Salman Rushdie: Geister einer anderen Ära?

Nr. 33 –

«Es wirkte unwirklich, wie ein schlechter Scherz – bis Blut floss», schilderte Harry Reese in einem CNN-Interview den Anschlag auf Salman Rushdie. Reese, der bei dem Attentat letzte Woche selbst verletzt wurde, hätte die Veranstaltung mit dem Autor in einem Bildungszentrum im US-Bundesstaat New York moderieren sollen. Doch dann stürmte ein mutmasslich islamistischer Extremist die Bühne und stach mehrfach mit einem Messer auf Rushdie ein.

Immerhin scheint der britisch-US-amerikanische Autor auf dem Weg der Besserung: «Auch wenn seine Verletzungen schwer sind und sein Leben verändern werden, ist sein forscher und trotziger Sinn für Humor intakt», teilte sein Sohn Zafar Rushdie mit. Der 75-Jährige musste zwischenzeitlich beatmet werden und könnte ein Auge verlieren.

Unwirklich wirkte auch die Nachricht vom Attentat, scheint die Affäre Rushdie doch einer anderen Ära anzugehören: 1989 hatte der iranische Staatschef, der Ajatollah Chomeini, in einer Fatwa alle Muslim:innen dazu aufgefordert, den in Mumbai geborenen Autor zu töten – wie auch alle Verleger und Lektorinnen, die an der Veröffentlichung der «Satanischen Verse» beteiligt waren.

Gegen Rushdies magisch-realistischen Roman, der auch vom Leben des Propheten Mohammed erzählt, hatten Fundamentalist:innen zuvor vor allem in Grossbritannien und Indien protestiert. Nach Chomeinis Fatwa gab es Bombenanschläge auf Buchhandlungen; Rushdies japanischer Übersetzer wurde ermordet, sein norwegischer Verleger und sein italienischer Übersetzer wurden von Attentätern schwer verletzt.

Mit den Jahren entspannte sich die Lage. 2007 sagte Rushdie, dass er die Drohungen gegen ihn inzwischen mehr als «rhetorisch denn real» wahrnehme. Dem Mordanschlag folgte nun eine Welle der Solidaritätsbekundungen vonseiten vieler Politikerinnen und Intellektueller; der französische Autor Bernard-Henri Lévy forderte den Nobelpreis für Rushdie.

Andere versuchten, den «Kulturkampf» mit der islamischen Welt zu befeuern: In der NZZ wurde Rushdie zum Opfer eines «derangierten Multikulturalismus» erklärt. Vergessen ging dagegen, dass einst unter anderem auch Frankreichs späterer Präsident Jacques Chirac, der britische Schriftsteller John le Carré und der Vatikan ihre religiösen Gefühle von Rushdies Buch tangiert wähnten.