Agrarpolitik: Hunger wegen Schmetterlingen?

Nr. 51 –

Der Schwyzer SVP-Nationalrat Marcel Dettling zog letzte Woche im Parlament alle Register: Es sei unverantwortlich, «sich auf dem Weltmarkt das Essen für die reiche Schweiz zu besorgen» – über 800 Millionen Menschen seien von Hunger bedroht. «Mit jedem Kilo zusätzlicher Importe essen wir also die Nahrung Bedürftiger weg.» Es ging um die Frage, ob im Ackerbaugebiet, wo in vielen Teilen der Schweiz kaum noch ein Schmetterling oder Singvogel lebt, 3,5 Prozent der Fläche der Biodiversitätsförderung dienen sollen. Für die SVP ist klar: Wer Arten und Lebensräume stärken will, macht sich mitschuldig am Welthunger.

Diese Gleichung hat nicht die SVP erfunden. Seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine dient sie in ganz Europa jenen als Totschlagargument, die die Umweltprobleme der Landwirtschaft nicht angehen wollen. In der Wintersession kam die SVP damit weit und versenkte, unterstützt von FDP und Mitte, mehrere Ökologisierungsvorhaben. Nur bei den 3,5 Prozent Biodiversitätsförderflächen setzte sich Links-Grün durch.

Es stimmt: Die Schweiz hat im globalen Vergleich ausgezeichnete Ackerböden und damit eine Verpflichtung, einen wichtigen Teil ihrer Nahrung selbst anzubauen. Aber Dettling und Co. argumentieren mit Mangel, um ein Agrarsystem zu erhalten, das auf Verschwendung basiert und seine eigenen Grundlagen gefährdet. Biodiversitätsförderflächen, in denen Bestäuberinsekten oder natürliche Feinde von Blattläusen leben können, gehören zu diesen Grundlagen. Nicht sie gefährden die Welternährung, sondern die hohe Fleischproduktion, die Lebensmittelverschwendung, die exzessive Bautätigkeit und die Klimaerhitzung. Alles Themen, die die SVP gern ignoriert.

Die «Krise als Chance» ist eine abgedroschene Phrase. Leider passiert in Krisen oft das Gegenteil: Man klammert sich noch stärker an vertraute, dysfunktionale Strukturen. Dabei gäbe es schon ohne Krieg gegen die Ukraine viel zu tun: Bei Dünger, Maschinen, Verarbeitung und Transport ist die Landwirtschaft extrem abhängig von fossilen Energieträgern. Davon wegzukommen, ist dringend nötig.