Kost und Logis: Pogo in der Provinz

Nr. 34 –

Bettina Dyttrich entdeckt gefreute Orte für den Sommer

«Der Tagessalat ist heute mit Linsen, Zucchetti und Kartoffeln.» Die beiden Jäger schauen irritiert. Und bestellen lieber einfach Wurst und Brot. Kein Problem – auch das geht in der Skihütte Feldis. Es ist schön hier. Die Hütte liegt auf fast 2000 Metern, hoch über dem Domleschg. Die nahen Berge sind sanft wie Hügel und mit jungen Lärchen bewachsen («Da isch de Klimawandel»), die schroffen Berge am Horizont so weit weg, dass sie niemanden vor den Kopf stossen. Eine Weite wie im Oberengadin, ganz nah bei Chur.

Die Küche schafft etwas, was wenigen Bergbeizen gelingt: Sie macht gefrässige Vegetarierinnen genauso glücklich wie Traditionalisten. Denn es gibt hier, was man in einer Skihütte erwartet: Käse- und Salsizplättli, je nach Saison Fondue und Gerstensuppe. Aber auch Hummus oder eine delikate Blumenkohl-Orangen-Suppe. Und Risotto, mit oder ohne Wurst. Fast alles kommt aus der Region: die Gerste von Bündner Biobetrieben, der Wein aus Malans, der Sanddorn aus dem Nachbardorf Trans, das Fleisch vom innovativen Domleschger Demeter-Hof Dusch, der Käse von der nahen Alp und aus Splügen. Alles vorbildlich dokumentiert.

Nach einem Stück Aprikosenkuchen und richtig gutem Kaffee, geröstet gleich da unten in Fürstenau, mache ich mich an den Abstieg. Und frage mich: Warum gibt es nicht mehr solche Beizen in den Bergen? Die offensiv auf hohe Qualität, regional und bio setzen, aber die Preise im Rahmen halten? Und die ihre Menükarte so zusammenstellen, dass sich alle willkommen fühlen können?

Zwei Wochen später lande ich an einem ähnlich einladenden Ort: am Out in the Green Garden, dem unendlich viel schöneren kleinen Zwilling des Open Air Frauenfeld. Auch hier hat Ökologie einen hohen Stellenwert, gibt es Essen von regionalen Biohöfen, und das Team hat sogar bei der Neophytenbekämpfung geholfen, wie Mitorganisator David Nägeli dem «Tagblatt» erzählt.

Alle können so viel Eintritt bezahlen, wie sie wollen – das heisst aber nicht gratis, als Richtpreis gelten fünfzehn Franken pro Tag, und man bekommt auch einen Bändel. Trotzdem macht die offene Preisgestaltung das Festival diverser. Viele sehr Junge und Familien sind gekommen, und offensichtlich ist auch der Thurgau nicht mehr so weiss wie sein Klischee. In der «Jam-Jurte» stehen Instrumente allen zur Verfügung, die Lust haben. Dass dabei oft nur schleppender Bluesrock entsteht – egal. Denn von der Bühne tönt es interessanter. Mit Prix Garanti und Hatepop sind gleich zwei der spannendsten jungen Berner Bands angesagt.

Die Skihütte Feldis und das Out in the Green Garden verbindet einiges. Beide haben hohe Ansprüche und wirken trotzdem nie elitär, sondern offen wie eine Umarmung. Zum Kunstirave von Prix Garanti lässt sich tanzen wie auf Ibiza, und bei Hatepop bricht dann endgültig der Pogo aus. Die Band ist beeindruckt: «So nes Publikum heimer z’Bärn no nie gha.»

Bettina Dyttrich ist WOZ-Redaktorin.