Durch den Monat mit Rebecca Clopath (3): Sind 290 Franken für ein Menü in Ordnung?
Spitzenköchin Rebecca Clopath kocht viel mit Hanf und kommt damit besonders bei älteren Gästen gut an. Weil sich ihr winziges Heimatdorf mit den Nachbargemeinden zusammenschliesst, hat sie bald ein Ämtli weniger.
WOZ: Rebecca Clopath, in Graubünden läuft einiges – nirgendwo in der Schweiz gibt es so viele Biohöfe, innovative Kleinbetriebe in der Lebensmittelverarbeitung und der Gastronomie boomen, die Architektur hat einen hohen Stellenwert, alternative Projekte und Kunstfestivals entstehen in vielen Tälern. Warum gerade hier?
Rebecca Clopath: Graubünden ist der neue Hotspot in den Alpen! Gewisse Bauern hatten wohl genug Sicherheit, um zu sagen, wir versuchen etwas Neues. Und Lohn ist nochmals spezieller, das Dorf ist der grüne Punkt am Schamserberg. Fast alle sind links.
Und bio?
Ja, hier im Dorf haben alle Höfe gemeinsam umgestellt, schon 1992.
Ende Juni haben die Gemeinden am Schamserberg die Fusion beschlossen. Das Abstimmungsresultat war sehr klar, in Lohn gab es 23 Ja- und keine einzige Nein-Stimme.
In den bisherigen Kleingemeinden mussten sich die Leute intensiv mit ihren Ämtli auseinandersetzen. Das Bewusstsein, dass du dich um dein Dorf kümmerst, wird wohl etwas verloren gehen. Ich bin hier im Gemeindevorstand und für Soziales, Recycling und Abfall zuständig. Aber zwei Kilometer weiter, in Mathon, hat jemand das gleiche Ämtli. Es ist sicher professioneller, wenn die fusionierte Gemeinde für alle Dörfer zusammen einen Gemeindearbeiter anstellen kann. Die Höfe sind grösser geworden, viele Leute gehen auswärts arbeiten, da sind die Ämtli teils zur Last geworden.
Der Schamserberg gehört zum Naturpark Beverin. Bringt der etwas?
Ja, ich finde, er bringt dem Tal Mehrwert. Ein Naturpark ist kein Nationalpark: Es geht darum, den Tourismus zu fördern, aber einen Tourismus mit Bewusstsein. Man will nicht einfach so viele Leute wie möglich hierherholen, sondern solche, die mit der Natur etwas anfangen können.
Schrumpfen die Dörfer hier?
Nein, Lohn wächst! Als ich 2016 zurückkam, hatten wir 35 Einwohner, nun sind es 53, etwa die Hälfte davon junge Leute. Vielleicht bleiben manche nur ein paar Jahre und gehen dann wieder. Aber es freut mich trotzdem.
Mit Ihren Neungangmenüs, den «Esswahrnehmungen», machen Sie Ihr Dorf weitherum bekannt. Ein solches Menü kostet 290 Franken. Das muss man sich leisten können …
Ich habe einfach berechnet, was es braucht, damit wir durchkommen. Wir sind vier Leute, drei Angestellte und ich, und haben zwölf Gäste. Wir bereiten den ganzen Vormittag vor und sind dann sechs Stunden mit den Gästen beschäftigt. Dazu kommt ein ganzer Tag pro Woche, an dem wir nur am Vorbereiten sind. Es gibt immer noch Leute, die glauben, dass man in der Gastronomie viel Geld macht – ich kenne niemanden, auf den das zutrifft. Die Branche ist total unter dem Wert, den sie haben müsste. Und in den Monaten, in denen wir À-la-carte-Küche anbieten, sind wir in einer völlig anderen Preisklasse. Dann kann man bei uns für 25 Franken essen.
Sie kochen viel mit Hanf. Warum?
Ich bin Mitgründerin der Firma Alpenpionier, die Biohanf aus Graubünden und dem St. Galler Rheintal verarbeitet. Lange hiess es einfach: Hanf ist Kiffen, das ist schlecht. Dabei kann diese Pflanze so viel mehr, sie lässt sich sehr nachhaltig anbauen, man kann wunderbar mit ihr arbeiten. Mit Alpenpionier rücken wir auch nicht psychoaktive Stoffe wie THC oder CBD in den Vordergrund, damit haben wir nichts zu tun, sondern es geht uns darum, dass die Samen zurück auf den Teller kommen. Die Hanfsamen enthalten sehr viele Proteine, Omega-3-Fettsäuren, Mineralstoffe und sekundäre Pflanzenstoffe, die supergut sind für den Körper.
Sind sie vor allem gesund, oder finden Sie sie auch fein?
Wenn ich sie nicht fein fände, würde ich nicht so viel damit kochen. Frisch geröstete Hanfsamen haben Haselnussaromen, wenn ich daraus Pesto mache, schmeckt es eher nach Sesam, und wir haben jetzt auch Hanfspaghetti, die erinnern an Buchweizen. Wir bieten Hanfkochkurse an und haben ein Rezeptbüchlein geschrieben, damit man die Scheu vor dieser Pflanze verliert. Früher wurde Hanf hier überall angebaut – ältere Leute erinnern sich noch, dass ihnen die Eltern davon erzählt haben. Bei unseren Esswahrnehmungen fällt mir auf, dass sich die Generation zwischen fünfzig und siebzig schneller vom Hanf überzeugen lässt als die Jüngeren.
Also die Generation kurz nach den Hippies.
Genau, und die sagen dann auch oft: «Was, da sind keine Wirkstoffe drin? Das ist aber schade!»
Können Sie uns noch einen Kochtipp geben? Irgendetwas Raffiniertes, das einfach umzusetzen ist?
Im Sommer koche ich gern die Rispen der Tomaten ein paar Minuten mit. Das gibt ein cassisähnliches Aroma, sehr fein.
Aber die grünen Teile der Tomatenpflanze sind doch giftig?
Es hat etwas Giftstoffe drin, aber hey, die Menge macht das Gift – zwei Gramm Safran sind tödlich. Und Muskat ist auch recht heftig.
Rebecca Clopath (31) ist Spitzenköchin auf dem Biohof Taratsch in Lohn im Bündner Schams.