Pop: Treppen springen, Pirouetten drehen
Ein entrückter Chor aus einem älteren Song von Björk dreht seine Runden über einem geerdeten Hip-Hop-Beat, die Bühne ist bereit. Zuerst Auftritt Ol’ Dirty Bastard, ein Sample von 1995, der Rapper gestikuliert mit der Stimme, als wollte er über den Beat hinausschäumen oder gleich alles in die Luft sprengen. SZA, die Hauptdarstellerin, klingt dagegen geradezu temperiert, aber das täuscht. Die melodischen Figuren, durch die ihre Stimme fliesst, steigern die versierte Rhythmik – in der Zone zwischen Rap und R-’n’-B-Gesang fühlt sich SZA am wohlsten. Und dann der Klang, eine Spur von Heiserkeit, ein Knistern im Nanobereich, als würde die Stimme brennen.
«Forgiveless» heisst dieser kleine grosse Song, es ist der letzte auf SZAs zweitem Album «SOS», das fünf Jahre nach dem gefeierten «Ctrl» erscheint. Es ist eine lange Strecke von Songs, die immer wieder auf R ’n’ B zurückkommen, aber in diverse Popgebiete ausscheren. Ihre Erzählerin hat oft ein gebrochenes Herz, will manchmal vergeben, sich bald lieber rächen oder das Gegenüber auf Gelegenheitssexdistanz halten. Als Ganzes wirkt «SOS» minimal überladen, aber die vielen Glanzpunkte brauchen keine Tragbalken.
In «Ghost in the Machine» zerfliesst ihre Stimme mit der von Phoebe Bridgers, und was da im Bassraum sanft hallt und dröhnt, könnte die Maschine sein. «Blind» ist ein anderer Song, in dem SZAs Gespür für Indiepop zum Tragen kommt, über einer nackten Gitarre verwebt sie kindlich verfremdete Gesänge ineinander, dass es plötzlich an Grimes erinnert. Eine akustische Gitarre begleitet sie auch in «Nobody Gets Me», aber hier bäumt sich ihre Stimme zur Powerballade auf. In «Notice Me» gibt der Beat den Raum frei, in dem ihre Stimme wie beiläufig über Treppen tänzelt und Pirouetten dreht. Und dann hat sie auch noch diesen Schalk, zuckersüss singt sie in «Kill Bill», wie sie zur Therapie geht und es doch besser weiss, aber trotzdem am liebsten diesen einen Ex umlegen würde.

SZA: «SOS». Top Dawg / RCA. 2022.