles getan hatte».

1789 sprachen sich die Einwohner von Champagney, einer bäuerlichen Gemeinde im Département Haute-Saône, für die Abschaffung der Sklaverei aus.

1789 erklärte der Waadtländer Pfarrer Benjamin-Sigismond Frossard (1754–1830), Doktor der Jurisprudenz der Universität Oxford, in La Cause des esclaves nègres: «Es ist daher notwendig, dass die Schande, die mit dem Negerhandel verbunden ist, und die Barbarei, mit der er von den meisten amerikanischen Pflanzern behandelt wird, vor das Tribunal der öffentlichen Meinung gebracht wird.»

1789 richteten 768 Metallarbeiter aus Sheffield eine Petition ans Parlament in London, in der sie die Abschaffung des Sklav:innenhandels verlangten und damit argumentierten, dass die von ihnen hergestellten Metallwaren in Afrika gegen versklavte Menschen eingetauscht würden.

1794 prägte im Kontext der Französischen Revolution der Abgeordnete Jacques Alexis Thuriot (1753–1829) in der Debatte des Konvents über die Sklaverei in Saint-Domingue den Begriff «crime de lèse-humanité» (Verbrechen gegen die Menschlichkeit).

1796 erschien das Theaterstück Die Negersklaven des deutschen Dramatikers August Friedrich Ferdinand von Kotzebue (1761–1819). Darin stellte er das Leben auf einer jamaikanischen Sklavenplantage als Hölle auf Erden dar. Sein Publikum konfrontierte er mit Peitschen, Foltergeräten und physischer Gewalt.

1816–1819 bereiste der St. Galler Kaufmann Johann Ulrich Büchler (geboren ca. 1762) Nordamerika und Westindien und gab in seinem Buch Land- und Seereisen eines St. Gallischen Kantonsbürgers präzise Beschreibungen des Sklavereielends. Seine Reaktionen auf dieses waren unzweideutig: «Ich suchte aus diesem Lande zu kommen, da mir auch wegen der traurigen Behandlung der Neger-Sklaven alle Lust, da zu bleiben, vergieng und, wenn ich auch alle Reichthümer der Welt hätte haben können, nicht geblieben wäre. […] Ich dachte bey mir selbst, wie es auch möglich seyn könne, mit Menschen in der Welt so zu handeln, mit denselben einen so unbilligen Wucher treiben, wie wenn es Kühe oder Schweine wären.»

1819 drückte sich der Genfer Ökonom und Historiker Jean-Charles-Léonard Simonde de Sismondi (1773–1842) über die Sklaverei wie folgt aus: «Das Eigentum eines jeden Menschen an seiner eigenen Person und an den Früchten seiner Arbeit geht dem Gesetz vor.» Einen Sklaven zu besitzen, war für Sismondi kein Recht, sondern Diebstahl.

1823 gründete der britische Politiker William Wilberforce (1759–1833) zusammen mit weiteren Abolitionisten die Society for the Mitigation and Gradual Abolition of Slavery Throughout the British Dominions. Unter den Mitgliedern herrschte Einigkeit, dass die Sklaverei abgeschafft werden müsse.

1824 veröffentlichte die englische Lehrerin und Philanthropin Elizabeth Heyrick (1769–1831) ihr Pamphlet Immediate, not Gradual Abolition. Darin sprach sie sich leidenschaftlich für die sofortige Freilassung der Versklavten in den britischen Kolonien aus.

1827 schrieb der Schweizer Zoologe Heinrich Rudolf Schinz (1777–1861) über den «die civilisirte Menschheit schändenden Sclavenhandel». Er war der Meinung, es sei schändlich, den Mitmenschen «zum Thiere herabzuwürdigen, weil er schwarz ist». Er fuhr fort: «Der Neger ist Mensch wie der Europäer, er ist unser Bruder.»

1827 äusserte sich der St. Galler Theologe Johann Jakob Bernet (1800–1851, Bild) über den Sklav:innenhandel und nannte ihn «ein bluttriefendes Zerrbild», eine «Infamie» und ein Produkt der «Habgier».

1829 hielt der St. Galler Pfarrer Peter Scheitlin (1779–1848) zu den «Negern» fest, dass «sie in den Anlagen den übrigen Rassen nicht im mindesten nachstehen». Er betonte, es gebe unter ihnen «treffliche Rechner, Dichter, gute Mechaniker […], hochgeschätzte Prediger, Professoren in europäischen Landen».

1832 verfasste der brasilianische Mineraloge, Staatsmann und Dichter José Bonifácio de Andrada e Silva (1763–1838) einen Vorschlag, wie der Sklav:innen- handel zu beenden sei und man die Versklavten in die Freiheit entlassen könne. Sklaverei sei eine unmoralische Institution, und kein menschliches Wesen sollte in Ketten sein.

1833 wurde von achtzehn Frauen, darunter die Feministin und Abolitionistin Mary Ann McClintock (1800–1884), die Philadelphia Female Anti-Slavery Society gegründet. Deren berühmtestes Mitglied war die Quäkerin und Feministin Lucretia Mott (1793–1880). Sieben der achtzehn Erstunterzeichnerinnen waren Schwarz.

1837 hielt der deutsche Anatom und Physiologe Friedrich Tiedemann (1781–1861) fest: «Der Neger-Sklaven-Handel bleibt ein unauslöschlicher Schandfleck in der Geschichte der europäischen Völker.»

1840 organisierte der englische Quäker Joseph Sturge (1793– 1859) in London die erste Zusammenkunft der World Anti-Slavery Convention. Dabei waren 493 (nur männliche) Delegierte aus zehn Ländern (GB, USA, Irland, Jamaika, Frankreich, Barbados, Kanada, Haiti, Guyana, Südafrika).

1844 schrieb der britische Arzt und Naturforscher William Benjamin Carpenter (1813–1885), dass Weisse und Schwarze keine unterschiedliche Spezies sein könnten, weil es «keine definitiven und bleibenden anatomischen oder physiologischen Unterschiede» zwischen ihnen gebe.

1848 erklärte Victor Schœlcher (1804–1893, Bild), französischer Sklavereigegner und Abgeordneter der Nationalversammlung für Martinique, durch die Abschaffung der Sklaverei habe die provisorische Regierung einem Verbrechen gegen die Menschheit («un crime de lèse-humanité») abgeholfen.

1850 sagte der US-amerikanische Theologe und Schriftsteller Theodore Parker (1810–1860) in einer Predigt: «Ein Mensch, der mich angreift, um mich zu versklaven, der hat im Moment seines Angriffs sein Recht auf Leben verwirkt. Und wenn ich der flüchtige Sklave wäre und keine andere Möglichkeit der Flucht hätte, würde ich ihn töten.»

1851 schrieb der französische Schriftsteller und Politiker Victor Hugo (1802–1885) in einem Brief über die Sklaverei in den USA: «Kann es einen monströseren Widerspruch geben?» 1867 doppelte er nach: «Die Sklaverei ist die Wunde in der Seite der Menschheit.»

1852 erschien der Roman Uncle Tom’s Cabin von Harriet Beecher Stowe (1811–1896). Die darin und im gleichnamigen Theaterstück ausgedrückte Kritik an der Sklaverei erreichte ein Millionenpublikum. Präsident Lincoln soll zu Beecher Stowe gesagt haben: «Sie sind also die kleine Frau, deren Buch diesen grossen Krieg verursacht hat!»

1854 publizierte Henry David Thoreau (1817–1862) den Aufsatz Slavery in Massachusetts, in dem er die Sklaverei einer beissenden Kritik unterzog. Thoreau war 1846 ins Gefängnis gegangen, weil er aus Protest gegen die US-Sklaverei seine Steuern nicht gezahlt hatte.

1857/58 entwickelte der radikale Abolitionist John Brown (1800–1859) Pläne zur Befreiung aller Versklavten in den USA. Er sprach von seiner Vision, dass Gott ihn dazu bringen würde, «die Sklaven zu befreien, wie Moses die Kinder Israels befreit hat».

1858 veröffentlichte Pfarrer V. Béchet aus der Waadt den Aufruf L’Affranchissement des esclaves aux États-Unis d’Amérique. Darin nannte er die Sklaverei eine «unmenschliche und gottlose Institution» und drückte sich ferner so aus: «Richter und Gerichte in Amerika fällen Urteile, die die krasseste und dreisteste Verneinung des göttlichen Wortes sind: ‹Und Gott hat aus einem Menschen das ganze Menschengeschlecht gemacht, damit sie auf dem ganzen Erdboden wohnen.› (Apostelgeschichte 17, 26).»

1861 wurde Rechtsanwalt Hermann Lieb (1826–1908) aus Ermatingen TG zu einem Abolitionisten der Tat. Der in die USA Ausgewanderte trat den Unionstruppen bei und stieg im Sezessionskrieg innert Kürze vom Soldaten zum Oberst auf. 1863 kommandierte er in der wichtigen Schlacht von Milliken’s Bend das 9th Louisiana Regiment of African Descent, eine aus entflohenen oder befreiten Sklaven zusammengesetzte Einheit.

In den frühen 1860er Jahren war in der Schweiz die «Adressen-Bewegung» aktiv, die sich als Reaktion auf den Amerikanischen Bürgerkrieg in grossen Versammlungen und feierlichen Sympathieerklärungen für die Abschaffung der Sklaverei aussprach.

1863 erklärte der Schweizer Jurist Johann Caspar Bluntschli (1808–1881): «Der Mensch ist von Natur Person, daher kann er nicht Sache, d. h. nicht Sklave sein.» Die Sklaverei in Nordamerika, so Bluntschli, sei ein «Frevel am Geiste der Humanität» und verletze «die göttliche und menschliche Ordnung aufs tiefste».

1863 unterzog der Schweizer Henri Dunant (1828–1910) in seinem Aufsatz L’Esclavage chez les musulmans et aux États-Unis d’Amérique die Sklaverei in den Südstaaten einer beissenden Kritik und kontrastierte sie mit der Abschaffung der Sklaverei durch Ahmad I. al-Husain, den Bey von Tunis.