Wichtig zu wissen: One Way Ticket to Hell
Ruedi Widmer über die Verbauungen der modernen Schweiz
Der Tenor ist einhellig, und die ehemalige SP-Nationalrätin Chantal Galladé muss in der «NZZ am Sonntag» nur noch einstimmen: Mit dem Frauenticket verbaut die SP-Führungsriege einer ganzen Generation Männern aus der Deutschschweiz (genauer Stäfa) und einer ganzen Generation Frauen aus der Westschweiz den Weg in den Bundesrat. Das ist ein Affront gegenüber weiten Teilen der Bevölkerung: Wie viele Bundesratskarrieren die SP hier für immer zerstört, kann man sich ausdenken. Tausende Menschen stehen vor dem Nichts, all ihrer Träume beraubt. Und das in einem der reichsten Länder der Welt. Die SP sorgt einmal mehr für Armut, die sie selber zu bekämpfen glaubt. Die SP beraubt auch eine ganze Gesellschaft ihrer Meinungen. Neben immer noch rechts gültigen Begriffen für Menschen und Süssspeisen ist jetzt auch «Bundesrat Jositsch» als Meinung nicht mehr zugelassen. Wann werden männliche Bundesräte ganz verboten? Wann noch mehr Süssigkeiten? Wohin totale Verbote führen, sehen wir in Russland, wo niemand mehr etwas gegen den Diktator sagen darf.
Ich erinnere mich noch an Ruth Dreifuss mit Moritzli, Dölfi, Flavio, Noldi …
Bleiben der SP also die Frauen. Es sind dies Eva Herzog aus Basel, Elisabeth Baume-Schneider aus dem Jura und Evi Allemann aus Bern. Letztere wird kritisiert, weil sie kleine Kinder hat. So könne man nicht Bundesrätin werden, heisst es diesmal von der politischen Gegenseite. Hier wird wieder einer ganzen Generation Frauen mit kleinen Kindern der Eintritt ins Bundesratsleben verbaut. Allen? Magdalena Martullo-Blocher wird in weiten Teilen der SVP als Bundesrätin gewünscht – und da sind ihre Kinder weniger Thema, weil Martullo ja nicht links ist und den Kinderladen im Griff hat, ganz wie die Ems-Chemie.
Bundesrätin und kleine Kinder gehe nicht? Ich mag mich noch an Ruth Dreifuss erinnern mit dem kleinen Moritzli, dem Dölfi, dem Flavio, Noldi, Kasperli und dem Pascal. Das war etwa 1997.
Apropos Frauenticket: Schon mit den Frauenparkplätzen in den Parkhäusern der Stadt verbaute die SP Zürich bereits vor zwanzig Jahren Männern die Möglichkeit, ihren X6 nah beim Lift abzustellen. Eine ganze Generation Männer ist seither in den Parkhäusern des Molochs Zürich verschwunden, weil sie zu weit gehen musste oder sich in den dunkeln Winkeln verirrte und irgendwo verendete. Eine ganze Generation Männer kann seither nicht mehr FDP wählen. Das ist Gerrymandering der SP auf die gemeine, hinterhältige Art.
Das Frauenticket ist auch für mich nicht gut: Kürzlich fuhr ich mit einem Intercity und hatte aus Versehen ein Frauenticket gebucht. Der Kondukteur bat mich, sofort bei der nächsten Station auszusteigen, oder er werde die Bahnpolizei rufen. Dann stellte ich fest, dass ein Algorithmus mich bereits derart ausgehorcht hatte, dass die SBB-App meinte, und zwar, weil ich im Leben auch schon die SP gewählt habe, ich sei eine Frau.
Vielleicht wird Daniel Jositsch ja von einer seiner Mitbewerberinnen noch das Friendship-Ticket bekommen und doch noch zur Wahl zugelassen werden. Diese an sich geniale Erfindung ist einer jüngeren Generation total verbaut, denn sie stammt aus der SRF-«MusicStar»-Sendereihe von ungefähr 2005.
Klar, für einen langjährigen Politiker wie Jositsch ist es wirklich nicht erbaulich, wenn der Bundesratszug praktisch vor der Nase abfährt, aber Ständerat zu sein, ist ja auch etwas Schönes. Oder ein Parteiaustritt/-übertritt mit dem ganzen medialen Tohuwabohu. Das ist oft das Eintrittsticket in die «Weltwoche» oder an andere alternative Arbeitsorte.
Ein Politiker sollte sich in solch schwierigen Momenten aber auch immer wieder vergegenwärtigen, dass selbst weltbekannte Politiker wie Gorbatschow, Kohl, Kennedy, Adenauer oder sogar Mao Zedong, der die SP ja seit jeher inspiriert, nie im Bundesrat waren. Und trotzdem kennt sie jedes Kind.
Ruedi Widmer, Cartoonist, weiss aus eigener täglicher Anschauung, wie es ist, nicht Bundesrat zu sein.