Überwachung mit «Safe City»: Es gibt keinen Ort, um sich zu verstecken

Nr. 49 –

Ob in Ghana, Serbien oder Ecuador: Das vernetzte Kamerasystem des chinesischen Techkonzerns Huawei kontrolliert Städte auf der ganzen Welt. Ermöglicht es den Regierungen bald eine lückenlose Überwachung inklusive Gesichtserkennung?

Präsentation des Huawei-«Safe City»-Konzepts am Smart City Expo World Congress in Barcelona, 2018
Wer geht wohin, und wer hat Böses im Sinn? Präsentation des Huawei-«Safe City»-Konzepts am Smart City Expo World Congress in Barcelona, 2018. Foto: Alamy

Das Szenario könnte sich wie folgt abspielen: Die Notrufzentrale in Accra erhält einen Anruf. Ein Mann wurde soeben Opfer eines Überfalls. «Wie sah der Angreifer aus?» und «Wo sind Sie?», würde der Polizeimitarbeiter, der den Anruf entgegennimmt, fragen. Sofort gibt er die genannte Adresse in eine Datenbank und sieht, dass an einer Kreuzung ganz in der Nähe neue intelligente Kameras montiert sind. Dann betritt er die Kommandozentrale im Nebenraum, wo sich mehrere Bildschirme und zwölf Personen befinden, die vor ihren Computern sitzen. «Sehen wir irgendwo einen Mann mit schwarzer Hose und rotem T-Shirt?», fragt er in den Raum. Es dauert nicht lange, bis der mutmassliche Angreifer lokalisiert ist und eine nahe gelegene Streife unterwegs ist, um ihn abzufangen.

Genau so sollte im Idealfall das staatliche Videoüberwachungssystem – produziert von Huawei – funktionieren, erklärt Isaac Lawther das Szenario. Der Politikwissenschaftler hat im Rahmen seiner Forschung Polizeikommandozentralen in verschiedenen ghanaischen Städten besucht und ähnliche Szenen miterlebt. «Das System gibt der Polizei Augen auf der Strasse und erhöht damit ihre Kapazität, die Bevölkerung zu überwachen.»

Was die Huawei-Software alles kann, bleibt derweil ein Geheimnis.

«Nowhere to hide» – kein Ort, um sich zu verstecken: Mit diesem Versprechen preist der chinesische Techkonzern Huawei auf seiner Website sogenannte «Safe City»-Lösungen an. Dank intelligenter Kamerasysteme und der passenden Analysesoftware soll es möglich sein, Städte oder gar ganze Länder sicher zu machen – oder zumindest sicherer. Auf dieses verlockende Angebot von Huawei sind bereits Städte in Myanmar, Uganda, Bolivien, Pakistan oder Tadschikistan eingegangen. Weltweit sollen über 230 Städte in neunzig Ländern mit dem intelligenten Überwachungssystem von Huawei ausgerüstet sein.

Ein All-inclusive-Paket

Eines der jüngsten Beispiele ist Ghana. Medienberichten zufolge wurde Ende 2021 Phase zwei des nationalen Sicherheitsprojekts abgeschlossen – zu den bereits bestehenden 800 Kameras wurden zusätzliche 10 000 installiert und vernetzt. Dass Regierungen den Einsatz von Überwachungskameras fördern, ist nichts Aussergewöhnliches. Was Ghana jedoch von anderen Orten unterscheidet, ist die Tatsache, dass nicht nur einzelne Teile – wie etwa die Software –, sondern das ganze System von Huawei stammt. Und das ist noch nicht alles: Nebst Hard- und Software aus chinesischer Produktion sind auch die dafür vergebenen Kredite chinesisch. Denn die chinesische Staatsbank Exim bietet oft Darlehen zur Finanzierung des Systems von Huawei an.

Auch im Fall von Ghana ist es ein Win-win-Geschäft für die chinesische Wirtschaft: Wie aus den Protokollen der Parlamentsdebatten hervorgeht, gewährte die Exim-Bank der ghanaischen Regierung einen begünstigten Käuferkredit in der Höhe von knapp 200 Millionen US-Dollar für die Aufstockung des nationalen Sicherheitsprogramms. Davon sollen rund 143 Millionen Dollar an Huawei fliessen – mehr als zwei Drittel in die technische Ausstattung, der Rest in den Service.

Was die von Huawei entwickelte Software alles kann, bleibt derweil ein Geheimnis. Um einen besseren Einblick ins ghanaische Überwachungssystem zu erhalten, hat Politikwissenschaftler Lawther im vergangenen Jahr nicht nur Polizeistationen besucht, um das System in Aktion zu sehen. Er führte darüber hinaus mehr als sechzig Interviews mit Polizeiangestellten, Politikerinnen und Journalisten. Dabei ging es ihm auch um die Frage: Wie intelligent ist das System von Huawei wirklich? «Einige Kameras sind auf jeden Fall fähig, automatisch Nummernschilder zu erkennen», so Lawther. Dass auch die viel kritisierte automatische Gesichtserkennung angewendet wird, bezweifelt er aber. «Meines Wissens ist die Technologie noch nicht ausreichend entwickelt, um bei den Aufnahmen von so weit entfernten Kameras zu funktionieren.»

Gesichtserkennungstechnologien werden zudem immer wieder dafür kritisiert, lediglich bei weissen Männern verlässliche Ergebnisse zu erzielen. Bei Schwarzen Personen, Indigenen, People of Color (BiPoC) und Frauen funktioniert das System noch zu wenig genau. Dieses Manko ist allerdings kein Grund zur Freude, führt doch gerade auch ein ungenaues System dazu, dass Unschuldige überwacht und ins Visier genommen werden.

Trotzdem interessiert sich die ghanaische Politik für die Anwendung von Gesichtserkennung. Das zeigten etwa die Parlamentsdebatten im November 2019: So betonte Ursula Owusu-Ekuful, liberalkonservative Abgeordnete und Ministerin für Kommunikation und Digitalisierung, die Vorzüge dieser Technik – und fügte an, es stehe zwar nichts davon in den Unterlagen, aber der Vorsitzende des Ausschusses für Verteidigung und Inneres habe ihr «versichert», dass im Huawei-Paket auch die Gesichtserkennung enthalten sei.

Intransparente Beschaffung

In Asien, Lateinamerika und Afrika sind die «Safe City»-Programme weitverbreitet (vgl. «Gefährliche Abhängigkeit» im Anschluss an diesen Text). Aber auch in Europa arbeiten Regierungen mit Huawei und anderen chinesischen Techkonzernen zusammen. So kündigte etwa Serbien 2019 an, mehrere «Safe Cities» mit der Technologie von Huawei aufzubauen.

Der gesellschaftliche Diskurs um die Überwachung des öffentlichen Raums in Serbiens Städten begann dabei bereits Jahre zuvor – mit einem aufsehenerregenden Kriminalfall. 2014 tötete ein Autofahrer auf einer Brücke in Belgrad den 21-jährigen Luka Jovanović. Der Täter flüchtete und verliess das Land. Die Polizei vermutete, dass er sich nach China abgesetzt hatte, und bat die chinesischen Behörden um Hilfe. Diese konnten den Mann dank der dort weitverbreiteten Überwachungstechnologie angeblich innert weniger Tage ausfindig machen.

2017 schloss die serbische Regierung dann eine «strategische Partnerschaft» mit Huawei ab; anders als bei der Kooperation in Ghana wurden die Verträge in Serbien allerdings geheim gehalten. Auch die genauen Standorte der installierten Kameras drangen erst durch eine Aktion der NGO Share Foundation an die Öffentlichkeit.

Die Menschenrechtsorganisation bat im Mai 2020 die Bevölkerung, neu entdeckte Kameras auf einer öffentlichen Karte im Netz einzuzeichnen. «Mit der Aktion wollten wir eine einfache Möglichkeit schaffen, aktiv zu werden und auf die Problematik aufmerksam zu machen», erklärt Andrej Petrovski von der Share Foundation. «So könnten wir das Überwachungssystem ein Stück weit rekonstruieren.»

Zudem erhöhte die Organisation den Druck auf die Regierung, Transparenz zu schaffen. Sie kritisierte, dass es keine öffentlichen Untersuchungen zum Einfluss auf Datenschutz, Privatsphäre oder Kriminalität gebe, die den Einsatz eines solchen Systems rechtfertigen würden. Bis heute existiert in Serbien zudem keine rechtliche Grundlage für die Verwendung intelligenter Überwachungssysteme im öffentlichen Raum. Die Aufnahmen dürften also gar nicht mit künstlicher Intelligenz oder Gesichtserkennungsprogrammen analysiert werden. Ursprünglich wollte Präsident Aleksandar Vučić ein entsprechendes Gesetz durchpeitschen, doch nachdem die Proteste in Belgrad an Fahrt aufgenommen hatten, verschwand es in der Versenkung.

Auch eine von Huawei veröffentlichte Fallstudie über die Situation in Belgrad wurde schnurstracks aus dem Netz entfernt, nachdem die Share Foundation darauf aufmerksam gemacht hatte. Die Studie erläuterte die vermeintlichen Sicherheitsvorteile der Technologie: So habe sich etwa die Anzahl der Verkehrstoten und -verletzten in der serbischen Hauptstadt 2014 um 24 Prozent erhöht. Darüber hinaus würden ein «Ansturm von fast 550 000 Asylanträgen» sowie «34 000 illegale Einwanderer» die Stadt unter Druck setzen. Huawei sei «die einzige Firma, die eine umfassende ‹Safe City›-Lösung anbieten» könne.

In der Fallstudie wird denn auch vertieft auf die technischen Möglichkeiten des Huawei-Systems eingegangen. So liessen sich automatisch Nummernschilder erkennen, «Herumlungernde» aufspüren oder das Bewegungsverhalten von Menschen analysieren. Und natürlich wäre Gesichtserkennung ein Teil des Programms.

Nicht verifizierbar und falsche Zahlen

Einer, der den Einfluss und die Verbreitung von «Safe Cities» über den Globus wie kaum jemand anderes untersucht hat, ist der Stadtforscher Alvaro Artigas. Mit dem Versprechen von Sicherheit habe das Konzept der «Safe Cities» die traditionelle Videoüberwachung verdrängt, schreibt er in einer Studie von 2019. Denn Techkonzerne versprechen durch «verbesserte Analysen und ständige Innovation eine allumfassende Überwachung der städtischen Gebiete».

Chinesische Firmen wie Huawei hätten dabei verschiedene Vorteile gegenüber der Konkurrenz in Europa oder den USA. Auf dem chinesischen Markt könnten sie ihre Systeme ohne grosse Einschränkungen entwickeln und verfeinern. Durch die politische Unterstützung im Inland ist die Expansion in ausländische Märkte einfacher. Und dank der Kredite chinesischer Banken sind auch finanzielle Fragen geklärt. Vielen Städten und Ländern erscheint demnach diese All-inclusive-Lösung als attraktives Angebot.

Inwiefern es denn aber auch tatsächlich eine «Lösung» darstellt, ist indes unklar, denn das Unternehmen wirbt für die «Safe Cities» mit nicht verifizierbaren oder teilweise gar falschen Zahlen. So wird beispielsweise in einer Marketingpräsentation behauptet, dass die Kriminalitätsrate in Nairobi dank des Systems von Huawei im Jahr nach der Installation um 46 Prozent gesunken sei. Die offizielle Statistik der Polizei verzeichnet dagegen lediglich einen Rückgang von 40 Prozent. Ein genauerer Blick in die Zahlen zeigt: Der Effekt war nicht von langer Dauer. Bereits zwei Jahre später stieg die Kriminalitätsrate erneut sprunghaft um 50 Prozent an.

Der serbische Aktivist Petrovski warnt, dass das Ziel nicht sein könne, bessere, intelligentere und genauere Systeme zu fordern. «Manche Technologien sind irreparabel kaputt», sagt er. Denn ein präziseres Überwachungssystem bedeute bloss mehr Möglichkeiten, unerwünschte Menschen zum Schweigen zu bringen, ein weniger präzises wiederum, dass mehr Unschuldige ins Visier geraten. «Niemand auf der Welt braucht ein solch übergriffiges Überwachungswerkzeug.»

Repression statt Sicherheit

In Belgrad standen die Aktivist:innen der Share Foundation vor einem weiteren Problem: Umfassende Überwachung ist nichts Neues. «Serbien ist eine postsozialistische Gesellschaft, in der Menschen daran gewöhnt sind, überwacht zu werden», erklärt Petrovski. «Aber du kannst noch so viele spionierende Nachbarn haben – es wird nie das Gleiche sein wie eine massive Überwachung des öffentlichen Raums mit Kameras und Gesichtserkennung.» Dank maschinellem Lernen lassen sich menschliche Interaktionen in der Öffentlichkeit quantifizieren und aufzeichnen: Wer ist wie weit gelaufen? Wer hat wen getroffen? Petrovski hofft, dass den Menschen durch seine Arbeit bewusst wird, dass solche Systeme nicht in ihrem Interesse sind. «Wir sind alle davon betroffen, egal ob man politisch aktiv oder ein normaler Bürger ist», sagt er. «Ein solches System schadet der Demokratie.»

In Ecuador hatte  auch der Geheimdienst Zugriff auf die Daten der Huawei-Kameras.

Wie schädlich intelligente Überwachungssysteme im öffentlichen Raum für die Gesellschaft sind, zeigt ein Blick nach Ecuador: Dort stehen bereits Kameras, die fähig sind, mit Gesichtserkennungssoftware zu arbeiten – wobei die Funktion laut offiziellen Angaben noch nicht in Gebrauch ist. In Bezug auf die Überwachung seiner Bürger:innen nimmt Ecuador auf dem südamerikanischen Kontinent eine Vorreiterrolle ein. Bereits 2010 wurde mit «ECU 911» ein nationales Sicherheitsnetzwerk eingeführt, das unter anderem Notruf, Polizei, Feuerwehr und Zivilschutz stärker zentralisiert. Es sei das «beste integrierte Sicherheitssystem Lateinamerikas», verkündete Expräsident Rafael Correa in einer Rede 2012 stolz.

Teil von «ECU 911» ist ein Videoüberwachungssystem, das seit der Implementierung vor zwölf Jahren laufend ausgebaut wurde. Anders als etwa in Ghana stammt zwar nicht das ganze Equipment aus dem Hause Huawei, sondern von mehreren Anbietern. Dennoch kam die ecuadorianische NGO Fundamedios, die sich für Meinungs- und Pressefreiheit einsetzt, in einer 2021 veröffentlichten Studie zum Schluss, dass die Hälfte der zwischen 2012 und 2017 getätigten Anschaffungen zur Videoüberwachung mit chinesischen Krediten getätigt wurden.

Seither rüsten der Staat mit «ECU 911», aber auch regionale Polizeieinheiten und einzelne Gemeinden eigenständig weiter auf: mehr Kameras, mehr Technologie – in Zukunft gerne auch mit Gesichtserkennungssoftware. So hat etwa die Hafenstadt Guayaquil laut Medienberichten 2022 einen Vertrag über den Kauf von 15 000 neuen Kameras abgeschlossen. Sie sollen nicht nur fähig sein, Gesichter zu erkennen, sondern mithilfe von künstlicher Intelligenz auch eine Art Frühwarnsystem beinhalten, mit dem potenziell «bedrohliche Situationen» erkannt werden.

Fundamedios und andere NGOs haben auf die Gefahren hingewiesen, die von Überwachungssystemen ausgehen – insbesondere, wenn die gesetzlichen Grundlagen zum Schutz der Privatsphäre von Einwohner:innen nicht ausreichend vorhanden sind. Zum gleichen Schluss kam auch die Uno-Hochkommissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet. Im September 2021 forderte sie ein Moratorium für den Verkauf und den Einsatz von KI-Systemen und Technologien wie Gesichtserkennung, solange nicht ausreichende Massnahmen existierten, die den Schutz vor Diskriminierung, den Schutz der Privatsphäre und der Menschenrechte im Allgemeinen sicherstellten.

Trotz der Kritik steht eine Mehrheit der ecuadorianischen Bevölkerung dem Überwachungssystem positiv gegenüber. Die Behauptung der Regierung, es verbessere die Sicherheit, stosse bei vielen auf Anklang, schreibt Anaís Córdova Páez von der ecuadorianischen NGO «LaLibre.net Tecnologías Comunitarias»: «Doch es gibt keinen Beweis dafür, dass mit steigender Anzahl Kameras die Zahl der Verbrechen sinkt.» Stattdessen nehme die Repression gegenüber regierungskritischen Aktivist:innen zu.

Kameras direkt ins Wohnzimmer

Tatsächlich zeigt sich am Beispiel Ecuador, wie die Befürchtung, Überwachungssysteme könnten missbraucht werden, Realität werden kann. 2019 deckte die «New York Times» auf, dass nicht nur die Polizei, sondern auch der ecuadorianische Geheimdienst Zugriff auf die Daten der Überwachungskameras hatte. Im selben Jahr machte der damalige Präsident Lenín Moreno publik, dass «ECU 911» unter seinem Vorgänger Rafael Correa verwendet worden war, um politische Gegner:innen auszuspionieren. Moreno selbst amtierte in der Zeit als Vizepräsident. Inwiefern das System auch heute zur Überwachung von Oppositionellen verwendet wird, weiss niemand. Während der landesweiten Proteste, die im Juni dieses Jahres begannen und insbesondere von der indigenen Bevölkerung getragen wurden, kritisierten verschiedene Organisationen, die Regierung versuche, sie einzuschüchtern.

Páez glaubt, dass die politische Verwendung von Überwachungskameras System hat: «Während der Streiks gab es Internetsperren, und die Polizei setzte die Videoüberwachungssysteme ein, um herauszufinden, wie sich die Demonstrant:innen organisierten.» Das ist keine blosse Vermutung: Im Fall der Stadt Guayaquil betonte die Verwaltung selbst, sie werde alle zur Verfügung stehenden Mittel – inklusive Kameras – verwenden, um «gewalttätige Demonstrationen» zu verhindern. Auch Mitarbeitende des Dachverbands der indigenen Nationalitäten Ecuadors (Conaie) prangerten die Überwachung an. Zu Beginn der Proteste, am 13. Juni, publizierten Conaie-Mitarbeiter:innen auf Twitter Fotos von Überwachungskameras, die im Morgengrauen installiert worden und genau auf ihr Büro gerichtet waren. Diese Massnahme wurde vom Verband als «Verfolgung und Einschüchterung» interpretiert und dient als Beispiel für den Abschreckungseffekt, der durch ständige Überwachung geschieht. Durch die Präsenz von Kameras und aus Angst vor Repressionen werden Menschen davon abgehalten, ihre Rechte wahrzunehmen. Dafür muss nicht einmal sicher sein, ob das System tatsächlich all das kann, was es zu können vorgibt.

Aus Ghana kenne er ein ähnliches Beispiel, sagt Politikwissenschaftler Isaac Lawther. Ein investigativer Journalist, den er für seine Forschung interviewt hatte, erzählte ihm, dass direkt vor seinem Haus Kameras aufgestellt worden seien – eine davon gezielt auf sein Fenster gerichtet. «Er sagte mir, dass die Kameras vermutlich verwendet würden, um ihn zu überwachen.» Die trockene Reaktion des Journalisten überraschte Lawther. Dieser habe nur gemeint: «Vielleicht hören sie mein Telefon ab, vielleicht überwachen sie mich mit Pegasus oder richten diese Kamera auf mich. Was spielt das noch für eine Rolle?»

Gefährliche Abhängigkeit

Fast drei Viertel der vernetzten «Safe City»-Überwachungssysteme von Huawei befinden sich in Asien, Lateinamerika und Afrika, wie das US-amerikanische Center for Strategic and International Studies 2019 analysierte.

Damit werden Länder und städtische Behörden vom chinesischen Konzern in eine technologische Abhängigkeit gedrängt: Ist das Überwachungssystem erst einmal auf Hard- und Software von Huawei aufgebaut, fällt ein Wechsel schwer. Zudem ist der Konzern für .die nötige Wartung zuständig.

Auch die Entstehungsgeschichte des Überwachungssystems zeugt von dessen Gefahrenpotenzial: Wie die «Washington Post» 2020 enthüllte, hat Huawei «Safe City» in der chinesischen Provinz Xinjiang getestet und entwickelt – und dabei so programmiert, dass die vom Staat systematisch unterdrückten Uigur:innen automatisch identifiziert werden sollten.