Pop: Gegen jede Wahrscheinlichkeit
Wer will sich in diesen Tagen darüber beschweren, dass sich manche noch etwas Optimismus abringen können? Zumindest wenn er von solchen kommt, die mit furioser Trauer in ihren früheren Werken kaum gespart haben; mit einer Melancholie, die einen am dunklen Sonntagnachmittag, wenn diese Musik immer am besten funktionierte, fast zerrissen hat. Wir reden von den Young Fathers mit ihrem so schlüssigen Zusammenspiel von Punk, Indie, Rap und Soul, auch von Gospel und Noise. «Heavy Heavy» heisst nun das neuste Album von «G» Hastings, Alloysious Massaquoi und Kayus Bankole aus Edinburgh, erschienen nach drei Jahren Arbeit. Aber es ist alles andere als schwer, sondern leichtfüssig, unverschämt gut gelaunt, mit beinahe euphorischen Gospelchören und dem Schwung eines, sagen wir, Donnerstag- oder Freitagabends. Es kann noch alles passieren.
Viel Freude, wie das einsteigt: «Rice» mit verspielter Perkussion und leise positiv gestimmtem Gesang. «It’s all alright», heisst es da tatsächlich. Aber es werden auch so grundlegende Lebensziele aufgeführt wie jenes, endlich mehr Reis zu essen. Dass alles in Ordnung sei, das sagt hier sowieso niemand ohne Fragezeichen, schon beim anschliessenden «I Saw» wird das klar. Da treibt der Bass gleich viel wütender weiter, und der Chor beschränkt sich am Ende in seinen affirmativen Wiederholungen nur noch auf das Wesentliche: «Wasch dein Gesicht, putz deine Zähne». Den Kopf oben behalten, weitermachen – das ist der Optimismus, der noch geht in dieser Shitshow namens Schottland, Grossbritannien und so weiter. Wir sind noch da, gegen jede Wahrscheinlichkeit.
Einfach machen. Dass «Heavy Heavy» dadurch gegen hinten etwas gar glatt gerät, ist ein bisschen schade. Schön, wo das Nachdenkliche durchscheint; die Noise- und andere Störelemente aus den früheren Alben fehlen leider fast ganz. Man könnte auch sagen: zehn gut gemachte, auch mal herausragende Popsongs, und dann rutscht man nach einer halben Stunde sauber wieder raus. Wer will sich denn da beschweren?
Young Fathers: «Heavy Heavy». Ninja Tune. 2023.