Rohstoffe: Glencore unter Druck

Nr. 22 –

Der im Kanton Zug domizilierte Rohstoffmulti Glencore muss wegen Korruption in den USA eine Milliardenbusse bezahlen. Der grösste Imageschaden droht dem Unternehmen aber wegen der Förderung von Putins Kriegsmaschinerie.

Naturzerstörung und Lohndrückerei: Die Glencore gehörende Volcan-Mine bei Cerro de Pasco, Peru. Foto: Jonathan Chancasana, Alamy

Vor ein paar Jahren hat der Zuger Nationalrat Gerhard Pfister festgestellt, dass das «Erfolgsmodell Zug» einen Preis hat: «Wir werden immer die bad guys sein.» Das Beispiel, das er im Jahr 2013 vor dem Lions Club Zug-Kolin brachte, war ein «Öltanker», der irgendwo «in der Welt absäuft und dessen Firma Sitz in Zug hat». Die grösste Zuger Firma, Glencore, bestätigt Pfisters Aussage auf eindrückliche Art und Weise: Letztes Jahr konnte sie ihren Gewinn auf 14,5 Milliarden Dollar verdreifachen, dank Putins Krieg kann sie die Preise für ihre Rohstoffe noch mehr erhöhen. Gleichzeitig ist ihr Ruf schlechter denn je.

Wie letzte Woche bekannt wurde, muss Glencore wegen ihrer Korruption in Afrika in den USA eine Busse von 1,1 Milliarden Dollar bezahlen. Noch diesen Monat dürfte eine weitere Busse in Grossbritannien verhängt werden. Sogar die Schweizer Bundesanwaltschaft hat vor zwei Jahren eine Untersuchung im Zusammenhang mit möglichen Schmiergeldzahlungen im Kongo eröffnet. Die Beteuerung der Firma, Glencore sei «heute nicht mehr das Unternehmen, das es war, als die inakzeptablen Praktiken hinter diesem Fehlverhalten auftraten», wirkt nicht gerade überzeugend. Als 1994 der schwer angeschlagene Name Marc Rich + Co AG durch Glencore ersetzt wurde, hatte es ähnlich getönt. Das Einzige, was kaum mehr passieren dürfte, ist die Auszahlung von Bestechungsgeldern über einen Bargeldschalter in der Baarer Zentrale selber.

Am 21. Mai gingen die Wahlen in Australien, wo das Unternehmen auch «König Kohle» spielte, mit dem Sieg von Labor unerfreulich aus. Da zwei der Hauptthemen die Kohle und das Klima waren, ist das über den kleinsten Kontinent hinaus ein schlechtes Omen für das Dealen mit der Kohle. Nicht was das Geschäft, aber was das Renommee betrifft. Das musste die Firma auch in der Schweiz erleben, wo Glencore Passagier:innen des öffentlichen Verkehrs mit dem Selbstlob begrüsst hatte: «Sie helfen Emissionen zu reduzieren. Wir auch.» Die Plakate machten erst recht auf die frühere Funktion des neuen Glencore-Bosses Gary Nagle aufmerksam: Kohlechef bei Glencore. Auch sein Vorgänger Ivan Glasenberg ist dank seiner Fähigkeit, südafrikanische Kohle trotz Boykott zu vermarkten, von Marc Rich 1990 nach Zug geholt worden.

In heftigen Arbeitskampf verwickelt

In Lateinamerika gibt es in mehreren Ländern ökologische, soziale und kulturelle Konflikte mit Glencore. So leitete der Konzern in seinem riesigen Kohlengebiet Cerrejón einen Fluss um. Die Betroffenen gingen dagegen bis vor das Verfassungsgericht, das ihnen recht gab. Statt den Fluss zurückzuleiten, hat der Rohstoffgigant den Staat Kolumbien verklagt. Dessen Entscheid verletze das Investitionsschutzabkommen zwischen der Schweiz und Kolumbien. Darüber befindet ein privates Schiedsgericht, das nicht aus Richter:innen, sondern aus gut bezahlten Anwält:innen besteht. 2019 musste Kolumbien in einem anderen Fall 19 Millionen US-Dollar an den Rohstoffmulti bezahlen.

In der im peruanischen Hochland gelegenen Silber-, Zink-, Kupfer- und Kobaltmine Volcan, die Glencore gehört, gibt es einen heftigen Arbeitskampf. Die Bergarbeiter kämpfen gegen Lohndrückerei, für die Einhaltung des Gesamtarbeitsvertrags und die gewerkschaftliche Organisierung der Leiharbeiter. Sowohl in Kolumbien als auch in den Anden steht Glencore in Konflikt mit Indigenen.

Glencores Russlandgeschäfte

Der grösste Imageschaden aber droht Glencore wegen seiner Rolle bei der Aufrüstung Wladimir Putins und bei der Fütterung von dessen Krieg. Die starke Präsenz der Marc Rich + Co AG in der Sowjetunion erlaubte es dem Multi, von deren Zerfall besonders zu profitieren. Der Zuger Konzern wurde in den frühen neunziger Jahren zum mächtigsten Rohstoffhändler in Russland. Glencore, dessen erster Boss Willy Strothotte den Spitznamen «Eastman» trug, stützte sich stark auf die neue Schicht der Oligarchen. Besonders eng war und ist die Zusammenarbeit mit Oligarchen im Aluminiumbereich wie Viktor Vekselberg. Glencore ist mit elf Prozent an der russischen En+-Gruppe beteiligt; diese kontrolliert den weltweit zweitgrössten Aluminiumhersteller Rusal. Weiter besitzt Glencore Teile des grössten russischen Minenkonzerns Norilsk Nickel, der dem moskautreuen Oligarchen Wladimir Potanin gehört. Dessen Tochterfirma Metal Trade Overseas befindet sich seit 2002 im Zuger Neustadtcenter. Als die Zuger Alternativen am 3. März den Putin-Rohstoff-Rundgang durchführten, wurden die Angestellten des Putin-Freundes frühzeitig nach Hause geschickt.

Das brisanteste Geschäft, das Glencore für Putin tätigte, war die Beschaffung von elf Milliarden Dollar zum Kauf von Aktien der staatlichen Ölgesellschaft Rosneft Ende 2016. Es war Ivan Glasenberg gelungen, den Staatsfonds von Katar und eine italienische Bank dafür zu gewinnen. Putin brauchte das Geld dringend für die Rettung der Staatskasse. Die NZZ schrieb im Dezember 2016 unter dem Titel «Der Überraschungscoup von Glencore»: «Die Transaktion war nur möglich, weil der gebürtige Südafrikaner Glasenberg seit Jahren enge Bande zu den Machthabern in Russland unterhält.» Putin bedankte sich im April 2017 bei Glencore, indem er Glasenberg den Freundschaftspreis der Russischen Föderation verlieh.

Festhalten an Rosneft

Wie hoch der Anteil von Glencore bei der Alimentierung von Putins Kriegskasse über all die Jahre ist, lässt sich schwer berechnen. Aber er dürfte noch grösser sein als die Geldsummen, die Putin aus den staatsnahen Zuger Gesellschaften wie Gazprom, Nord Stream, Sber Trading Swiss AG oder VTB Capital Trading bezog. Da der Handel mit russischen Rohstoffen weitergeht, trägt Glencore zur täglichen Fütterung von Putins Kriegsmaschine bei. Gemäss den Berechnungen von Public Eye auf Basis der automatisierten Schiffsverfolgung von Greenpeace verliessen in den ersten vier Kriegswochen 326 Tanker russische Häfen. Darunter waren auch von Glencore gecharterte Tanker, die mit russischem Gasöl, Diesel oder Naphtha beladen waren. Nachdem Glencore im März angekündigt hatte, seine Beteiligungen an En+ und Rosneft zu überprüfen, gab es im April bekannt, an diesen festzuhalten.

Übrigens wurde Putin vor zwanzig Jahren im gleichen Casinosaal, in dem Glencore seine Generalversammlungen abzuhalten pflegt, in Abwesenheit mit einem Friedenpreis geehrt. Verliehen wurde er von einer dubiosen Nuklearfirma, die einem mit dem Staatspräsidenten verbundenen Geschäftsmann gehörte. Einen Monat nach der Zuger Putin-Gala vom 12. Oktober 2002 brach an der galizischen Küste ein Tanker auseinander, was zu einer verheerenden Ölpest führte. Er war von einer Zuger Firma gechartert worden, die der russischen Alfa-Gruppe gehörte. Der Name des Schrotttankers lautete «Prestige», der Ort, wo er absoff, Finisterra.

Altnationalrat und Historiker Josef Lang verfolgt seit den siebziger Jahren die Entwicklung der Zuger Rohstoffkonzerne.