Zum Tod des Rohstoffhändlers: Marc Rich verlängerte die Apartheid
Der grünalternative Aktivist und Politiker Jo Lang legte sich während fast vier Jahrzehnten mit dem letzte Woche verstorbenen Rohstoffhändler Marc Rich an. Ein Nachruf.
Seit den siebziger Jahren verfolgte die alternative Zuger Linke die Geschäftstätigkeiten des Rohstoffhändlers Marc Rich. Am schwerwiegendsten waren seine Erdöllieferungen für das rassistische Südafrika. Öl und Kapital waren die Güter, die das Apartheidregime am dringendsten brauchte. Ohne deren Zufluss wäre es spätestens Mitte der achtziger Jahre zusammengebrochen.
Entscheidend verlängert wurde die Dauer der Apartheid durch vier Schweizer Multis: die drei Grossbanken SBG, SBV und SKA sowie das Marc-Rich-Imperium. Selbst der offizielle Rich-Biograf Daniel Ammann schreibt im Zusammenhang mit dem 1986 durch die USA verfügten Ölboykott gegen Südafrika: «Zum Retter in der Not wurde Marc Rich – natürlich gegen einen schönen Aufpreis.»
Daniel Ammann zitiert ein damaliges Kadermitglied: «Wir machten mit Südafrika einen Profit von gut zwei Milliarden Dollar.» Marc Rich selbst bestätigte, dass das Geschäft mit dem Rassistenstaat sein «wichtigstes und profitabelstes» gewesen sei. Rich war zwar nicht der einzige Ölboykottbrecher, aber er war laut den Detektiven des holländischen Shipping Research Bureau, das die Schiffstransporte nach Südafrika überwachte, der weitaus wichtigste.
«Minoil AG in Liquidation»
Noch bedeutender als die Rettungsaktion nach 1986 war die nach dem Sturz des Schahs von Persien im Jahr 1979. Nachdem die arabischen Erdölstaaten 1973 den Boykott des Apartheidregimes beschlossen hatten und nachdem die Uno-Generalversammlung 1977 zu einem allgemeinen Ölembargo aufgerufen hatte, deckte Südafrika neunzig Prozent seines Ölbedarfs im Iran. Als sich nach der Revolution auch dieser dem Boykott anschloss, sprang Marc Rich in die Bresche. Dafür gründete er die Minoil AG, mit der er und sein Konzern aber offiziell nichts zu tun hatten.
Von der seit 1983 an der Zuger Neugasse 10 wirkenden Firma wussten wir zwar, dass sie praktisch ausschliesslich mit Südafrika geschäftete, aber nicht, dass sie zum Marc-Rich-Imperium gehörte. Kurz vor einer Zuger Anti-Apartheid-Demonstration im Sommer 1985 kamen über die WOZ die wahren Besitzverhältnisse ans Licht. Am 7. September war die Minoil eine der prominentesten von vierzehn Stationen des «Apartheid-Parcours» zwischen Zuger Bahnhof und Landsgemeindeplatz. Zwei Monate später war im Zuger Handelsregister zu lesen: «Minoil AG in Liquidation.» Die Gesellschaft, die während Jahren dem Apartheidstaat geholfen hatte, das iranische Loch zu stopfen, hat die Enthüllung nicht überlebt.
Glasenbergs Aufstieg
Wie gross der öffentliche Druck war, unter dem die Boykottbrecher damals standen, bestätigt die damalige Kehrtwende von Phibro-Salomon. Der seit 1956 in Zug ansässige Rohstoffkonzern beschloss Mitte August 1985, aus «Protest gegen die Rassentrennung» sein Büro in Südafrika zu schliessen, dem Apartheidregime kein Rohöl mehr zu liefern und den Ankauf aller Rohstoffe zu verweigern, die aus Südafrika stammten. Damit grenzte sich die «Phibro», von der sich Marc Rich im Jahr 1974 getrennt hatte, ausdrücklich von dessen Apartheidkollaboration ab.
Zu den von Phibro erwähnten Rohstoffen gehört die Kohle. Mit dem Export von Apartheidkohle ist der heutige Glencore-Boss Ivan Glasenberg gross geworden. Der Johannesburger hatte 1984 von Marc Rich den Auftrag erhalten, das boykottierte Produkt global zu vermarkten. Dass Glasenberg das trotz aller politischen Widrigkeiten schaffte, prädestinierte ihn für Höheres. 1989 wurde er Chef des Kohlegeschäfts in der Zuger Konzernzentrale. Fünf Jahre später, just nach dem Ende der Apartheid, entstand aus der Trading-Abteilung der Rich-Holding die Glencore.
In seiner Rich-Biografie beklagt sich Daniel Ammann über die «Doppelmoral» vieler Erdölländer, die «sich als erklärte Gegner der Apartheid gaben und behaupteten, Südafrika strikt zu boykottieren», aber dessen «harte Währung» sehr gern annahmen. Auch in Zug wussten wir, dass Marc Rich Erdöl aus der Sowjetunion oder aus Nigeria mit dem Mitwissen dieser scheinbar progressiven Staaten nach Südafrika lieferte.
Zugedient und mitverdient
Kurz vor dem einzigen öffentlichen Auftritt Marc Richs im Zuger Casino im Jahr 1984 erhielten wir die Information aus Südafrika, Rich sei dort gesichtet worden. Ich stellte dann im Casino Mister Rich auf Englisch die Frage, ob es stimme, dass ihn seine letzte Reise nach Südafrika geführt habe. Unter dem Gelächter des bürgerlichen Publikums gab er zur Antwort: «My last travel was to Russia» (meine letzte Reise führte nach Russland). Wir waren wohl die beiden Einzigen im Saal, die wussten, dass seine Antwort bestens zu meiner Frage passte.
Fragwürdig ist es, wenn Ammann seiner berechtigten Kritik an Staaten, die öffentlich gegen die Apartheid ausriefen und heimlich mit ihr kollaborierten, folgende Bemerkung anfügt: «Die Rolle des Sündenbocks, der öffentlich für Südafrikageschäfte kritisiert wurde, überliessen sie natürlich ihm.» Marc Rich hat auf systematische Art und Weise einem der unmenschlichsten Regime der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts zugedient. Und dabei massiv mitverdient – auf Kosten der Menschen- und Bürgerrechte.