Ein Traum der Welt: Im Verein
Annette Hug mag Asian Agglo
Kürzlich im Herzen der Schweiz: Ein Ort geht in einen anderen über. Die Stadt Baden setzt sich in Gewerbezonen fort. Hier werden neue Fabriken gebaut, Lagerhäuser, auch Versicherungsunternehmen ziehen Gebäude hoch. Da wird gearbeitet. Und mittags hat man Hunger. Jenny’s Asia Restaurant ist eine hervorragende Adresse. Das Lokal liegt im Parterre eines Bürohauses. Neben dem Buffet hat die Wirtin Muscheln ausgebreitet. Ein Ferienschatz? Die Fenster der Kantine sind innen so ausgekleidet, dass man auf den ersten Blick dunkle, geschnitzte Holzrahmen vermutet. Wenn sie echt wären, würden sie Perlmutt einfassen, wie Butzenscheiben.
Sonst verrät nur eine kleine Fahne im obersten Eck eines Fensters, dass das ein philippinisches Restaurant ist.
Kürzlich war die Gewerbezone schon menschenleer. Es dunkelte. Eigentlich wäre das Restaurant geschlossen gewesen, zwei Angestellte mühten sich aber mit der Karaokeanlage ab. Sie brachten sie zum Laufen, bevor die Generalversammlung begann.
Noch immer finden GVs statt, die vom Frühling in den Herbst verschoben worden sind – im Nachgang der Pandemie ist der Jahreskreis der Vereinsmeierei gestört. Im Herzen der Schweiz würden Rechnungen plangemäss im April abgenommen. Und die Toten geehrt. Da fällt man auch in gewöhnlichen Jahren kurz aus dem Takt: «Bitte erhebt euch!» Jahr für Jahr diese peinliche Lücke, Schweigeminute, weil man ja nicht beten und auch nicht singen kann. Nichts mit «Ich hatt einen Kameraden», nichts «Brüder zur Freiheit». Da flüstert höchstens eine: «Was, der auch schon?»
Kürzlich, am Jubiläum eines anderen Vereins, fand der DJ der Afterparty eine Antwort auf das betretene Schweigen: «Another One Bites the Dust» brachte alle Mitglieder auf die Beine. Aber in Jenny’s Asia Restaurant war während des formellen Teils der GV Heidi Klum zu sehen, die sich über dem Kopf der Präsidentin auf dem Karaokebildschirm in Endlosschleife über einen Laufsteg schwang. Mit anderen Models präsentierte sie glitzernde Bikinis.
Traktandiert war ein Projekt mit Schweizer Völkerkundemuseen: Wird es gelingen, Fotos von Gegenständen zu machen, die seit über hundert Jahren ungesehen in Kellern liegen – von Schweizer Handelsreisenden gekauft, einem Museum geschenkt, flüchtig beschriftet und dann gleich verstaut? Würde man die Schöpflöffel aus Kokosnussschalen, die Speerspitzen, Dolche und Fächer für eine digitale Ausstellung, betrieben in London, sichtbar machen können?
Nächstes Traktandum: die Rechnung. Die Wahlen. Eine Totenehrung findet nicht statt, weil der Verein noch ganz jung ist. Schon wird das Essen serviert. «Kare-kare» ist der Renner, obwohl die schweizerdeutsche Beschreibung für einige Mitglieder abschreckend wirkt: «Chuttle mit Erdnusssauce». Die Präsidentin ist Linguistin und klärt über die Etymologie des philippinischen Namens auf. Wobei man vielleicht eher von einer Urban Legend sprechen müsse. Als die Briten 1762 für kurze Zeit die philippinische Hauptstadt Manila besetzten, sollen sie «Curry» verlangt haben. Schliesslich waren sie in Asien. Da versuchten die lokalen Köch:innen, etwas Ähnliches zu schaffen. Gelb musste es sein.
Heraus kam die erwähnte Erdnusssauce mit dem verballhornten Namen. Sehr zu empfehlen, in Dättwil AG.
Annette Hug ist Autorin und führt im Verein studiyo filipino die Kasse.