Bulgariens Rechte: Russlandfreunde im Aufwind

Nr. 27 –

Bulgarien, das 2020 Massenproteste gegen die Korruption im Land erlebte, droht noch weiter ins Chaos abzudriften. Letztes Jahr musste das Parlament dreimal neu gewählt werden – bis sich eine prowestliche Antikorruptionsregierung unter Ministerpräsident Kiril Petkow zusammenfand. Doch die Hoffnungen auf politisch stabilere Zeiten haben sich bereits wieder zerschlagen: Nach nur sechs Monaten im Amt ist die Koalition vor zwei Wochen an einem Misstrauensantrag definitiv gescheitert.

Die Regierung begann bereits Anfang Juni auseinanderzubrechen, als sich die populistische Partei «Es gibt ein solches Volk» im Streit um Haushaltsfragen und die Beziehungen zum Nachbarland Nordmazedonien aus der Koalition zurückzog. Am 22. Juni schliesslich entzog eine knappe Mehrheit von 124 Parlamentsabgeordneten in Sofia Ministerpräsident Petkow das Vertrauen.

Zurück an die Macht drängt nun ausgerechnet die Oppositionspartei, die die Menschen 2020 auf die Strassen getrieben hatte: die rechtspopulistische Gerb-Partei des ehemaligen Ministerpräsidenten Bojko Borissow. Neben ihr auf der Oppositionsbank sitzen ausserdem die von Oligarchen dominierte Partei der türkischen Minderheit (DPS) sowie die ultranationalistische und kremlnahe Partei «Wiedergeburt».

Ein Regierungsbündnis der drei Parteien könnte nicht nur aufgrund der politischen Desillusionierung vieler Bulgar:innen Realität werden. Auch Russlands Krieg gegen die Ukraine, der im Land mit viel Kremlpropaganda beworben wird, sowie der Streit um die mögliche Aufnahme Nordmazedoniens in die EU, der viele Bulgar:innen skeptisch gegenüberstehen, gibt insbesondere den Ultranationalist:innen Auftrieb. Bislang steht Bulgarien hinter der Sanktionspolitik der EU gegen Russland und liefert der Ukraine Waffen. Würde das Land auf einen prorussischen Kurs umschwenken, wäre die für die Sanktionen nötige Einstimmigkeit in der EU bedroht. Kommt es zu keiner neuen Koalition, wird das Land zum vierten Mal innert zweier Jahre ein neues Parlament wählen müssen.