Durch den Monat mit Lilian Fankhauser (Teil 1): Warum gibt es so wenige Professorinnen?

Nr. 10 –

Lilian Fankhauser wird neue Gleichstellungsbeauftragte der Universität Bern. Sie interessiert sich nicht nur für die Situation der Professorinnen, sondern auch für Sekretärinnen und Putzfrauen.

Lilian Fankhauser: «Es ändert schon etwas, wenn eine Gleichstellungsbeauftragte bei einem Bewerbungsgespräch anwesend ist. Sie muss nicht einmal etwas sagen.»

WOZ: Lilian Fankhauser, Sie übernehmen in diesen Tagen die Leitung der Abteilung für Gleichstellung der Universität Bern …
Lilian Fankhauser: Ja, ich freue mich sehr! Einige meiner Bekannten hatten zwar Bedenken: Ich werde mit vielen Leuten zu tun haben, die längst genug vom Thema Gleichstellung haben. Ich denke auch, dass die Uni eine ziemlich traditionelle Institution ist. Man hat die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zwar thematisiert, aber ohne die Männer einzubeziehen. Es gab Workshops zur «Work-Life-Balance», aber nur für Frauen … Ich freue mich darauf, das anders anzugehen.

Was werden Ihre Schwerpunkte sein?
Die Uni Bern hat einen neuen Aktionsplan für Gleichstellung. Hauptziel ist, dass mehr Frauen Professorinnen werden. Heute liegt der Anteil in Bern nur gerade bei siebzehn Prozent! Ich werde als Gleichstellungsbeauftragte auch an Vorstellungsgesprächen teilnehmen. Ich habe zwar kein Mitbestimmungsrecht, aber die Erfahrungen meiner Vorgängerinnen zeigen, dass es schon etwas ändert, wenn eine Gleichstellungsbeauftragte einfach anwesend ist. Sie muss nicht einmal etwas sagen … Das Gleichstellungsreglement der Uni sieht vor, dass sich die Fakultäten für eine Frau entscheiden sollten, wenn sich mehrere Personen mit gleicher Qualifikation bewerben. Das löst natürlich Ängste aus.

Wird darüber offen gesprochen?
Zum Teil. Männer, die glauben, sie seien zu kurz gekommen, reden schon darüber. Natürlich ist es nicht lustig, wenn man bei einem Wettbewerb den Kürzeren zieht. Darüber soll man auch reden können. Wir möchten die Gesprächskultur fördern.

Warum gibt es so wenige Professorinnen?
Die Unikarriere ist bis heute stark auf die männliche Biografie ausgerichtet. Wer wirklich erfolgreich sein will, muss es volle Pulle durchziehen: Gymnasium, studieren, doktorieren. Keine Zwischenjahre, keine Nebenjobs, keine Babypausen. Und wer dann endlich einen Lehrstuhl hat, arbeitet oft 150 Prozent.

Aber es ist doch ein toller Job!
Ja, aber der Preis ist hoch. Du musst an Konferenzen teilnehmen, forschen, publizieren, lehren, führen, organisieren: Es braucht sehr viele verschiedene Kompetenzen, und die bringen nicht alle mit. Ich kenne auch viele Frauen, die gar keine Lust haben, sich dermassen abzukämpfen. Aber wenn es die Möglichkeit gäbe, eine Professur zu teilen, wäre das sicher anders.

Können Sie da etwas ändern?
Ich kann es schon zu fördern versuchen, aber die Leute, die sich für einen Lehrstuhl bewerben, müssen es auch einfordern. Und die Unileitung müsste diese Ideen den Fakultäten präsentieren und neue Arbeitsmodelle vorstellen. Die Institute sind hierarchisch organisiert, darum ist für mich klar: Es muss auch von oben kommen. Ganz oben müssen diese Ideen reifen. Aber ich glaube, die Situation hat sich eher verhärtet, die Karriere ist heute noch stärker auf die Männerbiografie ausgerichtet, weil alles immer schneller gehen muss. Wer mit 35 nicht bereit ist für eine Professur, kommt kaum mehr rein. Aber Professuren sind auch nicht das Einzige, was zählt. Es gibt auch sehr spannende Jobs zum Beispiel als Assistentin oder Assistent.

Aber auch dort kommen über Dreissigjährige kaum noch rein.
Ja, es sind viele sehr junge Leute, und es sind oft ausbeuterische Verhältnisse. Assistenz heisst ja, dass du einen Teil der Zeit für deine Forschung zur Verfügung haben solltest, dafür aber weniger verdienst. Eigentlich müsstest du ein Drittel der Zeit an deiner eigenen Forschung arbeiten können. Das ist bei den meisten völlig unrealistisch.

Was ist denn mit der Gleichstellung der Studentinnen und Studenten?
Dort läuft ganz wenig. Ich möchte das gerne stärker thematisieren: Warum entscheiden sich welche Menschen für welche Studiengänge? Und was bedeutet das in Bezug auf die Machtverhältnisse? Es gibt Studiengänge wie die Veterinärmedizin, da haben wir inzwischen 85 Prozent Frauen. Warum kommen die Männer da nicht mehr?

Aber ich möchte als Gleichstellungsbeauftragte auch schauen, wie es den Leuten in der Administration geht: Wie sind dort die Geschlechterverhältnisse und Rollenverteilungen? Und wer putzt die Uni zu welchen Bedingungen? Das ist kein Schwerpunkt meines Jobs. Aber ich werde versuchen, dafür Projektgelder aufzutreiben. Ich möchte die ganze Uni ansprechen und nicht nur die Elite.

Am Sonntag wäre der Familienartikel angenommen worden – wenn das Ständemehr nicht gewesen wäre. Was sagen Sie dazu?
Das Quotenland Schweiz hat entschieden – schon interessant, dass diese Ständequote, die bei der Vorlage ausschlaggebend war, unbestritten ist. Aber Quoten zugunsten von Frauen werden immer mit dem Argument abgeschmettert, dass Quoten in der Schweiz einfach nicht durchsetzbar seien. Schade, ist der Familienartikel nicht durchgekommen – das zeigt doch, dass Gleichstellungsarbeit nach wie vor wichtig ist. Ist ja schon fast motivierend für meine neue Stelle.

Lilian Fankhauser (43) ist neue Gleichstellungsbeauftragte der Universität Bern. Die Germanistin war bisher wissenschaftliche Mitarbeiterin am Interdisziplinären Zentrum für Geschlechterforschung in Bern. Sie lebt in Diemerswil bei Bern und hat drei Töchter.