Exzellenzstipendien: Geschenke für reiche Studenten

Nr. 22 –

Die Universität Zürich vergibt neu hoch dotierte Stipendien an Student:innen, die sie als exzellent einschätzt. Recherchen der WOZ zeigen nun, wer das Geld erhält: Es sind vor allem Männer ohne finanzielle Sorgen.

Die Universität Zürich hat, wie es sich gehört, einen «Verhaltenskodex Gender Policy» aufgestellt. Darin betont die mit 25 000 Student:innen grösste Universität der Schweiz, wie wichtig ihr die Chancengleichheit zwischen Männern und Frauen sei. Ein Satz lautet: «Der gezielten Förderung des weiblichen akademischen Nachwuchses wird besondere Beachtung geschenkt.» Ein wichtiger Vorsatz – aber kommt ihm die Uni auch nach?

Anfang Jahr hatte die Universität Zürich (UZH) ein neues Förderprogramm ausgerufen. Zwanzig Bachelorabsolvent:innen, die «ausgezeichnete Leistungen» erzielt haben, sollen pro Semester im Masterstudium 10 000 Franken erhalten. Eine konkrete Gegenleistung erwartet die Uni nicht. Die ersten zehn Gewinner:innen hat die UZH nun ausgewählt, öffentlich bekannt geben wird sie die Kür in Kürze. Doch die Details dazu liegen der WOZ bereits vor. Gewonnen haben: sieben Männer und drei Frauen. Gezielte Förderung des akademischen weiblichen Nachwuchses? Fehlanzeige.

Wenige Bewerberinnen

Der Universität ist zumindest unmittelbar kein Vorwurf zu machen. Denn die Gewinner:innen wurden per Losverfahren ermittelt. Tatsächlich entspricht die Geschlechterverteilung jener der eingegangenen Bewerbungen. Von den 38 zugelassenen Bewerbungsdossiers kamen nur 13 von Frauen. Von der tiermedizinischen Fakultät bewarb sich gar keine Frau – obwohl Frauen dort 83 Prozent aller Studierenden stellen. Auch angehende Ökonominnen wollten vom Exzellenzstipendium nichts wissen. Bewerbungsquote: null Prozent. «Ein wichtiger Grund für den geringeren Anteil an Stipendiatinnen liegt in der Zurückhaltung der Frauen, sich zu bewerben», hält die UZH auf Anfrage fest.

Doch worauf ist das fehlende Interesse der Frauen zurückzuführen? Bei der Uni hat man keine Antwort darauf. Eine könnte man bei den Zulassungsbedingungen für das Stipendium finden: Teilnahmeberechtigt waren die zehn Prozent besten Student:innen. Bei den Wirtschaftswissenschaften bedeutet das einen Notendurchschnitt von 5,4, in der Veterinärmedizin reicht eine 5. Wie hoch der Frauenanteil bei den Notenbesten jeder Fakultät ist, kann die UZH nicht beantworten. Dem Vernehmen nach soll er teilweise ähnlich tief sein wie bei den Stipendiaten. Das würde auf ein tiefer liegendes strukturelles Problem der Universität Zürich hindeuten: Warum erhalten Männer bessere Noten?

Karriere im Fokus

Sascha Deboni, Studierendenvertreter in der Begleitgruppe des Exzellenzstipendiums, glaubt, die Ausgestaltung des Stipendiums sei wesentlicher Teil des Problems. «Schon das Wording ist nicht gut. Der Begriff ‹Exzellenz› spricht nur Leute an, die karriereorientiert sind. Das scheinen vor allem Männer zu sein.» Dass sich je Fakultät nur die besten zehn Prozent bewerben könnten, schliesse Studierende aus, deren «Exzellenz» sich nicht nur in Noten ausdrücke. Deboni empfiehlt eine Lockerung der Zulassungsbedingungen auf zwanzig bis dreissig Prozent der Jahrgangsbesten und eine Namensänderung in «Förderstipendium».

Doch die Universität Zürich tut mit ihrem neusten Programm nur, was die ETH oder die HSG in St. Gallen schon lange tun: Sie buhlt um die besten Masterstudent:innen. Ob Geld bei der Wahl der Universität wirklich einen Anreiz darstellt, ist allerdings zweifelhaft. Eine Auswertung der Bewerbungsdossiers für das UZH-Stipendium zeigt, dass nur die wenigsten das Geld wirklich nötig haben. Nur 5 der 38 Bewerber:innen machten geltend, sie könnten sich ihr Studium nur dank eines Nebenjobs leisten. Und gar nur 2 gaben an, das Stipendium ermögliche es ihnen, sich aufs Studium zu konzentrieren und weniger zu arbeiten. Ein Bewerber gibt an, mit dem Geld könne er endlich vom Elternhaus an der Goldküste in die Stadt umziehen und erspare sich so das Pendeln. Die überwiegende Zahl der Kandidat:innen hat entweder gar keine festen Nebenjobs oder nur solche, die nicht über ein Minipensum an der Uni selber hinausgehen.

Soziale Ebene irrelevant

Für die UZH ist die soziale Ebene irrelevant. Geschichtsstudent Sascha Deboni sagt, er habe in der Begleitgruppe vergeblich versucht, die Zulassungskriterien um die Frage nach dem finanziellen Bedarf zu erweitern. Die UZH verweist auf die «sozialen Stipendien», die die Uni an bedürftige Student:innen vergibt.

Jedoch würde das Exzellenzstipendium den richtigen Anlass bieten, um über den Zusammenhang von sozialer Herkunft und guten Noten nachzudenken. Wer nicht arbeiten muss, um Lebensunterhalt und Studium zu bestreiten, hat mehr Zeit zum Lernen. Wer dagegen nicht unterstützt wird, steht unter Druck, das eigene Pensum mit Studium und Arbeit von Semester zu Semester zu überladen.

Die Universität Zürich zeigt sich immerhin dafür offen, das Verfahren für die Exzellenzstipendien zu überdenken. Man hole gerade Feedback ein, dann gebe es eine Diskussion, wie «der Prozess für die kommenden Runden angepasst werden wird». Für Deboni und die linke Student:innenorganisation Kritische Politik (kriPo) würde die beste Anpassung in der Abschaffung der Exzellenzstipendien liegen: «Einige wenige, die es gar nicht nötig haben, erhalten sehr viel Geld, das finanziell Schwachen zugutekommen könnte.»